Umwege für Airlines Macht der Krieg die Flüge teurer?
Noch dämpft der Ukraine-Krieg die Reiselust der Deutschen kaum. Die Sperrung des russischen Luftraums belastet aber die europäischen Airlines. Sie müssen nun einen teureren Umweg nach Asien nehmen.
Auf der gestern eröffneten virtuellen Reisemesse ITB herrscht verhaltener Optimismus. Gerade erst hat sich die Branche nach zwei harten Corona-Jahren wieder berappelt. Viele Länder haben ihre Reisebeschränkungen gelockert oder ganz aufgehoben. Die Buchungen ziehen kräftig an - vor allem für den Oster- und Sommerurlaub. "Wir sehen einen sehr hohen Nachholbedarf", freut sich TUI-Deutschland-Chef Stefan Baumert. Gefragt seien aktuell vor allem die Klassiker rund ums Mittelmeer, die Zuwächse über dem Niveau vor der Corona-Krise 2019 verzeichneten. Auch die Lufthansa sieht eine enorme Nachfrage und will zu Beginn der Osterferien größere Maschinen nach Mallorca einsetzen.
Nun jedoch droht der nächste Rückschlag: Der Ukraine-Krieg könnte die gerade eingesetzte Erholung der Reisebranche wieder bremsen. Türkei und Zypern dürften den Wegfall der russischen Touristen spüren. Und auch deutsche Städte, die in der Vergangenheit von russischen Luxustouristen profitierten, sind von der ausbleibenden zahlungskräftigen Klientel betroffen.
Längere Flugzeiten wegen Russland-Sperrung
Spürbare Auswirkungen hat der Krieg auf die europäische Luftfahrtbranche. Weil der Luftraum über der Ukraine und Russland gesperrt ist, müssen Europas Airlines auf ihren Routen von und nach Asien einen langen Umweg in Kauf nehmen. Sie müssen nun südlicher fliegen - unter anderem über das Schwarze Meer.
Dadurch erhöht sich die Flugzeit von Europa nach Asien, vor allem nach China, Südkorea und Japan. Der Lufthansa-Flug von Frankfurt nach Tokio dauert nun über zwei Stunden länger, nämlich zwölf Stunden und 51 Minuten. Und für die Strecke London - Delhi muss nun gut eine Stunde mehr eingeplant werden.
Für die skandinavische Airline Finnair dürfte der Umweg so groß werden, dass sich Flüge nach Asien gar nicht mehr lohnen. Luftfahrtexperte Philipp Goedeking, Geschäftsführer der Beratungsfirma Avinomics, spricht von einer "existentiellen Bedrohung".
Zehn Prozent höhere Spritkosten
Auch für andere westliche Fluggesellschaften ist die Belastung erheblich. Durch die längere Flugzeit wird mehr Kerosin verbraucht. Die Folge: "Die Spritkosten können auf Langstrecken um zehn Prozent steigen", sagt Luftfahrtexperte Goedeking gegenüber tagesschau.de. "Das tut den Airlines und auch den Passagieren sehr weh."
Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) geht von deutlichen Konsequenzen für die Branche aus: "Die aktuellen Entwicklungen werden spürbare Auswirkungen auf die deutsche Luftverkehrswirtschaft haben, deren genaues Ausmaß aktuell noch nicht abzuschätzen ist."
Besonders westliche Fluggesellschaften, die den Ölpreis nicht gehedged haben und jetzt teuer Kerosin nachkaufen müssen, dürften darunter leiden. Das sind Brancheninsidern zufolge vor allem die Billigflieger.
Lufthansa rechnet nur mit geringen Belastungen
Die Lufthansa hält die Auswirkungen des Umwegs für verschmerzbar und spricht von Umsatzeinbußen im zweistelligen Millionenbetrag pro Monat. "Zwar verlängern sich die Flugzeiten um bis zu zwei Stunden, aber im Gegenzug sparen wir die höheren Gebühren ein, die wir sonst für die Überquerung des russischen Luftraums zahlen müssten", sagt Lufthansa-Chef Carsten Spohr.
Der Wegfall der Gebühren wird aber voraussichtlich nicht die höheren Spritkosten kompensieren, meinen Experten. Unterm Strich dürfte eine Belastung bleiben. "Die steigenden Kerosinpreise wirken sich stärker auf die Ausgaben der Fluggesellschaften als die russischen Überfluggebühren aus", meint Samed Kizgin, Travel Security Analyst des Tübinger Reisesicherheitsanbieters A3M.
Flüge der Lufthansa, AirFrance KLM oder British Airways von Europa nach Asien dürften daher wohl teurer werden. "Vor allem Reisende nach Fernost müssen sich auf steigende Ticketpreise einstellen", prophezeit Kizgin gegenüber tagesschau.de. Denn die weltweit anziehenden Kerosinpreise machen mittlerweile 15 bis 35 Prozent der Betriebskosten einer Airline aus.
Golf-Airlines profitieren
Profitieren von dieser Situation werden höchstwahrscheinlich die Airlines derjenigen Länder, die weiter über Russland fliegen dürfen. Das sind vor allem die chinesischen Fluggesellschaften. Und auch "den Golf-Airlines spielt die veränderte Lage in die Karten", meint Experte Goedeking. Für Emirates, Etihad und Qatar Airways ändert sich wenig, sie können unverändert ihre Asien-Flüge mit Umstieg in den Emiraten anbieten. Branchenexperten sprechen von deutlichen Wettbewerbsvorteilen, die Emirates & Co durch den Ukraine-Krieg bekommen.
Ebenso dürfte Turkish Airlines mit ihrem Hub in Istanbul eine Alternative für Asien-Flüge werden. "Das Turkish-Airlines-Netz wird attraktiver", glaubt Avinomics-Manager Goedeking.
Allerdings könnten die Sanktionen auch die Golf-Airlines treffen, relativiert A3M-Experte Kizgin. Denn sie nutzen Flugzeuge, die meist von Airbus oder Boeing hergestellt sind. Diese westlichen Konzerne sind von den russischen Sanktionen betroffen.
Frachtgeschäft leidet auch
Neben dem klassischen Passagiergeschäft wird auch das Frachtgeschäft von den längeren Umwegen belastet. Wegen des höheren Kerosinbedarfs könnten die Maschinen fünf bis 20 Prozent weniger Fracht laden, warnte jüngst eine Sprecherin der Lufthansa Cargo. Dadurch dürften die Frachtpreise weiter steigen. Die FDP rechnet mit deutlichen Nachteilen besonders für den Flugfrachtverkehr. Einige Routen werden sich auf den Seeweg verlagern, wo die Lage schon angespannt ist, befürchtet Bernd Reuther, der verkehrspolitischer Sprecher der Liberalen. "Der Druck auf die Airlines und Airports wird sich erhöhen."
Luftfahrt-Experte Cord Schellenberg teilt diesen Pessimismus nicht. "Die Luftfracht kann trotz des geflohenen Umwegs schneller von Europa nach Asien oder umgekehrt transportiert werden, als wenn sie am Golf umgeladen werden muss", sagt er. Der Luftfrachtmarkt sei zurzeit für alle Anbieter gleichermaßen auskömmlich, weil die international agierenden Unternehmen die Luftfracht für ihre globalen Lieferketten benötigen.
Die ungebrochene deutsche Reiselust
Trotz Ukraine-Krieg ist die Reiselust der Deutschen groß. Nach einer Umfrage der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR) planen 61 Prozent der Bundesbürger in diesem Jahr sicher einer Urlaubsreise. Im vergangenen Jahr waren es lediglich 49 Prozent. Die Umfrage wurde allerdings vor dem Ukraine-Krieg durchgeführt. Grundsätzlich hätten aber Katastrophen, Kriege und Terror in den vergangenen Jahrzehnten an der Nachfrage nichts geändert, meint FUR-Tourismusforscher Martin Lohmann. Urlauber seien stets auf andere Ziele ausgewichen. In ersten beiden Pandemie-Jahren sei dies anders gewesen wegen der Reisebeschränkungen und weil die Menschen unmittelbar betroffen gewesen seien.