Mit schwerem Gerät wird an der Ahr der Wiederaufbau der Bahnstrecke vorangetrieben.

Hochwasserschutz im Ahrtal Schon vor 100 Jahren wurden Staumauern geplant

Stand: 14.07.2024 08:25 Uhr

Die Flutkatastrophe im Ahrtal war nicht die erste Überschwemmung in der Region. Vor mehr als 100 Jahren ereignete sich eine verheerende Flut. Die damaligen Pläne für Staumauern wurden jedoch nicht umgesetzt.

Von Michael Lang, SWR

Vor drei Jahren richtete eine Flutkatastrophe im Ahrtal verheerende Schäden an. Dabei waren bereits vor rund 100 Jahren Staumauern geplant, die vieles hätten verhindern können, sagt Professor Holger Schüttrumpf von der Technischen Hochschule Aachen.

Wenn man die Maßnahmen, die man nach dem Hochwasserereignis 1910 geplant hatte, umgesetzt hätte, dann hätte das deutlich oder signifikant zu einer Reduktion der Wasserstände geführt. Es wäre unglaublich viel Wasser zurückgehalten worden.

Berechnete Standorte für Staumauern sind dieselben

Schüttrumpf leitet das Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft an der RWTH Aachen. Seit fast drei Jahren sucht er im Ahrtal nach Lösungen, wie sich Flutkatastrophen in den Mittelgebirgen verhindern lassen. Er arbeitet dabei auch mit dem Hydrologen Oliver Buchholz zusammen.

Buchholz hat berechnet, wie groß diese Becken für das Ahrtal sein müssten und wo die Hochwasserschutzwände gebaut werden sollten. Dazu hat er sich auch die rund 100 Jahre alten Pläne für Staumauern im Ahrtal angeschaut. Die Überraschung: Einige der neu berechneten Standorte im Ahrtal sind auch auf den alten Karten zu finden.

Mithilfe von Computerprogrammen könne zwar jetzt sehr viel berechnet werden, sagt Oliver Buchholz, aber die Grundlagen für solche Berechnungen hätten sich nicht großartig geändert.

Wir haben hochaufgelöste Geodaten, die es damals noch nicht gab. Sehr viele Messdaten für Niederschlagsereignisse, Pegeldaten usw. Aber die Grundlagen haben sich nicht großartig geändert. Wenn man das Tal daraufhin analysiert, woher das Wasser fließt, wo Freiflächen sind, wo geeignete Stellen zum Aufstauen sind, dann kommt man heute wie vor gut 100 Jahren zu den gleichen Standorten.“        

Diese Standorte befinden sich vor allem an kleinen Bächen, die oft durch enge Täler in die Ahr münden. Hier sollen zum Teil 30 Meter hohe Sperrriegel das Hochwasser im Ernstfall zurückhalten können.

Vor 100 Jahren stand Stromerzeugung im Vordergrund

Der Bau der neuen Hochwasserschutzmaßnahmen an der Ahr wird nach Schätzungen der Experten mehrere Jahrzehnte dauern. Straßen und Bäche würden durch sie hindurchgehen. Nur im Ernstfall sollen diese Durchlässe dann gesperrt werden. Die Landschaft kann also weiter für Landwirtschaft und Tourismus genutzt werden.

Alte Karte über mögliche Stauwerke an den Zuflüssen der Ahr.

Schon vor 100 Jahren wurde über eine Staumauer im Ahrtal nachgedacht

Wie die schon vor rund 100 Jahren geplanten Staumauern geschützt hätten, dazu gibt es wohl keine genauen Berechnungen. Aber einen Effekt bei der Hochwasserkatastrophe von 2021 hätten die Staumauern haben können, sagt auch Buchholz.

Und dass, obwohl der Hochwasserschutz bei den Planungen vor rund 100 Jahren - im Unterschied zu heute - anscheinend nicht vorrangig war. Alte Pläne zeigen: Wichtig war den Planern unter anderem, mit Wasserkraft Strom zu erzeugen.

Alte Pläne für den Bau von Staumauern im Ahrtal .

Im Archiv der Kreisverwaltung Ahrweiler liegen Zeichnungen der Staumauer. Die Planer wollten neben dem Hochwasserschutz auch aus Wasserkraft Strom erzeugen.

Hochwasserschutz rückte in den Hintergrund

Anfang des Jahrhunderts wurde aber auch die klimaschädliche Braunkohle für die Energiegewinnung in der Region immer wichtiger. Im Ahrtal spielten die alten Ideen zur Energiegewinnung und den damit verbundenen Möglichkeiten zum Hochwasserschutz anscheinend bald schon keine Rolle mehr. Mit den bekannten Folgen.

Experten fordern schnellere Umsetzung von Schutzmaßnahmen

Der Bau der nun diskutieren 19 Regenrückhaltebecken im Ahrtal wird nach Schätzungen der Kreisverwaltung Ahrweiler mehrere Jahrzehnte dauern. Das hätten unter anderem Beispiele in Sachsen gezeigt.

Fachkräftemangel, fehlendes Baumaterial, lange Entschädigungsverhandlungen mit Grundstücksbesitzern, Genehmigungsverfahren, Klagen von Naturschützern und Kampfmittelfunde seien Gründe, warum es mit dem Bau von Hochwasserschutzmaßnahmen überall in Deutschland oft nur schleppend voran geht, sagt Professor Schüttrumpf von der Technischen Hochschule Aachen. Er fordert mehr Tempo beim Hochwasserschutz:

Was hier im Ahrtal 2021 aufgetreten ist, das kann in allen anderen 30 Mittelgebirgen in Deutschland jederzeit wieder auftreten. Wir wissen nicht genau wann, wir wissen auch nicht wo. Aber wir wissen durchaus - das haben auch die Hochwasserereignisse in diesem Jahr wieder gezeigt - das nächste Hochwasser kommt bestimmt.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 14. Juli 2024 um 09:05 Uhr.