Zusatzstoffe Warum in vielen Lebensmitteln Insekten sind
Als vor Kurzem Grillen als Lebensmittel zugelassen wurden, war die Aufregung groß. Dabei stecken gemahlene Läuse oder Ausscheidungen von Insekten bereits in vielen Lebensmitteln. Ein Überblick.
"Echtes Karmin" oder E120 - dieser natürliche Lebensmittelfarbstoff kann zum Beispiel in Süßigkeiten oder Milchprodukten zum Einsatz kommen. Karmin wird aus Läusen gewonnen, genauer aus der Cochenille-Schildlaus, die auf einer vor allem in Süd- und Mittelamerika vorkommenden Kaktusart lebt. Damit der leicht bis leuchtend rote Lebensmittelfarbstoff entsteht, werden die weiblichen Läuse getrocknet und gemahlen.
Wer auf den tierischen Zusatz Karmin als Farbstoff verzichten will, sollte auf der Zutatenliste auf die synthetische Variante E124 achten, die zum Beispiel aus Roter Bete gewonnen werden kann.
Blattlaus-Ausscheidungen im Honig
Läuse sind nicht nur für den Farbstoff in bestimmten Lebensmitteln verantwortlich. Ihre Ausscheidungen finden auch den Weg auf den Frühstückstisch - etwa in Waldhonig. Für diese Honigsorte sammeln die Bienen neben Nektar aus Blüten auch Honigtau - zuckerhaltige Ausscheidungen der Blattläuse, die auf den Blättern der Pflanzen sitzen.
Blattläuse sind mit einem Saugrüssel ausgestattet, damit stechen sie die Blätter an und trinken den Zellsaft. Er besteht aus Nährstoffen, Wasser und reichlich Zucker. Für die Laus sind vor allem die Nährstoffe wichtig. Der überschüssige Zucker wird ausgeschieden und sammelt sich als Honigtau auf den Blättern der Pflanze.
Kaugummis glänzen dank Läusen
Und auch Süßigkeiten, sowie Tabletten oder Zigaretten kommen mitunter nicht an der Laus vorbei. Schellack beispielsweise ist ein Harz, das Schildlaus-Weibchen absondern, um ihre abgelegten Eier zu schützen. Nach etwa einem halben Jahr schlüpfen die Läuse und die mit Harz überzogenen Blätter werden geerntet: das Ausgangsprodukt für die Gewinnung von Schellack.
Schellack ist ein Vorläufer vieler synthetischer Harze, er wird allerdings heute auch noch in seiner ursprünglichen Form eingesetzt. Er lässt laut "Ökotest" Schokoladendragees, Kaugummis oder Tabletten glänzen oder wird bei Zigaretten als Klebstoff verwendet. Schellack versteckt sich hinter der Nummer E904.
Maikäfersuppe bis in 1950er beliebt
Insekten werden also schon seit Langem gegessen - bewusst oder unbewusst - und sind Teil unserer, auch westlichen, Ess-Kultur. Als ein "vortreffliches und kräftiges Nahrungsmittel" empfahl zum Beispiel das Magazin für Staatsarzneikunde 1844 die Maikäfersuppe. Pro Person sollten 30 Käfer gefangen, gewaschen und im Mörser zerstoßen, dann in Butter gebraten und mit Brühe aufgekocht werden. Laut dem Ernährungssoziologen Daniel Kofahl von der Uni Wien war dieses Gericht in Deutschland bis in die 1950er-Jahre beliebt. Kandierte Maikäfer seien demnach auch als Nachspeise beliebt gewesen.
Soziologe: Aufregung um Insekten überzogen
Trotzdem sorgte die Zulassung von Grillen als Lebensmittel vergangene Woche für einige Aufregung. Der bayrische Wirtschaftsminister Aiwanger schrieb zum Beispiel, man habe es satt, dass der Verzehr von Rind oder Schweinefleisch kritisiert werde, "Insekten aber ins Essen sollen". Es "soll 'in' sein, damit Veganer ihr tierisches Eiweiß bekommen", schrieb er - ignorierte dabei aber offenbar, dass Veganer keine Tiere essen, also auch keine Insekten.
Die Art des Aufschreis sei verwunderlich, sagte Kofahl im Deutschlandfunk. "Weil es von Menschen kommt, die sich ansonsten völlig omnivor ernähren und darauf auch ziemlich stolz sind." Dass es seit einigen Jahren wieder einen Trend zu Insekten im Essen gebe, "hat auch damit zu tun, dass mehr gereist wird". Afrikanische oder asiatische Länder, wo der Verzehr von Insekten teilweise eine Tradition sei, rückten mit ihren Esskulturen stärker ins Bewusstsein.
Was steckt hinter den E-Nummern?
Einige Zusätze aus Insekten sind als E-Nummern gekennzeichnet - insgesamt gibt es über 300 dieser E-Nummern. Sie werden in der EU verwendet, um Zusatzstoffe in Lebensmitteln zu kennzeichnen. Für die Zulassung ist die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit zuständig. Die Zulassung erfolgt nur, wenn der Stoff nachweislich gesundheitlich unbedenklich und technisch notwendig ist.
Generell unterscheidet man bei den E-Nummern zwischen Farbstoffen, Süßungsmitteln und "anderen Zusatzstoffen" - die größte Gruppe. Darunter fallen etwa Konservierungs-, Feuchthalte- oder Säuerungsmittel.