Diskussion über Embargo Nützen Putin die Energie-Milliarden?
Die Diskussion über ein Energie-Embargo gegen Russland ist in vollem Gange. Befürworter sagen, es verkürze den Krieg. Gegner warnen vor den Folgen für die Weltwirtschaft. Wer hat Recht?
Seit Wochen appellieren vor allem die Regierungschefs osteuropäischer Länder an die Bundesregierung, den Import russischer Energielieferungen einzustellen. Es gehe doch nur um Geld, lauten die Appelle an Berlin, aber eben um Geld, dass Putin nutze, um seine Kriegsindustrie weiter am Laufen zu halten. Bundeskanzler Scholz sieht diesen Zusammenhang zwischen deutschen Zahlungen und Krieg in der Ukraine dagegen nicht. In der ARD-Sendung Anne Will sagte er:
Durch die präzisen Sanktionen, die sich auch an die Zentralbank Russlands richten, kann Putin mit dem Geld, das er auf seinen Konten gesammelt hat, vielen Milliarden, gar nichts anfangen."
Stimmt das? Chris-Oliver Schickentanz, Chefanlagestratege der Commerzbank, meint nein: "Wir haben scharfe Sanktionen des Westens gesehen, aber die sind nicht flächendeckend. Es gibt noch immer russische Banken, die an den SWIFT-Zahlungsverkehr angeschlossen sind." Damit gebe es noch immer Möglichkeiten, die Gelder, die aus dem Westen kommen, in den Wirtschaftskreislauf zu bringen und damit letztlich auch die kriegerischen Handlungen in der Ukraine zu finanzieren.
Kurzfristig wohl eher wenig Effekte
Stefan Kooths, Vizepräsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, sieht das jedoch anders. Mit Devisen allein könne man noch keinen Krieg führen, sagt er. "Da hat der Kanzler durchaus Recht. Und derzeit ist es ja so, dass sich Russland für die Deviseneinnahmen insbesondere in der westlichen Welt aufgrund des umfangreichen Güterembargos tatsächlich nichts kaufen kann."
In eine ähnliche Richtung argumentiert Sebastian Dullien, Wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung an der Hans-Böckler-Stiftung. Für das kurzfristige Fortsetzen des Kriegs brauche Putin die Einnahmen aus den Energielieferungen nicht. "Wladimir Putin bezahlt seine Soldaten, ihre Verpflegung und die Treibstoffe mit Rubeln und kauft die entsprechenden Dinge in Russland ein. Dafür braucht er erstmal keine Devisen", sagt Dullien. "Auch hat Russland mit der größten Armee Europas natürlich recht viele fertig produzierte Waffen, die das Land erstmal nutzen kann - ganz unabhängig von den Deviseneinnahmen."
Langfristig würde ein Embargo wirken
Anders sieht laut Dullien der längerfristige Ausblick aus, denn für die Produktion neuer russischer Kriegsgüter seien die frischen Devisen aus dem Ausland sehr wohl wichtig: "Die russische Industrie hat sich beispielsweise bei Flugzeugen auf die amerikanische Technologie verlassen. Und wenn diese Teile nicht mehr geliefert werden, dann kann Russland die Flugzeuge nicht mehr reparieren und keine neuen bauen." Von den USA nach Russland gilt jetzt für solche Teile aber ohnehin ein Exportstopp.
Doch könnten andere Länder als Handels- oder Rüstungspartner einspringen, selbst wenn Russland nicht mehr über neue Devisen verfügt? Durchaus, denn es gäbe noch andere Zahlungsmöglichkeiten, sagt Ökonom Kooths. "Man kann Güterimporte in Russland auch ganz einfach mit Öl bezahlen. Wer also bereit ist, die Sanktionen des Westens zu unterlaufen, ist im Zweifel auch bereit, sich mit Öl bezahlen zu lassen." Öl sei etwas, das man international eintauschen oder selber verwenden könne.
Es bleibt also aus Ökonomensicht umstritten, ob ein Energieembargo und Zahlungsstopp gegenüber Russland den Krieg kurzfristig bremsen könnte; vermutlich eher nicht. Längerfristig könnte ein Embargo aber durchaus den Nachschub an Kriegsmaterial verlangsamen.