Welthandelswachstum unter Durchschnitt "Die Euro-Krise wird sich beruhigen"
WTO und IWF stellen heute Prognosen für die Entwicklung der Weltwirtschaft vor. Diese steht weiter im Zeichen der Euro-Schuldenkrise und der stockenden US-Wirtschaft. Michael Bräuninger vom Hamburger WeltWirtschaftsinstitut erklärt im Gespräch mit tagesschau.de, warum er mit einem deutlich langsameren Wachstum rechnet.
tagesschau.de: Die Euro-Krise macht der Wirtschaft in Europa schwer zu schaffen. Wie macht sich das im Welthandel bemerkbar?
Michael Bräuninger: Tatsächlich ist der Welthandel sehr stark konjunkturabhängig. Wir haben in den Jahren 2000 bis 2007/2008 ein sehr kräftiges Wachstum erlebt. Die Weltwirtschaft ist schnell gewachsen und der Handel ebenfalls. Dann hatten wir den massiven Einbruch mit einer schnellen Erholung. Jetzt gibt es wieder einen Rückschlag, das heißt der Welthandel wächst wieder deutlich langsamer - sicherlich stark beeinflusst durch die Euro-Krise.
tagesschau.de: Was bedeutet das in Zahlen?
Bräuninger: Tatsächlich wird der Welthandel wohl unter dem langfristigem Schnitt wachsen, das wäre ein Wachstum von 3 bis 3,5 Prozent.
Prof. Dr. Michael Bräuninger ist Forschungsdirektor am Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) und Professor an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg. Sein Forschungsbereich umfasst konjunkturelle und langfristige wirtschaftliche Analysen.
tagesschau.de: Welche weiteren Faktoren außer der Euro-Krise beeinflussen den Welthandel zurzeit?
Bräuninger: Eine ganz problematische Entwicklung ist, dass viele Länder protektionistische Maßnahmen ergreifen und insofern tatsächlich den Handel bremsen. Das könnte sich auch langfristig negativ auswirken.
tagesschau.de: Welche Entwicklung für den Welthandel erwarten Sie für das nächste Jahr?
Bräuninger: Wir gehen davon aus, dass sich die Euro-Krise beruhigt, dass wir eine Besserung haben. Auch die USA werden im nächsten Jahr wieder etwas kräftiger wachsen. Insofern könnte sich auch der Welthandel 2013 wieder erholen und etwas schneller wachsen. Wir glauben aber noch nicht an eine sehr große, kräftige Dynamik, sondern eine leichte Erholung.
"Krise zieht auch Schwellenländer nach unten"
tagesschau.de: Wie schneiden denn die Schwellenländer, wie zum Beispiel Brasilien, ab?
Bräuninger:Die Schwellenländer sind noch immer die am stärksten wachsenden Länder. Hier haben wir sicherlich auch die größten Impulse zu erwarten, auch für die Zukunft. Aber wir sehen im Augenblick auch eine deutliche Abschwächung, insofern kommt das Ganze nicht nur aus Europa. Die Schwellenländer werden sicherlich durch die Krise in Europa und den USA auch mit nach unten gezogen.
tagesschau.de: Wie wirkt sich der Protektionismus einzelner Länder auf Deutschland aus?
Bräuninger: Das hat sich bisher noch nicht sehr kräftig ausgewirkt, der deutsche Handel leidet insbesondere am Handel innerhalb Europas. Protektionistische Maßnahmen sind da nicht die Ursache, sondern die Rezession. Aber sicherlich ist langfristig mit einer Abschwächung zu rechnen und das wird sich dann auch negativ für Deutschland auswirken.
tagesschau.de: Wie muss die Politik reagieren?
Bräuninger: Sie sollte sicherlich auf WTO-Ebene für freie Grenzen plädieren, für freien Welthandel, das ist ganz im Interesse Deutschlands. Hier müssen entsprechende Verhandlungen geführt werden. Ansonsten ist zu hoffen, dass die Politik weise vorangeht, um die Euro-Krise zu überwinden.
Das Interview führte Michail Paweletz, tagesschau24.