Codex Manesse "Ich saz ûf eime steine"
Politik, das Leben bei Hofe und die Minne, die höfische Liebe - der Codex Manesse liefert erstaunliche Einblicke in das Leben des 14. Jahrhunderts. Auch deshalb ist er für das UNESCO-Weltdokumentenerbe vorgeschlagen.
Manch einer kennt zumindest Auszüge aus Schulbüchern oder Nachdrucken. Doch das Original, die "Große Heidelberger Liederhandschrift", wie der Codex Manesse, nach seinem aktuellen Aufbewahrungsort auch bezeichnet wird, ist ein gut behüteter Schatz. Zumeist lagert er in einem Tresor der Universitätsbibliothek Heidelberg. Alarmgesichert, zusätzlich geschützt durch eine Panzertür. Bei rund 18 Grad Celsius und einer Luftfeuchtigkeit von 55 Prozent.
Ganz selten darf er ans Licht, auch wenn es ständig Anfragen aus aller Welt gibt. Denn jede Ausleihe strapaziert das vergängliche Unikat. Tausendstelmillimeter große Farbpartikel blättern ab, immer wenn es aufgeschlagen wird.
Sechs Kilo schwer, 400 Seiten - umgangssprachlich würde man beim Codex Manesse von einem Wälzer sprechen.
Mittelalterliche Liebe
Darin: weltberühmte mittelalterliche Lyrik, geschrieben beidseitig, auf rund 400 Pergamentseiten. Mit dem Format 35,5 cm auf 25 cm größer als jedes Standardbuch. Etwa sechs Kilogramm schwer, umgangssprachlich ein Wälzer.
Der lieferte Einblicke ins 13. und 14. Jahrhundert. Es geht um Politik, das Leben bei Hofe und immer wieder um die Minne, die höfische Liebe. "Faszinierend an dieser Liebesdichtung, die im Codex Manesse groß und breit vertreten ist, ist, dass es immer um die Liebe zwischen Unverheirateten geht. Und das war ja ein absolutes No-Go in der mittelalterlichen Feudalgesellschaft, dass man außereheliche Liebe gepflegt hat", sagt Anna Kathrin Bleuler, von der Universität Salzburg. Sie forscht zur älteren deutschen Sprache und Literatur und hat sich jahrelang mit den Texten beschäftigt.
König Konrad der Junge (1252 – 1268) - genannt Konradin, hier mit Krone dargestellt - war der letzte Staufer sowie Herzog von Schwaben und König von Jerusalem und Sizilien. Zwei Minnelieder werden ihm zugeschrieben. 1268 wurde er in Neapel, erst 16 Jahre alt, hingerichtet. Die Illustration zeigt ihn bei der Falkenjagd, vermutlich mit seinem Freund Friedrich von Baden-Österreich.
Viele Illustrationen
Neben dem Text gibt es 137 farbige Illustrationen. Diese stehen jeweils vor den Texten und zeigen die Dichter in idealisierter Form, bei höfischen Aktivitäten. Zusammen mit anmutigen Damen, aber auch beim Brettspiel, mit Musikanten, bei Turnieren oder Jagden, insbesondere der Falkenjagd, wie auf dem obigen Bild. Der mit Krone abgebildete König Konrad der Junge, ist einer von rund 140 Autoren, die sich auch auf den Illustrationen wiederfinden.
Die ständische Abfolge bestimmte die Reihenfolge ihrer Werke im Codex Manesse. Kaiser und Könige machen den Anfang, dahinter folgen Herzöge, Grafen, Markgrafen. Es gibt adlige und nicht-adlige Minnesänger, bürgerliche Meister, und Spielleute von einfachem Stand.
Berühmter Sänger, berühmte Pose
Einer der bekanntesten unter Ihnen ist Walther von der Vogelweide (um 1170 - um 1230). Er galt als der bedeutendste deutschsprachige Minnesänger und Spruchdichter des Mittelalters. Die Illustration zeigt ihn in der Pose, die er selbst in der berühmten Strophe "Ich saz ûf eime steine" besingt.
Der Absatz geht los mit den berühmten Worten Walthers von der Vogelweide: "Ich saz ûf eime steine"