Folgen der Trockenheit Wenig Grundwasser trotz Regens
Im Frühjahr hat es zwar viel geregnet, doch wegen der Trockenheit der vergangenen Jahre bleiben die Grundwasserspiegel niedrig. Experten fordern Gegenmaßnahmen, um Trinkwasserknappheit und Probleme für die Wirtschaft zu vermeiden.
Die jüngste Bilanz des Deutschen Wetterdienstes sorgt nur für einen kurzen Lichtblick: Es war der nasseste März in Deutschland seit 22 Jahren und auch der April war im Vergleich zu langjährigen Mittelwerten sogar "etwas zu feucht". Diese Niederschläge reichen allerdings längst nicht aus, um für eine Erholung der in den vergangenen Jahren stark gesunkenen Grundwasserspiegel hierzulande zu sorgen, erklärt Tim Staeger vom ARD-Wetterkompetenzzentrum.
Trend beim Grundwasserstand: Es geht bergab
"Das Versickern und die Grundwasserbildung sind langsame Prozesse, welche Monate bis Jahre in Anspruch nehmen", erläutert der Meteorologe und verweist auf die ausgeprägte Sommertrockenheit in den Jahren 2018 bis 2022. "Hier fehlten über die Sommermonate fast 50 Prozent des Niederschlags." Durch das hohe Temperaturniveau sei zudem die Verdunstung sehr hoch gewesen, was für eine zusätzliche Austrocknung der Böden sorgte.
Auch Grundwasserforscher Andreas Hartmann von der Technischen Universität Dresden betont: "Wir sehen einen klaren Trend, dass es mit den Grundwasserständen ziemlich steil bergab geht." Auf der einen Seite sei durch die klimatischen Veränderungen weniger Wasser vorhanden, um die Grundwasserstände zu erneuern, erklärt Hartmann, der sich seit Jahren mit dem Thema Grundwasserverfügbarkeit beschäftigt. Andererseits sorge der vielerorts stärker werdende Wasserbedarf in Deutschland dafür, dass die Grundwasserspiegel sänken.
Bundesweit erhobene Daten zum Grundwasserzustand gibt es bisher nicht. Analysen des Recherchenetzwerks "Correctiv" zeigen allerdings, dass das Grundwasser an vielen Orten in Deutschland auf das tiefste Niveau seit mehr als 30 Jahren gefallen ist.
"Wir müssen etwas tun"
"Es kann gut sein, dass das jetzt erst der Anfang war", warnt Hartmann. Der Experte für Grundwassersysteme unterstreicht, dass es Zeit sei zu reagieren: "Wenn es so weitergeht, dann werden wir in den nächsten Jahren sehr aktiv werden müssen. Dann müssen wir schauen, was es bedeutet, weniger Wasser aus dem Grundwasser entnehmen zu können."
Auch wenn Trinkwasser in Deutschland zu 70 Prozent aus dem Grundwasser stammt - Angst davor, dass das Wasser zum Trinken, Kochen oder Duschen ausgeht, müsse hier noch niemand haben, sagt Hartmann. Doch seine Warnung ist eindringlich: "Wir müssen etwas tun, um das Wasser weiter nachhaltig nutzen zu können. Und wenn sich der Trend der vergangenen Jahre fortsetzt, dann müssen wir schnell sein."
Auch Verantwortliche der deutschen Wasserwirtschaft haben den Ernst der Lage erkannt. "Wir hatten im trockenen Sommer vor zwei Jahren in Hessen schon mal eine Situation, in der wir kurz vor einer Priorisierung des Wassergebrauchs standen", erinnert sich Uli Paetzel, Präsident der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA). "Ich glaube, dass solche Situationen aufgrund des Klimawandels und der aufkommenden Dürreperioden in Deutschland öfters vorkommen können."
Nationale Wasserstrategie
Erst im März beschloss die Bundesregierung eine Nationale Wasserstrategie mit rund 80 Maßnahmen zur Sicherung der Wasserverfügbarkeit in Deutschland. Festgeschrieben ist: Trinkwasser hat Priorität. Sollte es irgendwann mal beim Grundwasser knapp werden, dann müssten Industrie und Landwirtschaft wohl kürzer treten, glaubt Paetzel.
Allerdings litten in der Landwirtschaft nur wenige Standorte in Deutschland direkt unter dem Grundwassermangel, erklärt Bernhard Krüsken, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes. Ernteerträge seien vielmehr davon beeinflusst, "ob die Niederschläge in der Vegetationsperiode in ausreichender Menge und zum richtigen Zeitpunkt fallen. Insofern sind die Landwirte von niedrigen Grundwasserständen nur dort betroffen, wo Einschränkungen bei der Beregnung drohen", so Krüsken. Derzeit werden nur 3,1 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen in Deutschland bewässert. Doch auch hier ist die Tendenz klar steigend.
Wasser wiederverwenden
Ein Lösungsansatz: In Landwirtschaft, Industrie und Energiewirtschaft muss mehr über die Wiederverwendung von Wasser, etwa zur Kühlung, gesprochen werden, findet auch DWA-Präsident Paetzel. Eine Option dafür sei das "Halten des einmal gehobenen Wassers im Kreislauf und das Nicht-Abführen in die Kanalisation oder ins Gewässer. Ich glaube, hier werden wir stärker in diesen Kreislaufgedanken kommen müssen", so Paetzel.
Diesen Vorschlag unterstützt auch Grundwasserforscher Hartmann: "Industrie und Landwirtschaft brauchen nicht unbedingt dieses hochwertige Grundwasser", erklärt Hartmann. "Das Ziel sollte sein, dass möglichst viel Wasser so zirkuliert, dass man es in derselben Menge und in derselben Temperatur und Qualität zurückgeben kann. Aber das kostet Geld."
Wie schlimm muss es werden?
Der Wissenschaftler fordert von der Politik neue Anreize in Form von Fördermaßnahmen. Denn "es wird sehr viel teurer, wenn wir uns jetzt nicht rechtzeitig mit vernünftigen Methoden darum kümmern, wie wir unser Wasser nachhaltig nutzen können, als wenn wir jetzt ewig warten und dann mit einem Schlag eine Industrieanlage wie ein Halbleiterwerk abgeschaltet werden muss, weil nicht mehr genug Wasser da ist." Die Auswirkungen des Klimawandels würden immer deutlicher und die Maßnahmen, damit umzugehen, kämen erst langsam in Schwung.
Verpflichtende Sparziele für Industrie und Landwirtschaft gibt es bisher nicht. Das kritisiert auch Paetzel. Noch sei vieles Theorie. Erst ein Präzedenzfall könnte seiner Meinung nach Fakten schaffen: "Wenn ein erster Fall von Wasserpriorisierung in Deutschland auftreten würde, dann würde das nochmal anders ins Bewusstsein kommen und dann würden auch nochmal andere Maßnahmen ergriffen." Die Frage lautet, ob es wirklich erst so weit kommen muss.