Neues Anti-Spionagegesetz Nutzung von China-Daten wird riskant
Morgen tritt in China ein neues Anti-Spionagegesetz in Kraft. Es gibt Behörden ein zusätzliches Werkzeug, um gegen ausländische Firmen vorzugehen, die chinesische Daten und Statistiken auswerten. Viele Firmen sind besorgt.
Wirtschaftsdaten überprüfen, in Datenbanken recherchieren, Statistiken auswerten - das sind Selbstverständlichkeiten in der Geschäftswelt, auch in China. Mit der Neufassung des Anti-Spionagegesetzes aber könnten chinesische Behörden solche und ähnliche Dinge nun noch einfacher als bisher kriminalisieren, warnen Expertinnen und Experten.
Viele ausländische Unternehmen in China machen sich Sorgen. "Die Aktualisierung des Anti-Spionagegesetzes in China führt zu einer zusätzlichen Verunsicherung von Investoren", sagt Jens Hildebrandt von der Deutschen Auslandshandelskammer (AHK) in Peking. Das Gesetz sorge für einen zusätzlichen Unsicherheitsfaktor.
"Es gibt es nur eine Wahrheit"
Die Strafverfolgungsbehörden in China bekommen mit der Neufassung des Anti-Spionagegesetzes zusätzliche juristische Werkzeuge, um gegen Firmen und Personen vorzugehen, wenn diese mit chinaspezifischen Informationen oder Daten arbeiten. Strafbar sind nun nicht mehr nur Handlungen, die sich gegen die Nationale Sicherheit der Volksrepublik richten, sondern potenziell auch alles, was sich gegen "nationale Interessen" Chinas richtet. Das ist ein sehr weit auslegbarer Begriff.
"Wir sehen den Trend in China, dass sich Dinge weiter verschärfen", sagt May-Britt Stumbaum vom Center for Intelligence and Security Studies (CISS) an der Universität der Bundeswehr in München. Sie verweist auf Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping. Dieser habe den Willen, alles, was China betreffe, unter seine Kontrolle zu bringen - beziehungsweise unter die Kontrolle der Kommunistischen Partei.
"Nach dieser Lesart gibt es nur eine Wahrheit, eine Geschichte und nur eine Art von Fakten. All das soll von der Kommunistischen Führung gesteuert werden. In diesen Trend passt auch die Verschärfung des Anti-Spionagegesetzes", erklärt Stumbaum.
Es können Haftstrafen und Lizenzentzug drohen
Ausländische Firmen, die gegen das neue Gesetz verstoßen, müssen mit Geldstrafen oder dem Entzug der Lizenz rechnen. Auch ausländischen Angestellten sowie Managerinnen und Managern drohen Strafverfahren, dazu bis zu zwei Wochen Haft ohne Gerichtsverfahren und Ausreisesperren. Was die Sache besonders heikel macht: Der Gesetzestext ist wie häufig in der Volksrepublik schwammig und unverbindlich formuliert und deswegen weit auslegbar von der chinesischen Staatssicherheit und den Ermittlungsbehörden.
"Viele unserer Mitglieder stellen sich die Frage, welche spezifischen Anforderungen wir nun erfüllen müssen, um das neue Gesetz einzuhalten", bemängelte Jens Eskelund von der Europäischen Handelskammer in China Mitte Juni bei einer Online-Pressekonferenz in Peking.
Was zum Beispiel genau ein "Staatsgeheimnis" sei, sei völlig unklar. Eskelund verwies darauf, dass die Europäische Handelskammer in China ganz grundsätzlich die Richtung mit Sorge betrachte, in die sich die chinesische Sicherheitsgesetzgebung entwickele.
Stumbaum: Alles wird Xis Zielen untergeordnet
Zusätzliche Rechtsunsicherheit, noch weniger Spielräume im Umgang mit chinesischen Daten, Statistiken und Informationen - so lassen sich die Folgen der Novelle des Anti-Spionagegesetzes zusammenfassen. Und das, während europäische und deutsche Regeln in China tätige Unternehmen mehr denn je dazu verpflichten, Lieferketten genau zu überprüfen sowie Sorgfalts- und Compliance-Regeln einzuhalten.
Dass Chinas Staats- und Parteiführung besondere Rücksicht nimmt auf die Bedürfnisse ausländischer Unternehmen in China, sei aber nicht mehr zu erwarten, sagt die China-Expertin Stumbaum vom CISS in München: Den Zielen, die sich Xi Jinping gesetzt habe, nämlich den Aufbau einer komplett neuen Gesellschaft, werde inzwischen alles untergeordnet.