Neurobiologie Zeit zu blinzeln!
Zehn Prozent seiner Wachzeit verbringt der Mensch mit Blinzeln. Klingt nach einer ziemlichen Einschränkung. Neue Erkenntnisse deuten aber an, dass die Augen und das Sehen davon sogar profitieren.
Über den Tag verteilt müssen wir Menschen sehr oft blinzeln. Die Frequenz dabei kann zwar variieren, im Durchschnitt blinzeln wir aber etwa 15-mal in der Minute. Die Zeit, in der wir unser Auge während des Blinzelns geschlossen halten, beträgt insgesamt etwa zehn Prozent unserer Wachzeit.
Dabei merken wir meistens gar nicht, wenn wir blinzeln. Das liegt daran, dass während dieser Zeit die Wahrnehmung unserer Augen gehemmt wird.
Blinzeln hält das Auge feucht und funktionsfähig
Blinzeln erfüllt wichtige Funktionen für die Aufrechterhaltung unserer Sehfähigkeit. Zum einen wird das Auge feuchtgehalten, zum anderen hilft Blinzeln auch dabei, das Auge von störenden Partikeln zu befreien.
Durch regelmäßiges Blinzeln wird auf dem Auge außerdem eine Art Luft-Tränen-Film aufrechterhalten. An diesem Film bricht das Licht, bevor es in das Auge tritt. Blinzeln verteilt diesen Film gleichmäßig über unser Auge. Wäre das nicht der Fall, könnte das Bild auf der Netzhaut unscharf werden.
Blinzeln wirkt der Ermüdung der Netzhaut entgegen
Wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen allerdings, dass wir öfter blinzeln, als es für diese Funktionen notwendig wäre. Welche weiteren Aufgaben könnte das Blinzeln also erfüllen? Forschende der Columbia University in New York stellen nun einen neuen Ansatz vor. Ihnen zufolge soll diese kurze Unterbrechung der Wahrnehmung durch das Blinzeln wichtig für die Verarbeitung von visuellen Informationen sein.
Hanspeter Mallot forscht am Lehrstuhl für Kognitive Neurowissenschaft in Tübingen. Ihm zufolge reagieren Nervenzellen besonders sensibel auf Reizänderungen. Schauen wir eine lange Zeit auf einen monotonen Hintergrund, reduziert sich der Kontrast, mit dem die Signale der Sehnerven an das Gehirn übermittelt werden. Es tritt eine Art Ermüdungseffekt auf, durch den unsere Wahrnehmung unscharf wird. Das Blinzeln kann dann für eine Art Neustart sorgen.
Erst einmal wirkt diese Idee vielleicht kontraintuitiv: Verbessert sich unsere Wahrnehmung dadurch, dass wir kurzzeitig unsere Augen schließen? Aber diese kurze Phase, in der die Nervenenden auf der Netzhaut keine Reize empfangen, scheint den neuen Erkenntnissen zufolge sehr wichtig zu sein, auch wenn unseren Augen nur eine kurze Verschnaufpause im Bereich von Millisekunden gegönnt wird.
Neue Studie: Blinzeln fördert Mustererkennung
Die Forschungsgruppe aus New York konnte in einem Experiment zeigen, dass Versuchspersonen Muster dann besser erkennen konnten, wenn sie davor geblinzelt haben. Dabei spielte es keine Rolle, ob die Personen zum Blinzeln aufgefordert wurden oder aus Reflex geblinzelt haben. In beiden Fällen verbesserte sich die Mustererkennung.
Spannend ist, dass sogar ein extern simuliertes Blinzeln eine positive Auswirkung auf die Mustererkennung hatte. Dabei war für einen kurzen Moment das Muster nicht sichtbar. Das wiederum könnte ein Hinweis dafür sein, dass die kurze Reizänderung - extern simuliert oder erzeugt durch Blinzeln - wie eine Art Verschnaufpause wirkt.
Reizänderungen auch von Augenbewegungen ausgelöst
Diese Verschnaufpause wird nicht nur durch Blinzeln hervorgerufen, sondern auch durch einfache Augenbewegungen. Auch auf diese Art von Reizänderungen reagieren die Nervenzellen. Denn der Ermüdungseffekt bei längerer konstanter Reizung kann durch eine schnelle Bewegung unseres Auges kompensiert werden. Die entstandene Bildänderung auf der Netzhaut reicht in vielen Fällen aus, um einen Reizunterschied in den Nervenzellen hervorzurufen. Allerdings nicht in allen Fällen.
Schauen wir auf eine besonders monotone Fläche, zum Beispiel den blauen Himmel, kann es sein, dass eine Augenbewegung nicht ausreicht, um eine Reizänderung hervorzurufen. In diesem Fall kommt die Funktion vom Blinzeln zum Tragen: Ohne das Bild auf der Netzhaut ändern zu müssen, erfolgt durch einen kurzen Augenschlag die Reizänderung.
Weitere Forschung nötig
Somit könnte Blinzeln neben eher "anatomischen" Funktionen auch eine zentrale Rolle für die Reizbarkeit der Sehnerven spielen. Der Ansatz der Forschungsgruppe ist bereits vielversprechend.
Um diese Ergebnisse aber bestätigen zu können, muss diese erste Studie nun weiter überprüft und reproduziert werden. Interessant könnte außerdem werden, inwieweit diese Erkenntnisse weiteren Aufschluss darüber geben könnten, wie die Sinneswahrnehmung im Auge funktioniert.