Probleme bei der Energiewende Wenn Windräder stillstehen müssen
Fällt der Strompreis zu stark, zahlen Betreiber von Windparks drauf - oder schalten ihre Anlagen ab. Auch wenn zu viel Strom produziert wird, stehen Windräder still. So wird es nichts mit der Energiewende.
60 Windräder musste Johannes Lackmann aus Paderborn zwischen Weihnachten und Neujahr abschalten, weil die Preise an den Strombörsen in den Keller fielen. Während diesen Winter um jede Kilowattstunde Energie gefeilscht wird, stehen wichtige Ressourcen erneuerbarer Energie still. Bei Lackmann sorgt das für Unverständnis: "Wir wollen weg vom Gas, wir wollen Klimaschutz machen. Und dann schalten wir Anlagen ab, obwohl wir CO2-freie Energie liefern können?"
Gut zwanzig Tage im Jahr seien es mittlerweile, in denen Strom aus Windkraft wegen Minuspreisen keinen Wert habe. Dann müssen die Stromerzeuger draufzahlen, wenn sie ihren Strom verkaufen. Weil Unternehmer Lackmann das nicht will, schaltet er seine Windräder lieber ab. Seine Prognose: Bis 2026 könnte es sogar dreimal so viele Tage werden, das wären ganze zwei Monate.
Windparks als Treiber der Energiewende
Lackmanns Unternehmen WestfalenWind erzeugt Strom, und wie alle Stromerzeuger verkauft er diesen an den Strombörsen. Zusätzlich aber verkauft er seinen Windstrom auch deutlich günstiger als zum handelsüblichen Durchschnittspreis an die Nachbarn des Windparks. In der Energiebranche eine echte Seltenheit, aber effektiv. Die günstigen Strompreise würden auch Bürger und Industrie aufgeschlossener für die Energiewende machen, so der Geschäftsführer.
Der Strom aus dem Bürgerwindpark darf aber nur als normaler Haushaltsstrom abgerechnet werden. Von Sondertarifen - zum Beispiel für Wärmestrom - profitieren die Windparkbetreiber nicht. "Natürlich hätten wir dann auch gerne Strom geliefert aus diesen Windkraftanlagen und hätten dann damit Erdgas und Erdöl verdrängen können", beteuert Unternehmer Lackmann. Dann hätte man auch das Problem der Netzengpässe gelöst.
Denn bei Überkapazitäten in den Stromnetzen herrscht ebenfalls Stillstand auf den Windfarmen. Wenn es so viel Energie gibt, dass gar nicht alles eingespeist werden kann, stehen in der Regel die Windräder als erstes still. Denn diese lassen sich flexibler abstellen und wieder in Betrieb nehmen als beispielsweise ein Braunkohlekraftwerk. Viel Energie, die so verloren geht: Nach Zahlen der Bundesnetzagentur konnten alleine in 2021 gut 5,8 Milliarden Kilowattstunden an Strom aus Windkraft nicht eingespeist werden. Das ist etwa ein Prozent des deutschen Gesamtstromverbrauchs.
Schnelleres Handeln gefordert
Das stillstehende Paderborner Windrad wird fast schon zum Symbol für den Fortschritt beim Windenergie-Ausbau. Denn trotz der aktuellen Überkapazitäten hat die Bundesregierung ein festes Ziel: Schon in sieben Jahren sollen mindestens 80 Prozent des verbrauchten Stroms aus erneuerbaren Energiequellen kommen. Im vergangenen Jahr waren es gut 47 Prozent. Fossile Energieträger wie Kohle sollen damit immer weiter verdrängt werden.
"Wir haben einfach in Deutschland einen absoluten Mangel an zügigen Infrastrukturausbau", meint der 75-Jährige Lackmann. Ideen gibt es zwar zur Genüge, zum Beispiel Stromtrassen entlang der Autobahnen, um nicht so viele Bürgerinnen und Bürger zu stören. Trotzdem sei die Politik in Sachen Netzausbau nicht entscheidungsfreudig genug. "Die Leute wollen alle grünen Strom haben, aber dann müssen sie eben auch gewisse Veränderungen in der Landschaft akzeptieren", mahnt der Ostwestfale. Trotzdem will er mit WestfalenWind expandieren: Im Hochsauerland soll bald der größte Windpark Deutschlands entstehen.
Süddeutschland hinkt hinterher
Doch noch immer kommt der Ausbau der erneuerbaren Energien nur schleppend voran. Der Bundesverband Windenergie rechnet vor, dass die Genehmigungsdauer mit 23,5 Monaten noch viel zu lang dauere. Dabei hat die Bundesregierung im vergangenen Jahr umfangreiche Gesetzesänderungen für einen schnelleren Ausbau von erneuerbaren Energien beschlossen. Trotzdem würden zu wenig Projekte genehmigt.
Außerdem gibt es großes Nord-Süd-Gefälle beim Neubau von Windrädern. Alleine Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen stellen zusammen 77 Prozent des Zubaus. Schlusslichter sind Baden-Württemberg und Bayern, wo nur wenig Windenergie erzeugt wird. Der Süden müsse jetzt liefern, heißt es vom Branchenverband. Manche erinnern da nur zu gerne an den schnellen Bau der Flüssiggas-Terminals in Wilhelmshaven, die im Zuge der Energiekrise errichtet wurden. Gerade einmal 194 Tage hat es gedauert, bis das LNG-Terminal fertig war; vielleicht wird das irgendwann auch zum Maßstab bei der Windenergie.