Rapsanbau Die Bauern und das Speiseöl-Problem
Deutsche Bauern rechnen mit einer guten Raps-Ernte. Wegen der Folgen des Ukraine-Kriegs sind die Preise zugleich in die Höhe geschossen. Speiseöle sind mancherorts knapp. Wie reagieren die Erzeuger darauf?
Deutschland leuchtet gelb - Rapsfelder, soweit das Auge reicht, allein in Hessen fast 46.000 Hektar. Mittendrin in der hessischen Kornkammer, der Wetterau, bewirtschaftet Bauer Jan-Peter Loth 200 Hektar davon. Seine Ernte verspricht gut zu werden. Dazu gibt es derzeit satte Marktpreise. "Heiß umgattert" nennt er das, was da auf seinen Feldern wächst. "Der Markt spielt völlig verrückt", sagt er, "das hat ein Großteil der Landwirte noch nie erlebt. Jahrzehntelang nicht!"
Rapspreis auf Rekordhoch
Raps ist momentan die Ölfrucht der Gewinner, weil Exporte aus der Ukraine fehlen. Das Preisniveau werde hoch bleiben, analysiert Agrarökonom Stephan von Cramon-Taubadel von der Universität Göttingen den Markt. "Auch weil man antizipiert, dass in der nächsten Ernte und wahrscheinlich auch in der übernächsten Ernte Mengen fehlen werden. Schon allein deswegen, weil kaum mehr Aussaat stattfinden wird."
Der Blick auf die Warenterminbörse zeigt bei Raps in diesen Tagen einen Durchschnittspreis von 850 Euro pro Tonne. Noch am Jahresanfang wurde die Tonne gerade einmal für ein Drittel dieses Preises gehandelt.
Landwirte zocken nicht
Doch Bauer Loth macht klar: Diesen Marktpreis bekommt er längst nicht, denn die Silos sind leer. Die Ware hatte er schon im vorigen Sommer in Gänze verkauft - und zwar für die Hälfte des derzeitigen Preises. Über seine kommende Ernte hat er mit einer Erzeugergemeinschaft einen Kontrakt geschlossen. So machen es viele Bauern.
"Die wenigsten," sagt er, "sind Zocker." Er erklärt, dass ihm die Kontrakte Sicherheit geben, auch um mit dem Geld planen zu können. "Landwirtschaft ist immer auch ein hohes Risiko," ergänzt er und zeigt zum Himmel. Noch hält es sich die Waage zwischen Regen und Sonne.
Goldene Zeiten für Raps
Die Erzeugergemeinschaft zahlt ihm pro Tonne 600 Euro für den Raps, der noch auf seinen Feldern steht. Das sind immerhin knapp 43 Prozent mehr als im Jahr davor. "Das ist nach vielen Jahren endlich mal eine gute Botschaft", freut sich Loth - doch dann fügt er das hinzu, was alle Bauern derzeit sagen: "Die gestiegenen Betriebsmittel schmälern den Gewinn."
Die Dieselpreise schwindelerregend, auch beim Saatgut ging es rauf - und dann der Dünger, das Sorgenkind Nummer eins. "Ich kann nicht sagen, wir düngen nur noch die Hälfte, dann ernten wir auch irgendwann nur noch die Hälfte. Von daher müssen wir die Kosten stemmen und hoffen, dass wir sie über die Erlöse reinholen", erklärt Loth. Am Ende blieben von 43 Prozent Mehrerlös nur noch 17 Prozent für den Erzeuger übrig, rechnet der Landwirt vor. Im Gegenzug stieg der Verbraucherpreis beim Speiseöl um 30 Prozent.
Obwohl es beim Raps besser läuft als bei seinen Zuckerrüben, will Loth trotzdem die Fruchtfolge einhalten. Noch mehr Raps wird er nicht anbauen. Andere Landwirte sehen das ganz anders. Bundesweit ist dieses Jahr auf rund 1,1 Millionen Hektar Ackerland Raps ausgesät worden, 86.700 Hektar mehr als noch 2021. Der Grund: Schon vor dem Ukraine-Krieg war für die Bauern Raps lukrativ.
Teller, Trog oder Tank?
Auch die Frage danach, wo der Raps landet, spitzt sich zu. Eher auf dem Teller oder doch im Tank? Biodiesel oder Speiseöl? "Ich fühle mich als Lebensmittelproduzent," sagt Landwirt Loth. "Aber natürlich", ergänzt er, "ist die Energie vom Öl meines Erachtens nach genauso wichtig. Die Nachhaltigkeit genauso wie die Ernährung."
Laut Bauernverband werden 40 Prozent der Rapsernte zu Speiseöl und Biodiesel verarbeitet. Der verbleibende Pressrückstand von 60 Prozent landet in der Futtermittelindustrie für Kühe und Geflügel - auch, weil die Pflanze so eiweißreich ist. Die Verarbeitung in Deutschland ersetzt Futtermittel-Importe. Allerdings konzentrieren sich einzelne Ölmühlen verstärkt auf die Speiseölherstellung, wie Recherchen des Hessischen Rundfunks ergaben. Angesichts des Krieges ist die Treibstoffstoffproduktion aus Lebensmitteln in Verruf geraten.
"Dieser Konflikt verschiebt alles"
Die Bundesregierung befindet sich in einem Zielkonflikt. Denn es gilt, sowohl die fossile Krise zu bewältigen als auch dafür zu sorgen, dass die Versorgung von Nahrungsmitteln sichergestellt ist. "Dieser Konflikt verschiebt alles", ist sich Agrarmarktanalyst von Cramon-Taubadel sicher, "weg von Biokraftstoffen, hin zur menschlichen Nahrung. Das wird der Weg der Zukunft sein."
Inzwischen denkt die Bundesregierung laut darüber nach, Agrarsprit massiv herunterzufahren. Diese Diskussion ließ die Rapspreise an der Leitbörse sofort fallen. In nur zwei Handelstagen fiel der Kurs um 50 Euro auf 824 Euro pro Tonne. Der hessische Rapsbauer Loth beobachtet das Ganze mit Argusaugen. Seine Kontrakte sind zwar fest, aber er muss schon an die nächste Ernte 2023 denken, und die wird lange vor der Aussaat verkauft.
Selbstversorgungsgrad in Deutschland
Der Ukraine-Krieg hat massive Folgen für die Agrarwirtschaft. Aber wie stark hängt Deutschland von der weltweiten Versorgung tatsächlich ab? Überraschend: Bei vielen wichtigen Lebensmitteln könnte sich die Bundesrepublik komplett selbst versorgen. Bei Kartoffeln, Zucker und Fleisch liegt der Versorgungsgrad bei weit über 100 Prozent. Auch bei Getreide ist eine volle Versorgung garantiert. Doch an anderen Stellen bricht die Selbstversorgungsquote dramatisch ein: Bei Gemüse liegt sie nur bei 36 Prozent, bei Ölen und Fetten bei 26 Prozent und bei Obst gar nur bei 20 Prozent.