Nach Ablehnung des EU-Hilfspakets "Das könnte Zypern teuer zu stehen kommen"
Nach dem vorläufigen Scheitern des EU-Rettungsplans für Zypern setzt die Regierung in Nikosia auf Hilfe aus Russland. Doch mögliche Kredite aus Moskau und Gasförderrechte für russische Firmen könnten die Zyprer noch teurer zu stehen kommen, sagt Wirtschaftsexperte Heribert Dieter im tagesschau.de-Interview.
tagesschau.de: Das Parlament Zyperns hat ein Rettungs-Angebot der Europäischen Union abgelehnt, das die Regierung eigenhändig ausgehandelt hat. Wie konnte es dazu kommen?
Heribert Dieter: Die Regierung hat versagt und offenbar nicht ausreichend mit ihren Parlamentariern kommuniziert. Sie hat einen Deal ausgehandelt, der keine Zustimmung im Parlament und in der zyprischen Bevölkerung findet. Offensichtlich hat sie sehr lange darauf gesetzt, dass es keinen Eigenbeitrag durch eine Zwangsabgabe auf Spareinlagen geben wird. Dabei dürfte die EU den Ernst der Lage ausreichend kommuniziert haben. Die zyprische Regierung hat in den Verhandlungen hoch gepokert und muss nun die Konsequenzen tragen.
Dr. Heribert Dieter ist Privatdozent im Fachbereich Politikwissenschaften der Freien Universität Berlin. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Forschungsgruppe "Globale Fragen" der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik beschäftigt er sich mit den Auswirkungen der Globalisierung.
Zu seinen Schwerpunkten zählen die Auswirkungen der aktuellen Wirtschaftskrise und die Situation der südeuropäischen Staaten.
tagesschau.de: Hätte die EU das verhindern können und sich mehr auf Zypern zu bewegen müssen?
Dieter: Ich glaube nicht. Das Grundproblem ist die tiefgreifende Wirtschaftskrise der Insel. Das zyprische Geschäftsmodell ist im Grunde eines, für das in der Europäischen Union kein Platz sein sollte. Denn es ist darauf ausgelegt, mit extrem niedrigen Steuern ausländisches Kapital - auch dubioser Herkunft - anzulocken. Das ist das Geschäftsgebaren einer Steueroase, und das kann die EU im Euro-Raum eigentlich nicht dulden. Insofern glaube ich nicht, dass die Europäische Union noch stärker auf Zypern zugehen muss.
"Bei einem endgültigen Scheitern gibt es zwei Szenarien"
tagesschau.de: Droht die Rettung Zyperns damit zu scheitern?
Dieter: Das ist im Moment noch nicht genau abzusehen. Sollte Zypern die Auflagen der Unterstützung durch die EU aber endgültig ablehnen, gibt es im Grunde zwei Szenarien. Einmal könnten die Europäer sagen: Egal was passiert, wir retten Zypern unter allen Umständen. Diese Option halte ich jedoch für unwahrscheinlich, weil wir merken, dass die steuerfinanzierten Rettungspakete langsam an die Grenzen der Akzeptanz stoßen, in allen beteiligten Ländern. Die zweite Möglichkeit wäre, dass man schlicht und ergreifend die zyprischen Geldhäuser bankrott gehen lässt. Das gleiche ist in Island vor fünf Jahren passiert.
tagesschau.de: Zypern kann, anders als Island, nicht seine Währung abwerten, weil es den Euro eingeführt hat - welche Folgen hätte eine Pleite der Banken?
Dieter: Ein solcher Schritt dürfte gravierende Auswirkungen für die Kleinsparer haben, denn die müssten dann mit erheblichen Abschreibungen rechnen. Und die könnten weit schlimmer sein, als die jetzt diskutierte Zwangsabgabe. Bei Finanzkrisen gibt es nur schlechte und noch schlechtere Folgen, aber unter den gegebenen Bedingungen in Zypern ist der Weg, den die EU vorgeschlagen hat, wohl der weniger schlimme.
Keine unmittelbare Staatspleite
tagesschau.de: Könnte durch eine Insolvenz der Banken denn nicht auch der Staat Zypern in Gefahr geraten?
Dieter: Der Staat ist davon erst mal nicht direkt betroffen. Er droht nur dann mitgerissen zu werden, wenn er versucht, die maroden Banken zu retten. Insgesamt lagern knapp 70 Milliarden Euro auf den Konten zyprischer Banken - das Dreifache des BIP. Zum Vergleich: Die rund 15 Milliarden Euro, die Zypern jetzt braucht, entsprächen - verglichen mit der Wirtschaftskraft - einem Darlehen von 1800 Milliarden Euro an Deutschland. Das ist viel Geld für das kleine Land. Wenn sich das Land aber aus dem Bankensektor raushält - trotz der geschilderten Konsequenzen für die Menschen - droht ihm keine unmittelbare Gefahr.
tagesschau.de: Nun verhandelt die zyprische Regierung mit Russland. Was können die Russen anbieten, was die EU nicht kann?
Dieter: Ein denkbarer Deal könnte so aussehen, dass Russland einen entsprechenden Kredit gewährt und russische Konzerne - der Gedanke an Gazprom liegt da nahe - gegen eine Vorauszahlung, die dem zyprischen Staat akut hilft, Konzessionen zur Ausbeutung der Gasvorkommen erhält. Der Vorteil wäre, dass die Regierung nicht zur unpopulären Maßnahme einer Zwangsabgabe greifen müsste. Der Nachteil wäre aber, dass ein Kredit zu höherer Staatsverschuldung und längerfristig mutmaßlich auch zu höheren Steuern in Zypern führen würde. Außerdem würden mögliche Einnahmen aus dem Gasgeschäft verloren gehen, die dann russische Konzerne abschöpfen. Es ist also nicht klar, ob diese Lösung die Zyprer am Ende nicht doch vielleicht teuer zu stehen kommt.
Fatales politisches Signal
tagesschau.de: Welches Interesse hat denn Russland daran, Zypern zu helfen?
Dieter: Russland hat enge Wirtschaftsbeziehungen zu Zypern, immerhin investiert der Inselstaat rund 80 Milliarden Euro in Russland. Das ist etwa dreimal so viel wie Deutschland und macht fast die Hälfte der gesamten ausländischen Investitionen in dem Land aus. Zudem entgehen dem russischen Staat durch die Kapitalflucht nach Zypern jedes Jahr wichtige Steuereinnahmen. Teil des Deals könnte also sein, dass Moskau von Nikosia mehr Informationen über die russischen Investoren erhält, die auf der Insel tätig sind. Putin könnte so ein Steuerschlupfloch schließen.
Außerdem sind russische Banken stark im Finanzsektor der Insel engagiert: Große Geldhäuser sollen mehr als zehn Milliarden Euro auf zyprischen Konten haben. Die wären von einer Insolvenz der dortigen Geldhäuser natürlich bedroht. Und nicht zuletzt ist ein möglicher Zugriff auf die Gasreserven natürlich eine attraktive Option.
tagesschau.de: Welche Folgen hätte ein solcher Deal für den Euro-Raum und welche Signale sendet das an andere Krisenländer?
Dieter: Politisch wäre das natürlich unglücklich für die EU, denn sie wird dadurch vom Akteur zum Zuschauer. Sie könnte dann zum Beispiel nicht mehr auf die Fiskalpolitik des Landes einwirken, um die drastischen Ungleichheiten im Euro-Raum bei etwa der Unternehmensbesteuerung zumindest ein bisschen abzubauen. Es sendet aber auch Signale an andere Krisenländer wie Italien aus, nämlich dass man sich erfolgreich den Forderungen der EU widersetzen kann. Und das könnte die Reform-Bereitschaft der anderen südeuropäischen Krisenländer senken.
Das Interview führte Alexander Steininger, tagesschau.de