Ein Jahr Mission auf Hawaii Aloha auf dem Mars
Ein Jahr lang simulierte die deutsche Forscherin Christiane Heinicke mit Kollegen auf Hawaii das Leben auf dem Mars. Im Interview mit tagesschau.de erzählt sie von den Problemen des Zusammenlebens auf engstem Raum, vom Wert ihrer Forschung und von dem, was sie am meisten vermisste.
tagesschau.de: Rückblickend auf das Jahr im Habitat. Was war das Schönste?
Christiane Heinicke: Das Schönste hier im Habitat waren unsere Außeneinsätze, insbesondere der erste, der uns in die Höhlen geführt hat, etwa drei Monate nach Missionsbeginn. Unsere allererste Höhle, in die wir eingestiegen sind, war etwa 100 Meter lang. Es war das erste Mal, dass wir die Lavafelder um uns herum von unten betrachten konnten.
"Endlich wieder geradeaus gehen können"
tagesschau.de: Worauf freuen Sie sich am meisten?
Heinicke: Am meisten freue ich mich darauf, einfach wieder geradeaus gehen zu können, ohne nach zehn Metern umkehren zu müssen, nach draußen zu gehen, ohne einen unserer improvisierten Raumanzüge zu tragen. Ich freue mich darauf, frisches Obst zu essen, frisches Gemüse, frisches Fleisch, frisches alles. Und ich war jetzt ein Jahr lang auf Hawaii und konnte den Ozean nicht sehen. Ich freue mich jetzt riesig darauf, wieder schwimmen gehen zu können.
tagesschau.de: Was haben Sie im Zusammenleben mit den anderen gelernt? Was war besonders schwierig?
Heinicke: Nach nunmehr einem Jahr auf dem simulierten Mars, weiß ich ziemlich genau, welche Eigenschaften meine Mitbewohner mitbringen müssten: Wer zum Mars fliegen möchte, muss anpassungsfähig sein, muss sich auf neue Situationen sehr schnell einstellen können. Er muss handwerklich begabt sein - zu einem gewissen Grad. Bei uns ist vor ein paar Tagen die Wasserpumpe ausgefallen und wir mussten sie selbst reparieren. Da ist sonst niemand, der das kann. Und die dritte wichtige Eigenschaft ist eine gute Balance zwischen Risikobereitschaft und Vorsicht.
tagesschau.de: Inzwischen weiß man bei Langzeitmissionen, dass vor allem das dritte Drittel das Schwierigste ist. Wie hat sich das Zusammenleben in diesen letzten Monaten verändert?
Heinicke: Kurz vor Ende der Mission hatten wir genau zwei Möglichkeiten, wie wir uns verhalten konnten: Auf der einen Seite hätten wir sagen können: Ach, wir haben nicht mehr lange, jetzt können wir uns gehenlassen. Wir müssen nicht mehr nett zueinander sein, es ist ja eh bald vorbei. Auf der anderen Seite hätten wir sagen können: Wir haben nur noch diese paar Wochen übrig, lasst uns miteinander klarkommen und uns zusammenreißen. Wir als Crew haben uns für diese Variante entschieden.
Mars-WG auf nur 93 Quadratmetern. Zum Essen gab es ausschließlich gefriergetrocknetes Essen, acht Minuten pro Woche durfte geduscht werden.
"Hohes Maß an Improvisationsfähigkeit erforderlich"
tagesschau.de: Was war während des Jahres die größte Herausforderung?
Heinicke: Eine der größten Herausforderungen waren unsere eingeschränkten Ressourcen - gerade wenn man wissenschaftliche Experimente durchführen will, wenn man irgendetwas bauen will, kleine Konstruktionen. Daheim geht man einfach zum Supermarkt oder zum Baumarkt und kauft die Materialien, die man braucht. Hier ging das leider nicht. Was man nicht hat, muss man irgendwie improvisieren. Das heißt, selbst die einfachsten Projekte, die man realisieren möchte, erfordern ein hohes Maß an Improvisationsfähigkeit.
tagesschau.de: Ein Ziel während des Jahres war auch, Methoden zu entwickeln, um Wasser zu gewinnen. Der Lavaboden auf Hawaii soll dem des Mars ähneln. Was wissen Sie heute über die Wassergewinnung auf dem Mars?
Heinicke: Eines der Experimente war mein Wassergewinnungsexperiment, bei dem ich allein durch die Sonneneinstrahlung versucht habe, Wasser aus dem Boden verdunsten zu lassen und dann das Wasser aufzufangen. In einer guten Woche habe ich aus dem Boden auf einem Quadratmeter etwa einen Liter Wasser pro Tag gewonnen. In Anbetracht der Tatsache, dass der Boden hier in etwa so trocken ist wie echter Marsboden, ist es ein ziemlich respektables Ergebnis. Also, sollten wir jemals zum Mars fliegen, ist es zumindest eine Möglichkeit, Wasser zu gewinnen, die zuverlässig sein sollte.
Jeder Wissenschaftler hatte in der Vulkan-Isolation auch spezielle Forschungsaufgaben. Heinicke etwa war für die Wassergewinnung aus Lavagestein zuständig. Während des 365 Tage dauernden Tests mussten die Forscher jedes Mal einen Raumanzug anziehen, wenn sie ihre Forschungsstation am Hang des Vulkans Mauna Loa auf Hawaii auf etwa 2500 Meter über dem Meer verließen.
"Ich würde zum Mars mitfliegen"
tagesschau.de: Inzwischen rekrutiert die NASA Bewerber für eine Marsmission. Haben Sie sich beworben?
Heinicke: Um sich als Astronaut bei der NASA zu bewerben, braucht man die amerikanische Staatsbürgerschaft. Deshalb habe ich mich dort nicht beworben. Aber es gibt in Deutschland eine Privatinitiative, die die erste weibliche Astronautin sucht, um sie auf die ISS zu schicken - dafür habe ich mich beworben. Sollte ich jemals die Chance haben zum Mars zu fliegen, würde ich mitkommen, vorausgesetzt, dass die richtige Crew dabei ist. Allein das Gefühl, auf einem fremden Planeten zu stehen, stelle ich mir sehr ergreifend, sehr erhebend vor. Indem wir Menschen zum Mars schicken, können wir hoffentlich noch offene Fragen zu unserem Sonnensystem beantworten: wie die Erde entstanden ist, wie unser Sonnensystem entstanden ist und hoffentlich auch, wie unser Leben entstanden ist.
tagesschau.de: Wenn Sie es nochmals zu entscheiden hätten: Würden Sie wieder an der Exkursion teilnehmen?
Heinicke: Würde ich noch einmal vor die Wahl gestellt, an HI-SEAS teilzunehmen, würde ich ja sagen. Wahrscheinlich würde ich etwas mehr darauf Acht geben, die richtigen Kameraden auszuwählen, und hoffentlich ist auch etwas mehr Vorbereitungszeit gegeben.
Das Interview führte Iris Völlnagel für tagesschau.de.