Folge von Corona und Krieg Globalisierung im Wandel
Unternehmen und Staaten reagieren auf die Folgen der Pandemie und des Ukraine-Kriegs. Warum sprechen einige Experten vom Ende der Globalisierung in ihrer bisherigen Form und andere gar von einer Zeitenwende?
Etwa 9000 Kilometer Luftlinie trennen den größten Hafen der Welt in Shanghai vom größten Hafen Europas in Rotterdam. In der globalisierten Wirtschaft scheint eine solche Entfernung nur ein Katzensprung zu sein. Diese Welt allerdings hat Risse bekommen. Der Krieg in der Ukraine stellt Unternehmen vor die Frage, wie sie künftig produzieren wollen - und wo sie ihre Güter einkaufen.
Experten empfehlen Firmen Diversifizierung
"Viele Regionen der Welt besinnen sich jetzt auf ihre eigenen Stärken, auf ihre eigenen Wirtschaftskreisläufe - wollen sich also von der Weltwirtschaft weniger abhängig machen", sagt Martin Lück - er ist Chefanlagestratege beim weltgrößten Vermögensverwalter Blackrock. "Und das löst eine Veränderung in der Globalisierung, wie wir sie kennen, aus."
Wie also sieht die neue Welt der Wirtschaft aus? "Die Unternehmen werden sich verstärkt diversifizieren müssen, sie werden auch regionaler werden in ihrer Produktion, in ihren Lieferbeziehungen", meint Andreas Scheuerle, Ökonom der Deka Bank. "Das ist eine neue Welt."
Ukraine-Krieg verschärft Corona-Entwicklungen
Eine neue Welt, in der wirtschaftliche Abhängigkeiten zu anderen Ländern immer stärker in Frage stehen. Das hat unterschiedliche Gründe. Der Krieg in der Ukraine stellt Handelspartnerschaften in Frage - vor allem diejenigen zu autokratisch regierten Ländern.
Die Frage der Energieversorgung steht aus deutscher Sicht im Fokus - es ist aber nur ein Aspekt einer Entwicklung, die mit der Corona-Pandemie an Fahrt aufgenommen hat. Im Lockdown gerieten die Lieferketten aus dem Takt - wichtige Teile oder Rohstoffe fehlten auf einmal.
Viele Unternehmen steuern bereits um
Ist die Globalisierung also schon sichtbar auf dem Rückmarsch? Nein, sagt Holger Görg vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel im Interview mit tagesschau24. "Wir sehen immer noch Handel, internationale Investitionen, die weiterwachsen - die jetzt aber geringer wachsen als noch vor zehn oder zwanzig Jahren."
Das Münchner ifo-Institut stellte in einer Befragung im vergangenen Sommer fest, dass Unternehmen zwar nicht unbedingt auf heimische Lieferketten setzen wollen, aber durchaus planen, ihre Lagerhaltung auszubauen oder die Zahl der Zulieferer zu erhöhen.
Verbindungen stehen auf dem Prüfstand
Es sind Erkenntnisse, zu denen in den vergangenen Jahren auch protektionistische Maßnahmen beigetragen haben - etwa durch den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump, der statt auf freien Handel eher auf Zölle gesetzt hatte. "Ich glaube, das hat das Bewusstsein geschärft, dass es Risiken gibt: politische Risiken, aber auch Risiken durch Naturkatastrophen, Kriege und Konflikte, die in die Planung der globalen Wertschöpfungsketten mit eingepreist werden müssen", sagt Experte Görg.
Die Welt der Wirtschaft bleibt also global vernetzt. Die Verbindungen zwischen Unternehmen und Handelspartnern allerdings stehen auf dem Prüfstand - nicht alle werden weiter bestehen, andere werden ausgebaut. Die Globalisierung endet nicht - aber: sie zeigt ein neues Gesicht.