Ein Auto tankt Super
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Tankrabatt gilt ab heute Wie stark sinken die Spritpreise?

Stand: 01.06.2022 03:43 Uhr

Von heute an soll der Tankrabatt die Autofahrer durch niedrigere Spritpreise entlasten. Werden Benzin und Diesel aber tatsächlich langfristig günstiger? Oder sorgt ein Ansturm auf die Tankstellen sogar für Engpässe und höhere Preise?

Von Till Bücker, ARD-Finanzredaktion

Seit Beginn des Ukraine-Kriegs ist das Tanken deutlich teurer als davor. In diesen mehr als drei Monaten schwankten die Spritpreise allerdings auch sehr stark und lagen zeitweise so hoch wie noch nie. Darauf reagiert der Bund mit der vorübergehenden Absenkung der Energiesteuer. Dieser sogenannte Tankrabatt gilt ab heute und wird bis Ende August gewährt.

Was ändert sich durch den Tankrabatt?

Die Preise an der Tankstelle setzen sich aus mehreren Komponenten zusammen. Zum einen werden sie durch Marktkräfte bestimmt. Ein wichtiger Faktor sind die Einkaufspreise von Benzin und Diesel, die von den Rohstoffpreisen und damit auch der Konjunktur oder der politischen Lage abhängen. Auch der Dollarkurs ist wichtig: Da Öl weltweit fast ausschließlich in der US-Währung gehandelt wird, gehen die Preise an der Zapfsäule nach oben, wenn der Kurs im Verhältnis zum Euro steigt. Dazu kommt der Deckungsbetrag, der die Kosten für Transport, Lagerung oder Weiterverarbeitung sowie den Gewinn der Mineralölkonzerne umfasst. Außerdem beinhaltet er die CO2-Steuer, die zu Jahresbeginn erneut erhöht wurde.

Zum anderen geht ein großer Teil der Spritpreise an den Staat: Laut ADAC landen beim Benzin rund 48 Prozent der Tankrechnung in den öffentlichen Kassen, bei Diesel sind es etwa 39 Prozent. Neben der Mehrwertsteuer (19 Prozent vom Verkaufspreis) ist vor allem die Energiesteuer entscheidend. Bis heute betrug sie 65,45 Cent für einen Liter Benzin und 47,04 Cent für einen Liter Diesel. Nun wird sie für drei Monate auf das europäische Mindestmaß reduziert: auf 35,9 beziehungsweise 33 Cent pro Liter. Der Bund verzichtet damit auf Steuereinnahmen in Höhe von geschätzten 3,15 Milliarden Euro.

Es gibt allerdings keine Garantie dafür, dass die Mineralölkonzerne den Tankrabatt komplett an die Verbraucherinnen und Verbraucher an den Tankstellen weiterreichen. Denn dazu verpflichtet sind sie nicht. Die Konzerne können den Verkaufspreis selbst festlegen. Darüber hinaus ist der Prozess aufgrund der verschiedenen Elemente bei der Preisgestaltung schwer zu überprüfen. Strengere Vorgaben der Markttransparenzstelle beim Bundeskartellamt sollen die Weitergabe der Steuersenkung sicherstellen. Das Bundesfinanzministerium betonte, dass die Konzerne die Steuersenkung komplett an die Autofahrer und Autofahrerinnen weitergeben sollen.

Wie viel macht das aus?

Nach den Berechnungen von der Bundesregierung wird durch die Absenkung der Energiesteuer Benzin im besten Fall um 29,55 Cent pro Liter günstiger. Bei einem Liter Diesel sparen Autofahrer immerhin 14,04 Cent. Hochgerechnet wären das bei einer Tankfüllung von 50 Litern fast 15 Euro beziehungsweise sieben Euro. Zusätzlich reduziert sich automatisch auch die Mehrwertsteuer. Dem ADAC zufolge könnte Benzin damit bis zu 35 Cent je Liter billiger werden, Diesel bis zu 17 Cent.

Sinken die Spritpreise auf das Niveau vor Kriegsbeginn?

"Wir glauben daran, dass es durchaus nach einigen Tagen zu sinkenden Preisen kommt", so van Randenborgh. Durch die Steuersenkung würde der Preis für einen Liter Benzin aktuell bei knapp 1,78 Euro liegen, für einen Liter Diesel 1,859 Euro - immerhin unter zwei Euro.

Doch im Vergleich zu früheren Preisen sei das immer noch zu teuer: "Wenn Sie vom jetzigen Durchschnittspreis ausgehen und die Energiesteuersenkung komplett abziehen, landen Sie immer noch bei einem Preis, der höher ist als vor dem Ukraine-Krieg." Am Tag vor dem russischen Angriff hatte E10 noch 1,750 Euro pro Liter gekostet, Diesel 1,663 Euro.

"Eigentlich wollte die Bundesregierung mit ihrer Entlastung deutlich darunter landen", sagt die ADAC-Expertin. "Aus unserer Sicht wird der Tankrabatt weitgehend verpuffen, weil die Mineralölkonzerne die Preise derart nach oben getrieben haben", meint auch Herbert W. Rabl vom TIV, der Interessenvertretung von Tankstellenpächtern und -eigentümern in Deutschland, gegenüber tagesschau.de.

Wie haben sich die Spritpreise zuletzt entwickelt?

Ende März einigte sich die Ampel-Koalition auf den Tankrabatt als Teil des Entlastungspakets mit einer Vielzahl von Maßnahmen. Das war wenige Tage, nachdem die Preise für Diesel und Super E10 ihre bisherigen Höchststände erreicht hatten. Bis Mitte April sanken die Spritpreise dann. Super E10 verteuerte sich im Mai wieder spürbar, während der Diesel-Preis im Mai nochmals kurz unter die 2-Euro-Marke fiel, eher er in den vergangenen Tagen wieder anzog. In der Woche vor dem Start des Tankrabatts zogen die Preise spürbar an. Laut ADAC kostete Super E10 am Montag im bundesweiten Tagesdurchschnitt 2,133 Euro pro Liter und damit 4,3 Cent mehr als am Dienstag der Vorwoche. Diesel verteuerte sich im selben Zeitraum um 3,5 Cent auf 2,029 Euro pro Liter. Damit kostete der Liter Diesel kurz vor dem Start des Tankrabatts etwa 15 Cent weniger und der Liter Super E10 gut fünf Cent mehr als zum Zeitpunkt der Koalitionseinigung auf diesen Entlastungsschritt.

Woran liegen die steigenden Preise der vergangenen Tage?

Denkbar sei einerseits, dass das Kraftstoffangebot in Deutschland vor der Einführung des Tankrabatts verknappt wurde, was die Preise beeinflusst haben könnte, sagt van Randenborgh. "Das Problem für die Tankstellenbetreiber und Mineralölkonzerne war, dass sie bis zum 31. Mai keinen steuerbegünstigsten Sprit kaufen oder verkaufen konnten. Sie wollten auf dem teureren Kraftstoff nicht sitzen bleiben, sondern es bis zum 1. Juni loswerden."

Allerdings seien die Preise schon länger deutlich überteuert. "Die Höhe der Spritpreise ist durch den Rohölpreis sowie durch den Wechselkurs aktuell nicht zu rechtfertigen", betont die ADAC-Sprecherin. Bereits seit Wochen sind der Rohöl- und der Spritpreis voneinander entkoppelt. Das lasse sich nicht mit dem Ukraine-Krieg oder sonstigen Problemen erklären. "Es entsteht der Eindruck, dass sich die Mineralölindustrie ein komfortables Ausgangsniveau verschafft."

Das behaupten auch andere Branchenkenner. "Rein betriebswirtschaftlich gibt es am Mineralölmarkt kaum Gründe, die Preise so nach oben zu drehen: Der Rohlöplreis ist von seiner Größenordnung im Januar nicht weit entfernt, die Raffineriebedingungen sind nicht eingeschränkt, alle Lieferungen fließen nach wie vor und auch auf der Kostenseite gibt es keine exorbitanten Erhöhungen", sagt TIV-Sprecher Rabl. Er wisse nicht, wie sich ein Preissprung von einem Drittel seit Jahresbeginn rechtfertigen lasse.

"Wir vermuten, dass die Spritpreise bis zum 1. Juni hin sukzessive nach oben getrieben wurden, um den Tankrabatt symbolisch an den Verbraucher weiterzugeben", glaubt Rabl. Somit folge die Mineralölindustrie zwar dem Willen der Politik, habe durch die künstliche Preiserhöhung aber dennoch weiter hohe Margen. Der einzelne Pächter der Tankstelle habe darauf keinen Einfluss, weil er an einem automatischen Kassensystem angeschlossen sei.

Was sagen die Erdölkonzerne?

Der Wirtschaftsverband Fuels und Energie (en2x), der die Mineralölunternehmen in Deutschland vertritt, weist die Kritik zurück und verweist bei den hohen Preise auf aktuelle Engpässe auf dem globalen Benzinmarkt. "In den USA trifft der Beginn der Sommerfahrsaison auf niedrige Bestände in Raffinerien und Tanklagern. Das hat weltweit und damit auch in Deutschland Auswirkungen auf die Benzinpreise", so der Verband auf tagesschau.de-Anfrage. Die Preise an den Produktmärkten für Benzin und Diesel und am Rohölmarkt hätten sich teilweise unterschiedlich entwickelt. Denn es handelt sich um getrennte Märkte. Zwar könne ein veränderter Rohölpreis als Kostenfaktor Auswirkungen auf die Kraftstoffpreise haben, müsse er aber nicht. "Bedingt durch den Ukraine-Krieg sind Kraftstoffe teurer geworden."

Mit Blick auf den Tankrabatt schreibt en2x: "Die Preisgestaltung ist eine Entscheidung der einzelnen Tankstellengesellschaften beziehungsweise Tankstellen. Wir gehen davon aus, dass die Energiesteuersenkung aufgrund des intensiven Wettbewerbs der Tankstellen an die Autofahrer weitergegeben wird." Die Energiesteuer sei jedoch nur eine von vielen Komponenten, die den Kraftstoffpreis bestimmen. Ausschlaggebend für den Preis an der Zapfsäule sei neben den Beschaffungskosten und dem Wechselkurs zum Dollar auch das jeweilige Wettbewerbsumfeld der Tankstelle.

Sind lange Schlangen an den Tankstellen zu erwarten?

Der ADAC erwartet für die ersten Juni-Tage einen Ansturm auf die Zapfsäulen. Viele Autofahrer hätten demnach nicht mehr im Mai getankt, sondern wollten von den niedrigeren Spritpreisen ab Juni profitieren. In den Stoßzeiten könne es daher zu Schlangen und Wartezeiten an den Tankstellen kommen. "Unser Ziel ist es, dass zu jedem Zeitpunkt an jeder Tankstelle ausreichend Kraftstoffe angeboten werden", heißt es vom Wirtschaftsverband Fuels und Energie (en2x), der die Mineralölunternehmen in Deutschland vertritt. Wie die Versorgungslage tatsächlich ausfalle, hänge aber auch vom Kundenverhalten ab. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass es an einzelnen Tankstellen vorübergehend zu Engpässen kommt.

"Die Spritpreise sind bundesweit gefallen", Julia Cruz, MDR, zur Entwicklung nach Einführung des Tankrabatts

tagesschau24 20:00 Uhr

Wie geht es weiter?

Erhöhte Spritpreise seien derzeit in der Gesellschaft und Politik akzeptiert, so die Einschätzung von Tankstellenvertreter Rabl. Vor allem im September werde das zum Problem, wenn der Tankrabatt ausläuft: "Die Preise werden künstlich oben bleiben, denn die Sensibilität ist ausgetestet. Die Konzerne haben gemerkt, dass der Verbraucher über zwei Euro zahlt."

Der ADAC begrüßt deshalb den Vorstoß von Wirtschaftsminister Habeck, die Markttransparenzstelle für Kraftstoffe beim Bundeskartellamt zu stärken. Im Kern gehe es darum, die Prozesse bei der Herstellung und dem Großhandel mit Kraftstoffen von der Ölförderung bis zur Zapfsäule zu beleuchten, heißt es. Dies könne ein wichtiger Beitrag auf dem Weg zu einer Normalisierung des Preisniveaus sein. "Der politische und öffentliche Druck wird weiter zunehmen, sollte das Bundeskartellamt in einer offiziellen Stellungnahme überhöhte Preise zum Thema machen", meint van Randenborgh.

Rabl ist da anderer Meinung: "Aus meiner Sicht ist das Wunschdenken, denn die Konzerne wollen Geld verdienen. Eine moralische Komponente wäre zwar wünschenswert, ist aber nicht sehr realistisch." Auch ein Kartellamt könne daran nicht viel ändern. "Die wenigen Konzerne im Markt wie Aral, Shell oder Total brauchen keine Preisabsprachen, weil sie die einzelnen Preiserhöhungen direkt an den Zapfsäulen der Konkurrenz bemerken und mitziehen können. Um ein Kartell zu bilden, brauchen sie nicht einmal miteinander reden." Einziger Hoffnungsschimmer sind laut Rabl Initiativen, die ein einzelnes europäisches staatliches Energieunternehmen gründen und die Abhängigkeit von Großkonzernen in der Energieversorgung reduzieren wollen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 01. Juni 2022 um 10:00 Uhr.