Gebührenfreier Börsenhandel Angriff der Neobroker
Neobroker werben mit Börsenhandel zum Nulltarif und bringen mit ihrem Geschäftsmodell nicht nur Großbanken, sondern auch Direktbanken in Bedrängnis. Die neue Art der Geldanlegens hat aber auch ihren Preis.
Kostenlose Transaktionen für Aktien- oder Fondsorders sind das schlagende Verkaufsargument einer neuen Generation von Handelsplattformen für Privatanleger. Die so genannten Neobroker unterbieten die arrivierte Konkurrenz auf der Kostenseite. Doch Anleger sollten Vor- und Nachteile der Anbieter genau prüfen.
Order-Gebühren (fast) bei Null
Ein Klick in der Smartphone-App oder der Internet-Anwendung des Neobrokers und der Kauf oder Verkauf von Aktien, Fonds oder ETFs (Indexfonds) ist perfekt. Wertpapiere einfach und schnell handelbar zu machen, ist eines der Versprechen der neuen Generation von Brokern wie Trade Republic, Scalable Capital, Smartbroker oder Finanzen.net zero.
Entscheidend setzen sich die jungen Unternehmen aus der FinTech-Ecke vor allem in Sachen Gebühren von der Konkurrenz ab: Während die Wertpapier-Order bei der Sparkasse oder auch Direktbanken wie ING oder Comdirect je nach Volumen mit zehn, 20 oder gar 50 Euro zu Buche schlägt, wird hier eher symbolisch pro Order ein Euro (Trade Republic), oder eine "Monatsflat" von 2,99 Euro verlangt (Scalable Capital), oder aber der Anleger zahlt für einen Kauf- oder Verkaufsauftrag schlicht gar nichts (etwa Finanzen.net zero).
Besonders bei der jungen Anlegergeneration haben die neuartigen Broker im vergangenen und diesem Jahr gewaltigen Zulauf erhalten. Der Platzhirsch unter den Neobrokern, Trade Republic, hat jüngst ein atemberaubendes Wachstum vermeldet. Die Zahl der Kunden liegt nach zwei Jahren am Markt bei mehr als einer Million. Die Erlöse steigerte das FinTech-Unternehmen im Geschäftsjahr 2019/20 von 0,7 auf 26,8 Millionen Euro binnen eines Jahres. Im gerade zu Ende gegangenen Geschäftsjahr (bis Ende September) dürfte ein ähnlicher Sprung gelungen sein. Nach eigenen Angaben verwaltete der Broker der neuen Generation bereits im Mai "mehr als sechs Milliarden Euro" an Kundengeldern.
Halb so wertvoll wie die Commerzbank
Damit liegt Trade Republic gleichauf mit Scalable Capital. Das Unternehmen aus München ist einst als Online-Vermögensverwaltung, "Robo-Advisor", gestartet, bietet aber inzwischen auch den direkten Handel von Wertpapieren für Privatkunden an. Die Bewertung der Neulinge in Sachen Börsenhandel sprengt die bisherigen Vorstellungen: Trade Republic wird nach einer Finanzierungsrunde durch eine Reihe von Finanzinvestoren im Mai über 750 Millionen Euro am Markt mit mehr als vier Milliarden Euro bewertet. Damit ist das Unternehmen mit rund 500 Mitarbeitern gut halb so viel wert wie die Commerzbank. Dabei schreibt Trade Republic noch Verluste.
Bewertungen und Geschäftsergebnisse interessieren den Privatanleger freilich in der Regel wenig. Das Versprechen, einen kostengünstigen Wertpapierhandel anzubieten, halten die Anbieter durchaus. Die Orderausführung erfolgt zumeist in wenigen Sekunden und ist zuverlässig. Das hängt damit zusammen, dass die Orders in vielen Fällen gar nicht über einen üblichen Börsenplatz wie XETRA der Deutschen Börse oder eine Regionalbörse in Frankfurt oder München ausgeführt werden, sondern im Direkthandel mit elektronischen Handelsplätzen, die an Banken angeschlossen sind. Dazu gehören etwa Gettex oder Quotrix; auch die Baader Bank und das Handelshaus Lang & Schwarz bieten diesen Direkthandel an, der für die Neobroker kostengünstiger ist, weil sie selbst keine üblichen Börsengebühren entrichten müssen. Die Anbieter erhalten von den Handelsplätzen kleine Rückvergütungen je Trade ("payment for orderflow"). Zudem erhalten die Unternehmen so genannte Bestandsprovisionen von den Anbietern von Fonds oder ETFs.
Handel in Randzeiten mit Vorsicht
Für die Kunden der Neobroker ist es in den meisten Fällen kaum relevant, ob sie Aktien oder Fonds über eine solche Plattform oder einen traditionellen Börsenplatz kaufen. In Börsenrandzeiten, also am frühen Morgen oder nach Beendigung des Computerhandels der Deutschen Börse auf XETRA (17:30 Uhr), kann die Preisfindung allerdings teurer werden. Die "Spreads", also die Differenz zwischen An- und Verkaufspreis, werden dann ausgeweitet; der Kauf eines Wertpapiers kann sich damit für Anleger verteuern, genauso wie deren Verkauf.
Auch die Produktpalette der Anbieter erfüllt nicht in allen Fällen die Wünsche der Privatanleger. Bei Finanzen.net zero, Trade Republic und Justtrade sind etwa nur Indexfonds von Produktpartnern der Broker handelbar - allerdings sind dies die großen ETF-Emittenten wie iShares, XTrackers oder Amundi. Aktiv gemanagte "klassische" Investmentfonds sind bei Trade Repbulic und Justtrade gar nicht im Angebot, und bei den anderen Neobrokern ist eine begrenzte Anzahl von ihnen handelbar. Wer also solche Produkte kaufen oder mit seinem Depot zu einem Neobroker "umsiedeln" will, sollte darauf achten. Auch Sparpläne haben nicht alle der Anbieter parat.
Kleinere Orders schließlich kann man nicht bei allen Neobrokern ausführen. Justtrade verlangt eine Mindestordergröße von 500 Euro, bei Smartbroker müssen ebenfalls 500 Euro pro Order beim Handel an bestimmten Börsenplätzen aufgebracht werden.
Cash kostet Geld - auch bei einigen Neobrokern
Auch das Thema "Verwahrentgelt", sprich Negativzinsen, macht vor Neobrokern nicht halt. Die Gebühren bei "Cash" auf dem Konto handhaben die Anbieter unterschiedlich: Während Scalable Capital, Trade Republic und Finanzen.net zero keine Negativzinsen erheben, werden bei Justtrade 0,5 Prozent pro Jahr fällig. Bei Smartbroker fallen 0,5 Prozent nur an, wenn mehr als 15 Prozent des Depotwertes liquide auf dem Depotkonto liegen.
Wer einen Blick in die Bedingungen und das Produktangebot der Neobroker wirft, der kann mit den Neulingen in Sachen Wertpapierhandel tatsächlich viel Geld sparen, insbesondere, wenn er ein "aktiverer" Anleger ist, also viele Trades tätigt. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen weist in einer aktuellen Übersicht allerdings darauf hin, dass die "scheinbar kostenlose Möglichkeit zu kaufen und zu verkaufen auch zum Zocken verführen" kann. "Schnelle Gewinne sind nur bei hochriskanten Anlagen möglich", meinen die Verbraucherschützer.
"Gamestop" als Krisenfall
Als der Handel an den Börsen und Handelsplätzen einmal allzu heftig tobte, haben die Anleger beim Platzhirsch Trade Republic auch schon einmal in die Röhre geschaut: Aktien des Zockerpapiers Gamestop konnten im Frühjahr wegen allzu großer Kursverwerfungen dort nicht mehr gehandelt werden, obwohl der Handel an klassischen Börsenplätzen möglich war. Trade Republic entschuldigte sich anschließend bei den Kunden, Ermittlungen der Börsenaufsicht BaFin ergaben "keinen Verdacht der Marktmanipulation". Dennoch dürfte der Vorfall gezeigt haben, dass Anleger auch beim Investieren mit Neobrokern Vorsicht walten lassen sollten.
Nicht zuletzt steht auch das Vergütungsmodell der Neobroker, "payment for orderflow", unter Beobachtung der Aufsichtsbehörden. Auf einen Hinweis der europäischen Aufsicht ESMA prüft derzeit die BaFin das Geschäftsmodell. Allerdings dürfte die Praxis der Vergütung den Interessen der Kunden nicht zuwiderlaufen, heißt es in einer Stellungnahme.