Erneuter Streik bei der Bahn GDL-Chef Weselsky weist Kritik zurück
GDL-Chef Weselsky hat sich gegen Kritik am Bahn-Streik gewehrt. In den tagesthemen rechtfertigte er sich außerdem für seinen "Denkfehler" auf einer Pressekonferenz. Für Verkehrsminister Wissing ist die Konfrontation unverständlich.
Der Chef der Lokführergewerkschaft GDL, Claus Weselsky, hat die Kritik zum neuen Bahn-Streik zurückgewiesen und falsche Äußerungen in einer Pressekonferenz erklärt. "Ich weiß nicht, wie viele Menschen es in diesem Land gibt, die noch nie einen kleinen Fehler gemacht haben", sagte Weselsky in den tagesthemen.
Er habe in der Pressekonferenz, die live war, auf eine Nachfrage zum Vorschlag der Schlichter, "dasselbe wiederholt, was die ganze Zeit die Bahn angeboten hat". Stattdessen warf er dem Vorstand der Deutschen Bahn, Martin Seiler, Täuschung vor. "Er hat nicht ein einziges Mal diese zwei Stunden angeboten", sagte Weselsky, "so wie er behauptet in der Öffentlichkeit." Seiler hätte nur eine Stunde Absenkung angeboten und eine halbe Stunde Wahlmodell. "Das nenne ich einfach tricksen, täuschen, Taschen füllen", so der GDL-Chef.
"Die 35 Stunden Woche ist machbar, zwar zeitversetzt und in einer Treppe", sagte Weselsky weiter, "aber die Deutsche Bahn AG, die sich sonst immer brüstet mit 25.000 Einstellungen, stellt sich hin und sagt: 'Das geht nicht' - und das ist Lug und Trug."
Kompromissvorschlag nahe an GDL-Forderung
Hintergrund ist ein Einigungsvorschlag der beiden Moderatoren - des früheren Innenministers Thomas de Maizière und des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Daniel Günther -, der den Forderungen der Gewerkschaft sehr nah kam. Demnach sah der Kompromiss vor, die Wochenarbeitszeit für das Zugpersonal im Schichtdienst und die Beschäftigten in Werkstätten in zwei Stufen von derzeit 38 auf 36 Stunden bei vollem Lohnausgleich zu senken. Die erste Stunde sollte zum 1. Januar 2026 wegfallen, die zweite zum 1. Januar 2028. Die GDL fordert eine Absenkung auf 35 Stunden.
Weselsky hatte den Vorschlag der Moderatoren bei einer Pressekonferenz am Montag anders dargestellt: Diese hätten eine Absenkung auf lediglich 37 Stunden bei vollem Lohnausgleich ins Spiel gebracht. Eine weitere halbe Stunde Reduzierung wäre lediglich optional und mit finanziellen Einbußen für die Beschäftigten verbunden gewesen. Die Bahn hatte diese Darstellung umgehend zurückgewiesen. Gegenüber der Süddeutschen Zeitung räumte Weselsky ein, ihm sei bei dieser falschen Darstellung ein "Denkfehler" unterlaufen. Das ändere aber nichts an seiner Ablehnung des Vorschlags, betonte er. Denn dieser enthalte keinen Schritt Richtung 35-Stunden-Woche, der Ausgangsforderung der GDL.
Unverständnis bei Wissing
Bundesverkehrsminister Volker Wissing äußerte im Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio Unverständnis über die falschen Darstellungen Weselskys. "Ich finde es nicht nachvollziehbar, weshalb Herr Weselsky das Schlichterpapier falsch verstanden hat. Denn das Schlichterpapier ist nicht missverständlich formuliert. Und ich muss schon einfordern, dass hier professionell und auch verantwortungsbewusst verhandelt wird", so der FDP-Politiker.
Weiter sagte Wissing, der Konflikt sei zunehmend nicht mehr nachvollziehbar. Dabei kritisierte er vor allem die Haltung der Lokführergewerkschaft GDL, die nicht an einer Lösung interessiert sei: "Wer vom Streikrecht Gebrauch macht, der muss auch Verantwortung übernehmen und das heißt konstruktiv verhandeln. Hier entsteht der Eindruck, dass Gründe zum Streiken gesucht werden anstatt Lösungen im Tarifkonflikt."
Auch an der neuen Strategie der Gewerkschaft, sogenannte Wellenstreiks durchzuführen, die nicht mehr angekündigt werden, übte der Minister deutliche Kritik: "Ich habe kein Verständnis dafür, wenn Herr Weselsky sagt, er arbeitet daran, dass die Bahn kein zuverlässiges Verkehrsmittel ist. Das kann nicht ernst gemeint sein und deswegen muss jetzt hier seriös, professionell auf der Grundlage des Schlichtervorschlages eine Lösung gefunden werden. Und zwar ohne, dass es zu weiteren Streiks kommt."
"Weselsky sollte den Streik abblasen"
Nicht nur Wissing, auch Verbände und andere Experten rügten das Vorgehen der GDL. Der Präsident des Bundesverbands Schienennahverkehr, Thomas Prechtl, äußerte zwar Verständnis, dass es nach zahlreichen Runden zu Fehlinterpretationen kommen könne. Zugleich erklärte er aber, es dürfe nicht passieren, "dass Millionen Fahrgäste ab Donnerstag wegen eines solchen 'Denkfehlers' erneut nicht zur Arbeit kommen können, weil streikbedingt keine Züge fahren".
Ähnlich äußerte sich der Fahrgastverband Pro Bahn: "Weselsky sollte den Streik abblasen", sagt deren Vorsitzender, Detlef Neuß, der Süddeutschen Zeitung. Der Vorsitzende des Bundestagsverkehrsausschusses, Udo Schiefner, rief die GDL zur Rückkehr an den Verhandlungstisch auf. "Mein Appell ist ganz einfach: Das Streikrecht ist das eine, Verantwortungsbewusstsein ist das andere", sagte der SPD-Politiker der Bild-Zeitung.
Streik bis Freitagmittag
Ungeachtet der Debatte hat am Abend um 18 Uhr der fünfte Streik der Lokführer begonnen. Zunächst war nur der Güterverkehr betroffen, seit Donnerstagfrüh auch der Personenverkehr. Bis Freitagmittag um 13 Uhr sollen die Züge dann weitestgehend stillstehen.
Wie Bahn-Sprecher Achim Stauß erklärte, will die Bahn erneut ein Grundangebot an Verbindungen aufrechterhalten. Das gelte sowohl für den Fern-, als auch den Regional- und den S-Bahn-Verkehr. Wie viele Züge genau fahren werden, sagte Stauß nicht. Auch gebe es regionale Unterschiede. Im Fernverkehr sollen aber längere Züge zum Einsatz kommen, damit mehr Fahrgäste die wenigen Verbindungen nutzen können. Er rief die Fahrgäste auf, sich rechtzeitig zu informieren, welche Verbindungen tatsächlich fahren. Eine Umbuchung sei für jeden Fahrgast ohne Probleme möglich, betonte er.
Dennoch werde der Streik erneut massive Auswirkungen haben. Das gelte nicht nur für den Personentransport, sondern auch für die Wirtschaft. Als Beispiel nannte Stauß die Automobil- oder Chemieindustrie, die nicht mit Grundstoffen oder Teilen beliefert werden könnten.