EuGH-Urteil zu Pauschalreisen Geld zurück wegen Corona-Beschränkungen
Wer im Urlaub von Corona-Beschränkungen überrascht wurde, hat ein Anspruch darauf, dass der Reiseveranstalter einen Teil der Kosten zurückerstattet. Das hat jetzt der EuGH entschieden.
März 2020: Das Coronavirus ist in Europa angekommen, die EU-Staaten versuchen mit drastischen Maßnahmen, die Ausbreitung einzudämmen. Auch auf der Urlaubsinsel Gran Canaria. Hier wird eine Ausgangssperre verhängt. Touristen dürfen nicht mehr an den Strand. Hotels schließen ihre Pools, sperren Lobbybereiche ab. Urlauber dürfen ihre Zimmer nur noch zum Essen verlassen.
Mittendrin ein Ehepaar aus Deutschland. Es hatte eine Pauschalreise auf die Kanarische Insel von Mitte bis Ende März 2020 gebucht - also mit einem Reiseantritt zu einem Zeitpunkt, als Corona bereits ein Thema war, es in Europa aber noch keine rechtlichen Beschränkungen im Alltag gab. Doch das änderte sich bereits am Tag nach der Ankunft vor Ort.
"Kein Urlaub, sondern nur Stress"
Sie hätten auf dem Zimmer bleiben müssen und nur noch telefoniert, sagt der Kläger. Eine lokale Reise-SOS-Hotline forderte die Urlauber auf, sich ständig für eine mögliche Rückreise bereitzuhalten, um innerhalb einer Stunde den Flughafen aufsuchen zu können.
"Das war absolut kein Urlaub, sondern nur Stress", sagt der Kläger. Von den gebuchten zwei Wochen auf Gran Canaria verbrachten er und seine Frau nur eine Woche vor Ort und diese hauptsächlich auf ihrem Hotelzimmer, bis sie vorzeitig abreisen konnten.
Deshalb wollten sie einen Teil ihres Geldes vom Reiseveranstalter zurück - und nur noch 30 Prozent des Reisepreises zahlen. Doch der Veranstalter lehnte das ab. Vor Gericht argumentierte er, er sei nicht für die Corona-Maßnahmen der spanischen Regierung verantwortlich. Es habe sich um die Verwirklichung eines allgemeinen Lebensrisikos gehandelt, für das er nicht einzustehen habe.
Verbraucherfreundliches Urteil
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in dem Fall nun ein verbraucherfreundliches Urteil gefällt. Danach gilt: Wenn eine Pauschalreise wegen Corona-Maßnahmen beeinträchtigt wurde, können Urlauber einen Anspruch auf Minderung des Reisepreises haben.
Reiseveranstalter haften nach der EU-Pauschalreise-Richtline nämlich unabhängig davon, ob sie es zu verschulden haben, dass sie die Reiseleistung nicht so anbieten konnten wie versprochen.
Unerheblich ist danach auch, dass es nicht nur am Reiseziel auf Gran Canaria Einschränkungen wegen Corona gab, sondern auch am Wohnort des Ehepaars und in anderen Ländern.
Wie geht es weiter?
Der Fall des Ehepaars geht jetzt zurück zum Landgericht München, das die Sache dem EuGH vorgelegt hatte. Es muss dann beurteilen, inwieweit die Einschränkungen bedeuten, dass der Reiseveranstalter seine versprochene Leistung nicht erbracht hat - und wie viel er vom Reisepreis deshalb an die Kläger zurückzahlen muss. Beispielsweise war der Hotelpool gesperrt, das Animationsprogramm fehlte, Strände durften nicht betreten werden und eine Besichtigung der Insel war nicht möglich.
Der EuGH hat darauf hingewiesen, dass Reiseveranstalter nicht nur die Verpflichtungen haben, die ausdrücklich im Vertrag stehen, sondern auch die, die damit zusammenhängen und sich aus dem Ziel der Reise ergeben.
Wann Stornierungen möglich sind
Es ist nicht das erste Mal, dass sich ein Gericht damit beschäftigen musste, welche Rechte Reisende während der Pandemie hatten. Die Konstellationen sind dabei unterschiedlich. In vielen Fällen hatten Verbraucher die Reise gar nicht erst angetreten, sondern wegen der Pandemie storniert.
Wenn Urlauber eine Pauschalreise absagen, verlangen Reiseveranstalter in der Regel Stornogebühren. Eine kostenlose Stornierung ist nur ausnahmsweise möglich: und zwar dann, wenn am Reiseziel oder in der Nähe "außergewöhnliche Umstände" auftreten, die die Pauschalreise "erheblich beeinträchtigen".
BGH: Pandemie "außergewöhnlicher Umstand"
Im vergangenen Sommer entschied der Bundesgerichtshof etwa den Fall einer Seniorin, die im Januar 2020 eine Donaukreuzfahrt für Ende Juni gebucht hatte. Anfang Juni stornierte sie die Reise auf Rat ihrer Hausärztin, weil sie schon häufiger Probleme mit Lungenentzündungen gehabt hatte. Aus Sicht des Bundesgerichtshofs muss sie den Reisepreis nicht zahlen, obwohl die Kreuzfahrt mit angepasstem Hygienekonzept stattfand.
Denn die Corona-Pandemie sei ein "außergewöhnlicher Umstand", der eine Pauschalreise erheblich beeinträchtigen könne. Dass die Pandemie weltweit - und nicht nur am Reiseort - herrschte, ändert aus Sicht der Karlsruher Richterinnen und Richter nichts an dieser Einschätzung.
Im konkreten Fall sei die Gesundheit der Frau unzumutbar gefährdet gewesen. Für diese Einschätzung spielten die räumlichen Verhältnisse an Bord eines Flusskreuzfahrtschiffes eine Rolle, aber auch, dass es im Juni 2020 noch keine Impfmöglichkeit gab und auch keine Therapien gegen Covid-19. Außerdem zählte die über 80-Jährige wegen ihres Alters und ihrer Vorerkrankung zu einer Risikogruppe.
Eine weitere Konstellation liegt noch beim EuGH. Dabei geht es um die Frage, inwieweit für eine kostenfreie Stornierung Umstände berücksichtigt werden müssen, die erst später eingetreten sind - etwa eine Reisewarnung.