Bio-Batterien aus Pilzen.

Forschung Bio-Batterie aus Pilzen entwickelt

Stand: 26.03.2025 14:49 Uhr

Eine Batterie, die man nicht aufladen, sondern füttern muss: So etwas haben Forschende in der Schweiz entwickelt. Eine Bio-Batterie aus Pilzen - ungiftig, biologisch abbaubar und aus dem 3D-Drucker.

Von Sandra Biegger , ARD Genf

Auch Spitzenforschung beginnt manchmal mit Putzen. Mit raschen Bewegungen reinigt Mikrobiologin Carolina Reyes von der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt EMPA das Glasgehäuse rund um den 3D-Drucker in ihrem Labor. Als sie ihn einschaltet, setzt er sich mit viel Getöse und Surren in Bewegung.

Mithilfe einer Spritze trägt der Drucker schwarze Tinte auf eine Glasplatte auf. Schicht für Schicht und nach einem ausgeklügelten Muster entsteht die eine Hälfte einer Pilzbatterie, die Anode. Von der Größe und Höhe her erinnert sie an ein Zwei-Euro-Stück. An der Rezeptur der Tinte haben Carolina Reyes und ihre Kollegen mehrere Jahre lang gearbeitet.

Der 3D-Drucker druckt eine Pilz-Elektrode

Ein 3D-Drucker druckt Schicht für Schicht eine Hälfte der Pilzbatterie.

Wie sie sich genau zusammensetzt, verrät die Wissenschaftlerin nicht. Nur so viel: In der Tinte auf Basis von Cellulose befinden sich neben Zuckermolekülen auch Zellen von Hefepilzen. Da diese mit ihrer Umgebung reagierten, sei absolute Sauberkeit im und um den 3D-Drucker ein Muss, sagt Reyes. Dasselbe gelte natürlich auch für den Druck des für die Bio-Batterie notwendigen Gegenstückes, der Kathode. Diese ist zwar gleich groß und hoch wie die Anode, wird aber von einer anderen Pilzart besiedelt: einem Weißfäulepilz mit dem Namen "Samtige Tramete".

Mikrobielle Brennstoffzelle

Strom erzeugen die beiden Pilze, indem sie mit- und aufeinander reagieren - ihre Stoffwechsel ergänzen sich. Streng genommen handelt es sich bei der Bio-Batterie deshalb um eine mikrobielle Brennstoffzelle. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der EMPA machen es sich zunutze, dass Pilze - wie alle Lebewesen - Nährstoffe in Energie umwandeln.

Während der Hefepilz auf der Anodenseite beim Stoffwechsel Elektronen freisetzt, produziert der Weißfäulepilz ein Enzym, mit dessen Hilfe die Elektronen eingefangen und aus der mikrobiellen Brennstoffzelle geleitet werden können. "Bisher wurden solche mikrobiellen Brennstoffzellen meist mit Bakterien betrieben", erklärt Projektleiter Gustav Nyström, der bei der EMPA die Forschungsabteilung Cellulose & Wood Materials leitet. "Wir haben jetzt erstmals zwei funktionierende Pilzarten miteinander kombiniert."

Zusammengehalten werden Anode und Kathode durch eine Hülle aus Wachs. Biologische Abbaubarkeit wird bei allen Bestandteilen der Bio-Batterie großgeschrieben.

Der Weißfäule-Pilz „Samtige Tramete"

Die richtige Kombination der Pilzarten zu finden, war nicht einfach.

Anspruchsvolle Pilze

Die besten Pilzkombinationen zu finden, war eine große Herausforderung für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Allein die EMPA in Dübendorf bei Zürich verfügt über etwa 1.000 verschiedene Pilzarten. Immer wieder wurden neue Zusammenstellungen getestet. Und auch die Zucht von Pilzen sei nicht ohne, sagt Mikrobiologin Carolina Reyes. "Das sind schon ziemlich anspruchsvolle Lebewesen, Gott sei Dank können wir dank unseres Brutkastens auf viele unterschiedliche Bedürfnisse eingehen."

Pilze, die besonders viel Sauerstoff bräuchten, würden häufiger geschüttelt. Auch was Temperatur und Feuchtigkeit anbelangt, komme man den verschiedenen Bedürfnissen entgegen. Sind die Pilze erst mal in die Tinte für Anode und Kathode gemischt und alles mit Wachs ummantelt, ist die Bio-Batterie dafür ziemlich pflegeleicht. In trockenem Zustand kann sie ein paar Tage gelagert werden. Aktiviert wird sie, indem man flüssige Nährstoffe zugibt - direkt am Einsatzort.

Mikrobiologin Carolina Reyes bei der Arbeit.

Pilze, die viel Sauerstoff brauchen, werden von Mikrobiologin Reyes besonders oft geschüttelt.

Batterie zersetzt sich selbst

Strom in großen Mengen können die Pilz-Batterien bislang noch nicht erzeugen. Die Entwickler sagen, es reiche allerdings, um Sensoren zu betreiben, die beispielsweise im Freien Temperatur und Feuchtigkeit messen. Aus der Wirtschaft soll es dahingehend bereits Interesse geben, sagt der zuständige Projektleiter, Gustav Nyström. Denkbar sei beispielsweise, dass Firmen die Technik übernähmen und beispielsweise in Sensoren für die Landwirtschaft oder für entlegene Forschungsprojekte integrierten.

Noch sei allerdings nicht klar, ab wann die Bio-Batterien außerhalb des Labors und in Serie produziert werden könnten. Ideal sei ihr Einsatz generell in Gegenden, in denen es schwierig sei, sie zurückzuholen und zu recyceln. Schließlich habe die Bio-Batterie den großen Vorteil, dass sie sich selbst abbaue. Und das passiert ziemlich schnell. Liefert sie nach einigen Tagen keinen Strom mehr und wird kompostiert, zersetzt sie sich Stück für Stück. Auch, weil die Pilze die in der Druckertinte enthaltene Cellulose als Nährstoffquelle nutzen.

Pilze können mehr

Aktuell arbeitet das EMPA-Team daran, neue Pilze, Materialien und Tintenzusammensetzungen zu finden, um die Bio-Batterie leistungsfähiger und langlebiger zu machen. Carolina Reyes und Gustav Nyström sind sich einig: Noch sei viel zu wenig bekannt, in welchen Bereichen Pilze überall eingesetzt werden könnten. Es lohne sich deshalb, hier weiter zu forschen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete RBB24 am 18. Januar 2025 um 11:40 Uhr.