Deutschland im internationalen Vergleich Ausländische Investitionen auf Tiefstand
Die Zahl der ausländischen Investitionen in Deutschland sinkt weiter. Sie hat 2022 den niedrigsten Stand seit 2013 erreicht. Dennoch gewinnt die Bundesrepublik aktuell an Anziehungskraft.
Internationale Investoren ziehen sich zunehmend aus Deutschland zurück. Bereits zum fünften Mal in Folge hat sich ihr Engagement im vergangenen Jahr reduziert und ist damit auf den niedrigsten Stand seit 2013 gefallen. Im Jahr 2022 haben Unternehmen aus dem Ausland 832 Investitionsprojekte in Deutschland angekündigt, ein Rückgang um ein Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Das geht aus einer Untersuchung des Prüfungs- und Beratungsunternehmens EY hervor.
Zwar bleibe Deutschland zweifellos ein starker und wettbewerbsfähiger Standort, sagte der Vorsitzende der Geschäftsführung bei EY, Henrik Ahlers. "Aber auf der Kostenseite hat Deutschland zuletzt deutlich an Attraktivität verloren - gerade für Industrieunternehmen."
Auch bei Forschung, Entwicklung und digitalen Innovationen seien andere Standorte derzeit besser aufgestellt. "Hierzulande dauert vieles einfach zu lang und ist mit hohem bürokratischem Aufwand verbunden - ob es nun um Planungs- und Genehmigungsverfahren oder auch den Ausbau der digitalen und der Energie-Infrastruktur geht", sagte Ahlers.
Frankreich bleibt an der Spitze
Spitzenreiter im europäischen Ranking bleibt der Studie zufolge Frankreich, wo die Entwicklung schon seit einigen Jahren deutlich dynamischer verlaufe als in Deutschland. So stieg die Zahl der Investitionsprojekte im Nachbarland im vergangenen Jahr um drei Prozent auf 1259, nachdem sie 2021 sogar um 24 Prozent zugelegt habe. Dahinter rangiert Großbritannien, wo die Zahl der Projekte allerdings um sechs Prozent auf 929 zurückging.
"Vor allem Frankreich hat Deutschland in den vergangenen Jahren abgehängt", sagte Ahlers. Präsident Emmanuel Macron habe es geschafft, mit wirtschaftsfreundlichen Reformen eine Dynamik zu entfachen". Von dieser sei Deutschland derzeit weit entfernt.
Im Gegensatz zur schwächelnden Entwicklung in Deutschland hat die ausländische Investitionstätigkeit europaweit leicht zugenommen. 2022 stieg die Zahl angekündigter Projekte um ein Prozent auf 5962. Die größten prozentualen Gewinner seien Polen, Portugal und die Türkei. Insgesamt wurde das Vor-Pandemie-Niveau aber weiter verfehlt. Die Zahl der Vorhaben lag um sieben Prozent unter dem Wert von 2019. Zur Höhe des Investitionsvolumen wurden keine Angaben gemacht.
Deutschland dennoch ein Top-Standort
Allerdings: In einer für die EY-Studie durchgeführten weltweiten Unternehmensbefragung gewinnt Deutschland aktuell deutlich an Attraktivität. Der Anteil der Befragten, die die Bundesrepublik als einen von drei Top-Standorten in Europa bezeichnen, ist im Vergleich zur Vorjahresbefragung von 42 auf 62 Prozent gestiegen.
Frankreich (47 Prozent) und Großbritannien (43 Prozent) liegen deutlich dahinter. "Im vergangenen Jahr waren die Sorgen vor einer akuten Energiekrise und Produktionsausfällen in Deutschland groß", sagte Ahlers. "Das konnte verhindert werden, und auch die Lieferkettenunterbrechungen, die sich aus dem Krieg in der Ukraine und den Sanktionen gegen Russland ergaben, wurden relativ schnell bewältigt."