Unheilbare Krankheit Leben mit HIV - und Vorurteilen
Wer heute HIV-positiv ist, kann ein nahezu normales Leben führen: Medikamente senken die Viruslast, sodass man nicht mehr ansteckend ist. Dennoch begegnen Infizierte häufig Vorurteilen und Diskriminierung.
Im Café Regenbogen in München sitzt Manuel, 33 Jahre alt, und erzählt von seinem Alltag. Zum Beispiel davon, wie schwierig es für ihn ist, einen Zahnarzttermin zu bekommen: "Meistens war es so, dass man Termine immer so ganz zum Ende der Sprechzeiten bekommen hat. Wenn man überhaupt einen Termin bekommen hat, es war immer schwierig. Spätestens, nachdem man auf dem Fragebogen angekreuzt hat, dass man HIV-positiv ist."
Unkomplizierte Therapie
Als HIV-Infizierter kommt Manuel immer wieder in Situationen, in denen er sich diskriminiert fühlt. Offenbar haben Menschen Angst vor ihm und der potenziell tödlichen Krankheit. Dabei ist mit dem HI-Virus mittlerweile ein ganz normales Leben möglich, sagt Johannes Bogner vom Deutschen Zentrum für Infektionsforschung der LMU München: "Medizinisch gesehen ist es so, dass Menschen, die eine HIV-Infektion haben, gesund sind und gesund bleiben. Alles ist dadurch möglich geworden, weil es inzwischen sehr effektive, antivirale Kombinationstherapien gibt."
Seit etwa 25 Jahren gibt es wirksame Therapien gegen HIV. Es sind Mittel, die verhindern, dass sich das Virus im Körper weiter ausbreitet und Aids ausbrechen kann. Verschiedene Medikamente werden dabei miteinander kombiniert. Die Patienten müssen deshalb jeden Tag Tabletten nehmen. "Es war lange sehr belastend für die Patienten, denn die Zahl der Tabletten, Kapseln und Säfte, die man nehmen musste, war hoch. Inzwischen sind wir aber bei dem Standard, dass drei verschiedene Wirkstoffe in einer Tablette verabreicht werden. Das macht die Therapie inzwischen so einfach."
Therapieziel: Unter der Nachweisgrenze
Außerdem ist die Behandlung besser verträglich. Anstatt der täglichen Tablette können spezialisierte Ärzte und Ambulanzen heute auch eine sogenannte Depotspritze verabreichen, erklärt Bogner: "Der große Vorteil dieser Zwei-Monats-Spritze ist, dass man nicht jeden Tag dran denken muss und dass man nicht jeden Tag erinnert wird an seine Infektion. Und für Menschen, die etwa in einer Gemeinschaftsunterkunft leben, kann es auch von Vorteil sein, dass nicht der Nachbar die Medikamenten-Box sieht und die Krankheit offenbar wird."
Trotzdem können die Medikamente den Körper auf Dauer belasten. Deshalb ist es wichtig, dass die betroffenen Menschen regelmäßig zum Arzt gehen. Auch lässt sich das Virus nicht vollständig aus dem Körper entfernen. Das Therapieziel lautet deshalb: Eine Viruslast unter der Nachweisgrenze: "Menschen, die dieses Therapieziel erreichen, sind nicht ansteckend. Das heißt, dass der Test, der die Virus-RNA im Blut nachweist, ein unteres Limit unterschreitet."
Gleich hohe Lebenserwartung
Das Virus ist dann im Blut nicht mehr nachweisbar und die Patienten nicht mehr ansteckend - weder beim Sex noch beim Zahnarzt. Ein weiterer großer Fortschritt ist die Entwicklung einer Prä-Expositions-Prophylaxe, also einem vorbeugendem HIV-Medikament für Menschen mit einem hohen Ansteckungsrisiko.
Und einer Post-Expositionsprophylaxe. Also salopp gesagt: einer Art Pille danach. "Die ist immer dann empfohlen, wenn es zu einer Exposition gegenüber dem Virus gekommen ist, das heißt wenn wir uns in der Klinik eine Nadelstichverletzung beibringen oder einen Schnitt im OP mit einem Patienten, der viel Virus hat", sagt Bogner. "Dann ist es notwendig und effektiv am besten innerhalb von zwei Stunden, eine HIV-Dreier-Kombination zu starten, damit die Infektion gar nicht erst angeht. Und das gleiche kann man auch machen nach einer sexuellen Exposition oder nach einer Vergewaltigung."
Die Statistiken zeigen, dass die Lebenserwartung von HIV-Infizierten, die behandelt werden, mittlerweile ganz normal ist. Und vielleicht sogar besser sein könnte als bei Nicht-Infizierten - wenn auch aus einem anderen Grund, so Bogner: "Sie gehen alle drei Monate zum Arzt. Da wird das Cholesterin, und der Blutdruck behandelt, da erkennt man den Diabetes rechtzeitig, die gehen sehr zuverlässig zu Früherkennungsuntersuchungen. Keine Patientengruppe ist so gut medizinisch betreut wie unsere HIV-Infizierten. Vielleicht leben sie deshalb am Ende länger."