Midterms in Zeiten der Inflation Votum über die wirtschaftliche Lage
Wirtschaftliche Sorgen beeinflussen die US-Zwischenwahlen in diesem Jahr besonders stark. Dass die Börsen so schwächeln, bedeutet für viele Menschen einen Vermögensverlust.
Ende Juli erreichte der Benzinpreis in den Vereinigten Staaten in einigen Bundesstaaten den Rekordwert von 5 US-Dollar pro Galone, die Zustimmungswerte für Biden stürzten zugleich auf magere 38 Prozent. Aktuell liegt der Benzinpreis zwar im Schnitt bei 3,80 Dollar, doch die Zustimmung für Biden verharrte zuletzt bei 40 Prozent.
Viele US-Bürger geben dem Präsidenten eine Mitschuld an der hohen Inflation. Das sei eines der wichtigsten Wirtschafts- und Wahlkampfthemen im Land gewesen, sagt der Chefvolkswirt Europa der ING Bank, Carsten Brzeski, gegenüber tagesschau.de: "Ich denke, Biden hat einen großen Fehler gemacht, als er ins Weiße Haus kam. Anfang 2021 hat er die Konjunkturpakete, die unter Trump gestartet waren, nochmal fortgesetzt. Und damit hat er zu dieser Überhitzung der Konjunktur beigetragen."
Bidens Amtszeit geprägt von externen Schocks
Wobei Brzeski auch betont, dass die ersten zwei Jahre von Bidens Präsidentschaft stark geprägt gewesen seien von sogenannten externen Schocks: zum einen von den Nachwirkungen der Corona-Pandemie mit ihren gerissenen Lieferketten, zum anderen vom Ukraine-Krieg mit einer Neuordnung der globalen Handelsbeziehungen.
Für Markus Jäger hingegen, Fellow der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik und außerordentlicher Professor an der Columbia Universität in New York, ist Joe Biden einer der Präsidenten, die am meisten bewegt hätten in den vergangenen 20 bis 30 Jahren. Die wirtschaftliche Bedeutung seiner verschiedenen Gesetzesvorhaben sei sehr groß, etwa bei "grünen" Technologien oder in der Halbleiter-Produktion. Die Auswirkungen werde man über das kommende Jahrzehnt hinweg erkennen, glaubt der Experte.
Verlören die Demokraten ihre Mehrheit im Kongress - mit einem politisch praktisch handlungsunfähigen Präsidenten -, hätte das nach Einschätzung von Jäger auch große Auswirkungen auf Unternehmen in den USA: Ihnen gehe es "meistens dann gut, wenn es eine einheitliche Regierung gibt, also Kongress und Weißes Haus in einer Hand. Denn dann wird oftmals eine expansive Fiskalpolitik gefahren. Wenn die sich gegenseitig blockieren, dann gibt es keine expansive Fiskalpolitik und weniger Wachstum."
Aktien als Teil der Altersvorsorge
Was die Zwischenwahlen an der Börse auslösen, betrifft den durchschnittlichen US-Bürger viel stärker als etwa deutsche Wähler der hiesige Aktienmarkt. In den Vereinigten Staaten ist es üblicher, Aktien zu kaufen und sogar Teile der Altersvorsorge an den Finanzmärkten anzulegen.
Umso mehr dürften US-Wähler heute auch über ihre persönliche wirtschaftliche Situation abstimmen. "Aufgrund der starken Zinserhöhung durch die US-Notenbank und wegen der Unsicherheit durch die hohe Inflation wird dieses Jahr eines der schlechtesten Börsenjahre in den USA seit langer Zeit sein", sagt ING-Chefvolkswirt Brzeski. Und die Menschen spürten diesen Vermögensverlust direkt.