Britische Wirtschaft Brexit-Folgen schlimmer als Pandemie
Nach Einschätzung einer britischen Behörde wird der Brexit deutlich schlimmere Folgen für die Wirtschaft des Landes als die Corona-Pandemie haben. Inflation und Lebenshaltungskosten könnten dramatisch steigen.
Die Auswirkungen des Brexit für die britische Wirtschaft sind nach Einschätzung der Aufsichtsbehörde Office for Budget Responsibility (OBR) gravierender als die Folgen der Maßnahmen im Zuge der Pandemie-Bekämpfung. Der EU-Austritt werde das britische Bruttoinlandsprodukt (BIP) langfristig um etwa vier Prozent verringern, sagte OBR-Chef Richard Hughes der BBC. Die Pandemie senke das BIP um weitere zwei Prozent, stellte Hughes fest. Im Ergebnis wirke sich der Brexit den Daten des OBR zufolge deutlich negativer auf die britische Wirtschaft aus als Corona.
In ihrem jüngsten Bericht hatte das unabhängige Beratungsgremium betont, dass Versorgungsengpässe aufgrund der schärferen Einwanderungsregeln sowie mehr Zölle und Bürokratie die Lage in Großbritannien seit dem Brexit verschärft hätten.
Autoindustrie im Tal
Derzeit treffen in Großbritannien die spezifischen ökonomischen Probleme, die mit dem Brexit zusammenhängen, auf die von der Pandemie verursachten Krisen. So sorgten in den vergangenen Wochen fehlende Lastwagenfahrer dafür, dass viele Tankstellen nicht mit Kraftstoff beliefert werden konnten. Auch Supermarktregale blieben teilweise leer.
Denn viele Fahrer aus der EU sind während der Pandemie in ihre Heimatländer zurückgekehrt und können nach dem Brexit nicht ohne Weiteres wieder in Großbritannien leben und arbeiten. Außerdem sind Fahrer schlicht ausgefallen, weil sie in Quarantäne mussten.
Auch die Industrie hat zu kämpfen: Die britische Autobranche hat im September so wenige Fahrzeuge produziert wie seit fast 40 Jahren in diesem Monat nicht mehr.
"Epidemie der Regierungsausgaben"
Die britische Regierung hatte gestern den neuen Haushalt für das kommende Jahr vorgestellt. Finanzminister Rishi Sunak kündigte darin Milliardenhilfen für zahlreiche Branchen ebenso wie Steuererhöhungen an. Nach Einschätzung von Sunak werde die britische Wirtschaft 2022 das Vor-Corona-Niveau erreichen.
Er rechnet mit einem Wachstum von 6,5 Prozent in diesem und 6,0 Prozent im kommenden Jahr. Auch das OBR rechnet derzeit mit einem Wachstum von 6,5 Prozent, zuvor hatte die OBR-Schätzung noch bei vier Prozent gelegen.
Die "Times" nannte Sunaks Steuererhöhungen "immens ". Das Boulevardblatt "Sun" kritisierte eine "Epidemie der Regierungsausgaben".
Das OBR warnte ferner, die Lebenshaltungskosten könnten so schnell zulegen wie seit 30 Jahren nicht mehr und die Inflation könnte aufgrund der gestiegenen Energiepreise auf fünf Prozent steigen. In einer aktuellen Regierungsprognose heißt es dazu, die Inflation werde im Jahr 2022 auf durchschnittlich vier Prozent klettern. Im vergangenen September lag sie in Großbritannien bei 3,1 Prozent.