Männergesundheit Warum sterben Männer früher als Frauen?
Im Alter verlieren manche Männer das Y-Chromosom in einem Teil ihrer Zellen. Ohne dieses sind sie anfälliger für bestimmte Erkrankungen. Werden sie deswegen aber auch weniger alt?
Von Nina Kunze, Elena Weidt, SWR
Die Lebenserwartung von Männern und Frauen ist laut statistischem Bundesamt in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich gestiegen, ein Unterschied bleibt jedoch: Männer sterben im Schnitt noch immer etwa fünf Jahre früher als Frauen. Ein möglicher Grund dafür könnte das Y-Chromosom sein.
Zellen können Y-Chromosom verlieren
Die sogenannten X- und Y-Chromosomen gehören zur Erbinformation in unseren Körperzellen. Frauen haben in der Regel zwei X-Chromosomen in ihren Zellen, Männer dagegen nur eines - und dafür zusätzlich ein Y-Chromosom. Das ist deutlich kleiner als das X-Chromosom und sorgt dafür, dass sich bei einem Embryo männliche Geschlechtsmerkmale entwickeln. Doch das Y-Chromosom kann bei Männern im Laufe des Lebens bei der Zellteilung verloren gehen.
Das ist schon länger in Fachkreisen bekannt. Diese Mutation sei nicht ganz harmlos, erläutert der Kardiologe Andreas Zeiher, der am Uniklinikum Frankfurt an dem Thema forscht: "In den letzten zwei, drei Jahren gab es Untersuchungen, die gezeigt haben: Wenn man dieses Y-Chromosom verliert, dann hat man häufiger Herz-Kreislauf-Erkrankungen, auch häufiger Alzheimer, Diabetes und die klassische Alterskrankheit Makuladegeneration. Also wenn das Augenlicht langsam verdämmert. Und darauf aufbauend hat man sich natürlich Gedanken gemacht: Wie kann das sein?"
Vor allem Blutzellen betroffen
Der Verlust des Y-Chromosoms tritt vor allem bei blutbildenden Zellen auf, die täglich Milliarden Blutzellen im Knochenmark produzieren, erklärt Zeiher. Verliert eine solche Blutstammzelle ihr Y-Chromosom, haben auch all ihre Nachkommen kein Y-Chromosom, und häufig produziere sie sogar mehr neue Blutzellen als andere.
Ungefähr 40 Prozent der über 70-jährigen Männer seien von dieser Mutation betroffen, so Zeiher, bei 45-Jährigen seien es nur etwa fünf Prozent. Doch nicht alle Blutstammzellen verlieren das Y-Chromosom, es bildet sich ein sogenanntes Mosaik von Zellen mit verschiedener genetischer Information.
Zusammenhang mit Herzproblemen
Ein Forschungsteam um den Kardiologen möchte nun herausfinden, was sich in diesen Zellen durch das fehlende Y-Chromosom verändert. Denn das An- oder Abschalten von Genen könnte im Körper krankhafte Prozesse auslösen.
Dafür untersuchen die Forschenden regelmäßig Blutproben von männlichen Patienten im fortgeschrittenen Alter mit Herzproblemen und suchen darin nach Zellen mit fehlendem Y-Chromosom. Hier zeigt sich: Bei Männern mit Herzkrankheiten kommen die Blutzellen ohne Y-Chromosom deutlich häufiger vor als bei gesunden Männern.
Veränderungen in den Organen
In Tierversuchen konnte eine Forschungsgruppe in den USA bereits zeigen, welche bedeutende Rolle das Y-Chromosom für die Gesundheit spielt. Blutzellen ohne Y-Chromosom lösten bei den Tieren Entzündungsprozesse aus - nicht nur im Herzen, sondern auch in Lunge und Niere.
Die Folge: Das Gewebe verändert sich zu Narbengewebe, einer sogenannten Fibrose. Durch eine solche Vernarbung werde das Herz steifer und könne weniger gut pumpen, so Zeiher. Ob der Prozess auch auf den Menschen übertragbar ist, ist noch nicht abschließend geklärt. Doch auch die Zellen der Patienten am Uniklinikum Frankfurt produzierten mehr Stoffe, die eine Entzündung auslösen: "Von daher glauben wir schon, dass die Befunde von der Maus auf den Menschen übertragbar sind."
Noch keine Therapie
Eine Therapie gegen die Folgen des fehlenden Y-Chromosoms gibt es noch nicht. Auch, ob sich der Verlust des Y-Chromosoms verhindern lassen könnte, ist nicht bekannt. Doch es gibt bestimmte Lebensgewohnheiten, die den Verlust begünstigen. Kardiologe Zeiher empfiehlt Männern deshalb, körperlich aktiv zu sein, nicht zu rauchen und Stress zu vermeiden.
Das Frankfurter Team hofft, weitere Folgen des fehlenden Y-Chromosoms im Körper aufzudecken und Therapien gegen die damit einhergehenden medizinischen Probleme entwickeln zu können.