Orion-Raumkapsel nach der Landung im Pazifik

Der Weg zurück zum Mond Die Erkenntnisse der "Artemis I"-Mission

Stand: 12.03.2023 07:57 Uhr

Vor drei Monaten landete die "Orion"-Raumkapsel der NASA-Mondmission "Artemis I" im Pazifik. Der Testflug gilt als wichtiger Schritt auf dem Weg der Menschheit zurück zum Mond. Nun plant die NASA bereits die bemannte Folgemission.

Von Ute Spangenberger, SWR

Nach der Mission ist vor der Mission: Die Wissenschaftler der NASA, ihrer beteiligten Partneragenturen und Industriepartner hatten kaum Zeit, sich nach der erfolgreichen Landung von "Artemis I" auszuruhen. Die Vorbereitungen für "Artemis II" laufen. Bei dieser Folgemission sollen zum ersten Mal seit den "Apollo"-Flügen der sechziger und siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts wieder Menschen in Richtung Mond starten.

 

Gute Zusammenarbeit

Thomas Zurbuchen, der ehemalige Wissenschaftschef der NASA, bilanziert im Interview mit tagesschau.de: "'Artemis I' war ein unglaublicher Erfolg. Es war eine Mission mit viel Risiko. Die Rakete war in dieser Konfiguration vorher noch nie geflogen, dazu die "Orion"-Kapsel mit dem Europäischen Servicemodul. Das hat alles geklappt."

Die NASA betrat bei dem "Artemis"-Programm in mehrerer Hinsicht Neuland: Zum ersten Mal haben sich die USA beim Bau eines sehr wichtigen und kritischen Teils eines bemannten Raumschiffs auf eine andere Raumfahrtagentur, die Europäische Weltraumagentur ESA, verlassen.  

In Europa - bei Airbus in Bremen - wird ein Schlüsselelement des "Orion"-Raumschiffs zusammengebaut: das Europäische Servicemodul (ESM). Es sorgt für den Antrieb von "Orion" und versorgt die Astronauten mit Strom, Luft und Wasser. Das ESM-Modul ist die Herzkammer des Raumschiffs, dementsprechend groß war der Druck, der auch auf den europäischen Verantwortlichen lastete.

Ein Modell des Servicemoduls ESM

Ein Modell des Servicemoduls ESM, das in Bremen gebaut wird

Europäische Bilanz

Auch bei ihnen fällt die Bilanz sehr positiv aus. Auf einer Pressekonferenz in Bremen hatte Airbus im Februar erklärt, dass die erste Auswertung der Testdaten ergeben habe, dass das "Orion"-Raumschiff viel weniger Treibstoff und elektrische Energie verbraucht habe als zuvor angenommen. Marc Steckling, der Leiter von Space-Exploration bei Airbus: "Wir haben die erste Mission dazu genutzt, das Modul auf Herz und Nieren zu testen und haben festgestellt: Es hat 15 Prozent mehr Strom erzeugt, weil die Solarzellen sehr gut sind. Und wir haben festgestellt, dass das Antriebssystem sehr effizient ist. Wir haben fast zwei Tonnen Treibstoff - was 20 Prozent sind - weniger verbraucht."

Dies ermögliche künftige Missionen mit einer längeren Dauer oder mit mehr Fracht, etwa bei Modul-Transporten zum Aufbau des sogenannten "Lunar Gateway", einer Zwischenstation im Mondorbit. Sie soll noch in den zwanziger Jahren gebaut werden und eine Art "Bushaltestelle" im All auf dem Weg zur Mondoberfläche sein.

Stresstest für "Artemis I"

Steckling führt weiter aus: "Wir sind mehr Manöver geflogen, um Situationen durchzuspielen, die normalerweise nicht vorkommen. Wir haben etwa die Einstellwinkel der Solarzellen gegenüber der Sonne komplett verändert. Da hat sich natürlich 'Artemis I' angeboten, weil noch keine Astronauten an Bord waren und man das System auf Herz und Nieren testen konnte."

"Wir sind länger geflogen, schneller, mit größerer Strahlungsbelastung und vielen anderen Dingen. Das Ziel war, das System zu bestrafen, um sicherzustellen, dass 'Artemis II' wirklich funktioniert, weil dort Menschen draufsitzen", ergänzt der ehemalige NASA-Wissenschaftschef Zurbuchen.

Das Modul für die "Artemis II"-Mission hat Airbus bereits im Oktober 2021 nach Florida geliefert. Im Kennedy Space Center wird es nun getestet und integriert.

Astronauten zum Mond

Noch ist nicht klar, welche Astronauten an Bord der "Artemis II"-Mission sein werden. Es ist aber davon auszugehen, dass niemand aus Europa unter ihnen sein wird, ebenso bei "Artemis III". Diese Mission soll frühestens 2025 starten und den Mond nicht nur umrunden, sondern auch auf der Mondoberfläche landen. Dabei will die NASA die erste Frau und die erste "Person of color" zum Mond bringen. 

Alexander Gerst

Der ESA-Astronaut Alexander Gerst könnte der erste Europäer auf dem Mond werden.

ESA-Astronaut Alexander Gerst gilt als ein heißer Kandidat für die erste Mondlandung eines Europäers. Beim Start von "Artemis I" im November war er in Cape Canaveral. Die Wucht, mit der die sogenannte SLS-Mondrakete, die stärkste jemals gebaute Rakete abhob, faszinierte ihn. Bei der Pressekonferenz von Airbus erzählt er von seinen Eindrücken: "Man ist mehrere Kilometer entfernt und die Schallwelle braucht ungefähr 20 Sekunden, bis sie dich erreicht. Du siehst die Rakete starten, bevor du sie hörst. Und die seismische Welle ist noch schneller als der Schall. Du fühlst, wie die Erde bebt, bevor dich die Schallwelle erreicht. Das war eine beeindruckende Sache, diese mächtigste Rakete, die je geflogen ist, beim Start zu sehen."

NASA prüft

Laut Zurbuchen sind auf dem Rückflug von "Artemis I" beim Wiedereintritt der Raumkapsel in die Erdatmosphäre der Hitzeschild an der Unterseite der Kapsel etwas stärker abgeschmolzen als man das erwartet habe: "Wir haben Sensoren auf der Innenseite, die gezeigt haben, wo die Hitzeverteilung und die Erosion ist. Jetzt müssen wir verstehen, was genau passiert ist. Das ist eines der Dinge, an denen wir im Moment arbeiten."

Schutz für Astronauten vor Strahlung

Ein anderes ist die Auswertung eines Strahlungsexperiments im Inneren der Kapsel. Sie läuft noch. An Bord von "Orion" waren zwar noch keine Astronauten, dafür aber zwei Messpuppen. Bei dem internationalen Forschungsprojekt mit dem Titel MARE (Matroshka AstroRad Radiation Experiment) wurden unter Federführung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) tausende Detektoren in zwei "Phantome" verbaut, um die Strahlung im Weltraum und deren Auswirkungen auf den menschlichen Körper zu messen.

Einen Teil der Detektoren hat ein DLR-Team bereits im Januar in den USA ausgelesen, nachdem die Puppen aus der Raumkapsel ausgebaut waren. Jetzt werden sie analysiert. Die Ergebnisse sind wichtig, um bei zukünftigen bemannten Missionen die Astronauten besser zu schützen. Solche Erkenntnisse von "Artemis I" ebnen den Weg für die Folgemissionen zurück zum Mond.