Partnerbörsen-Boom Liebe im Lockdown
Wo verliebt man sich, wenn Bars geschlossen haben, keine Partys stattfinden und der Arbeitsplatz zu Hause ist? Dating-Plattformen im Netz boomen. Doch das Kennenlernen läuft meist anders ab als sonst.
Sie sind ein Corona-Paar: Unternehmer Serge Van Vooren ist viel unterwegs, als er Anne auf einer Dating-Plattform kennenlernt. 80 Prozent seiner Arbeitszeit verbringt er auf Geschäftsreisen: China, USA.
Dann plötzlich der Lockdown. Die Isolation bringt die beiden näher zusammen: "Corona ist ein Beschleuniger. Wir haben uns im Zeitraffer kennengelernt. Wofür man im normalen Leben zwei bis drei Jahre braucht, haben wir in wenigen Wochen erlebt. Das war wunderschön."
Eine aktuelle Studie der Partnervermittlung Elitepartner bestätigt, dass Corona die Liebe stärken kann. Dass sie bessere und tiefgründigere Gespräche als vor der Krise führen, gaben 67 Prozent der befragten Paare an, die weniger als ein Jahr in einer Beziehung sind.
"Nachhaltiges Dating"
"Es gibt ein Bewusstsein für nachhaltigeres Dating", sagt Studienleiterin Lisa Fischbach. "Es gibt mehr Vorbereitung, mehr genaues Hinschauen und dann das Treffen." Das alte Modell "viele Kontakte und viele Treffen" sei out. Viele seien vorsichtiger. Die Dating-Partner würden durch Corona genauer kuratiert, die Profile länger und genauer angeschaut, Gespräche intensiver geführt.
Bevorzugtes Date in Corona-Zeiten: ein gemeinsamer Spaziergang.
Auch von anderen Plattformen heißt es, dass sich das Datingverhalten verändert habe. Tinder beobachtete während des ersten Lockdowns eine Zunahme der Interaktionen auf der App. In Deutschland stiegen die Unterhaltungen in der Initialphase des Lockdowns von Februar bis März um 33 Prozent und die Dauer der Gespräche um 17 Prozent. Ende März meldete Tinder einen "Swipe-Rekord": Nie wurde öfter durch die verschiedenen Partnervorschläge "gewischt". Bis in den Herbst sei die Zahl der Swipes zweistellig gewachsen, so der Anbieter.
Dating mit Thermoskanne
Dass Swipes allein nicht die große Liebe bedeuten, weiß Marco Hauptmann: "Tinder ist eine Slot-Machine, die man bedient. Ein Spielautomat, der dich nicht unbedingt glücklicher macht." Das Geschäftsmodell ist ausgelegt auf schnelle unkomplizierte Treffen - oft unverbindlich.
Der 31-Jährige ist gerne Single und hat viel Erfahrung mit Online-Dating, er nutzt seit Jahren verschiedene Apps. Nach einer Phase des Stillstands im ersten Lockdown verlagert er seine Dates nach draußen. Spazierengehen wird zum kollektiven Hobby. Im Sommer verbringt er stundenlange Dates am Kanal. Mit Pizza und Wein.
Jetzt im Winter wird das ungemütlicher. Sich beim ersten Date schon in der Wohnung treffen, möchte er trotzdem nicht. Wegen Corona, aber auch weil man nicht so leicht aus der Situation kommt, wenn das Date mal nicht gut läuft. Seine Idee für die kalten Monate: Eine Thermoskanne mit Glühwein und zwei Becher.
Ein Spaziergang als Date sei auch ohne Corona eine gute Wahl, sagt Single-Coach Eric Hegmann: "Während man sich im Café steif gegenübersitzt, kann man beim Spaziergang gemeinsam etwas erleben. In den Parks kann man gerade beobachten, dass sich dort einige Menschen offenbar zum ersten Mal treffen."
Stundenlang im Video-Chat
Auch die Plattformen ändern sich: Auf Tinder erscheinen seit Corona Hinweise wie "Facetime Dates sind die cooleren Dates. Bleibt zu Hause und datet digital." Tinder, Parship & Co. integrieren seit kurzem Video-Chats als neue Funktion. Laut Elitepartner telefonieren die Singles durchschnittlich 30 Minuten miteinander. Der längste Video-Chat soll 15 Stunden gedauert haben.
Was für jüngere Singles kein Problem ist, kann für ältere Alleinstehende zum Hindernis werden, weiß Partnervermittlerin Simone Klebe: "Das falsche Licht, ein unpassender Hintergrund und ein ungünstiger Kamerawinkel können den ersten Eindruck kaputtmachen."
Seit mehr als 20 Jahren verkuppelt sie Singles im Alter zwischen 25 und 80 Jahren ganz analog. Ihre Agentur "Liebe im Takt" organisiert aktuell 60 bis 100 Dates pro Woche in Berlin, Brandenburg und Sachsen. Viele der Älteren hätten sich aus Vorsicht abgemeldet, dafür seien neue Singles auf sie zugekommen, erzählt sie. Auch sie empfiehlt ihren Kunden Spaziergänge auf Abstand als erstes Date.
Vorsichtige, aber zufriedene Singles
Laut einer repräsentativen Studie im Auftrag von Elitepartner daten 57 Prozent der Singles aufgrund der aktuellen Zahlen vorsichtiger und unter Einhaltung der Abstandsregeln. Knapp die Hälfte verzichte derzeit auf echte Dates. Was die Studie aber auch ergab: Die Single-Zufriedenheit ist im Vergleich zum Vorjahr nicht gesunken.
Serge Van Vooren hat sich inzwischen von den Plattformen abgemeldet. Er und seine neue Partnerin leben zusammen. Für die Zeit nach Corona hat er sich vorgenommen, beruflich weniger unterwegs zu sein: "Ich mag die neue Vertrautheit."