Klimabericht von UN-Experten 1,5-Grad-Schwelle könnte bis 2026 überschritten werden
Was vor ein paar Jahren noch als nahezu ausgeschlossen galt, halten Experten jetzt für möglich - sie warnen: Die weltweite Erwärmung könnte bis 2026 erstmals über der Marke von 1,5 Grad liegen.
Wetterexperten der Vereinten Nationen rechnen mit einem neuen Hitze-Rekordjahr bis 2026. Die globale Durchschnittstemperatur eines Jahres könnte bis dahin erstmals mehr als 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau liegen. So sei die Wahrscheinlichkeit, dass im Fünf-Jahres-Zeitraum 2022 bis 2026 mindestens ein Jahr eine Temperatur von über 1,5 Grad erreiche, bei fast 50 Prozent, berichtete die UN-Weltwetterorganisation (WMO) in Genf.
Das heißt aber nicht, dass die 1,5-Grad-Marke in diesem Fall dauerhaft überschritten wird. In den Folgejahren könne der Wert auch wieder niedriger liegen. Im Schnitt rechnen die WMO-Experten für die kommenden Jahre aber mit weiter steigenden Temperaturen.
"Schwelle von 1,5 Grad nicht zufällig"
2015 galt es noch als praktisch ausgeschlossen, dass die Marke von 1,5 Grad innerhalb von fünf Jahren erreicht wird. Damals hatte sich die Weltgemeinschaft im Pariser Klimaabkommen darauf geeinigt, die dauerhafte Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad und möglichst unter 1,5 Grad Celsius zu beschränken.
WMO-Generalsekretär Petteri Taalas warnte, die Schwelle von 1,5 Grad sei nicht zufällig. Sie markiere "den Punkt, an dem Klimafolgen zunehmend schädlich für Menschen und für den ganzen Planeten werden". Taalas wiederholte die Warnungen vor einem weiter hohen Treibhausgas-Ausstoß: Die Folgen seien wärmere und saurere Weltmeere, eine Schmelze von Meereis und Gletschern, steigende Meeresspiegel und extremere Wetterlagen.
Die arktische Erwärmung sei unverhältnismäßig hoch. "Was in der Arktis passiert, betrifft uns alle", sagte der Chef der UN-Organisation.
Weltweit heißestes Jahr bislang 2016
Die Meldung aus Genf kommt zur Halbzeit zwischen der vergangenen Weltklimakonferenz COP26 in Glasgow und der nächsten Konferenz COP27 in Ägypten. Im November werden dazu im Badeort Scharm el Scheich etwa 30.000 Teilnehmer erwartet, darunter 120 Staats- und Regierungschefs.
Beobachter ziehen zur COP-Halbzeit eine ernüchternde Bilanz beim Klimaschutz, auch wegen des Kriegs in der Ukraine. Weltweit gesehen war das heißeste Jahr bislang 2016, als die globale Durchschnittstemperatur etwa 1,2 Grad über dem vorindustriellen Niveau (1850-1900) lag. Die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Rekord bis 2026 gebrochen wird, liege bei 93 Prozent, so die WMO. Genauso wahrscheinlich sei es, dass die durchschnittliche Temperatur über den Fünf-Jahres-Zeitraum 2022 bis 2026 höher liege als in den fünf Jahren davor.
In einigen Regionen wird es auch feuchter
Die Berechnungen hat die britische Meteorologiebehörde für die WMO vorgenommen. Im vergangenen Jahr lag die globale Durchschnittstemperatur nach dem vorläufigen Klimabericht der WMO 1,1 Grad über dem vorindustriellen Niveau. Den endgültigen Wert veröffentlicht die WMO am 18. Mai.
Die britischen Meteorologen gehen davon aus, dass die Durchschnittstemperatur in diesem und den kommenden vier Jahren zwischen 1,1 und 1,7 Grad über vorindustriellem Niveau liegen wird. Für dieses Jahr rechnen die Meteorologen damit, dass es in Südwesteuropa und im Südwesten Nordamerikas trockener ist als im Durchschnitt der Jahre 1991 bis 2020. In Nordeuropa, der Sahel-Zone, Nordostbrasilien und Australien dürfte es dagegen feuchter werden.
Leon Hermanson, Leiter der Analyse beim britischen Wetterdienst, betonte, eine Überschreitung der 1,5-Grad-Marke in einem einzigen Jahr bedeute noch nicht den Bruch der Schwelle des Paris-Abkommens. Aber sie zeige, "dass wir näher an eine Situation rücken, in der 1,5 Grad über einen längeren Zeitraum überschritten werden könnten".