Teure "fünfte Jahreszeit" Rosenmontagszüge kosten mehr denn je
Endlich wieder Karneval, Fastnacht, Fasching - nach der Corona-Pause geht es in den Hochburgen einmal mehr rund. Doch ganz krisenfrei wird auch in diesem Jahr nicht gefeiert: Die Umzüge kosten viel mehr.
Seit 61 Jahren ist er der kreative Kopf des Mainzer Rosenmontagszuges: Dieter Wenger, inzwischen über 80 Jahre alt, Chef-Wagenbauer des Mainzer Carneval Vereins (MCV) - ein Amt, das in der Fastnachtshochburg Mainz etwa so viel zählt, wie anderswo an der Spitze einer Regierung zu stehen.
Monatelang wird gesägt und geschraubt
"So schwierig wie in diesem Jahr war es in den vergangenen sechs Jahrzehnten nicht", bilanziert Wenger, als er in einer großen Halle im Mainzer Industriegebiet seine Werke vorstellt - die zehn Motivwagen für den Rosenmontagsumzug.
Die rollenden Karikaturen greifen politische Themen auf, vom Krieg in der Ukraine bis hin zu lokalpolitischen Possen. Schon Monate vor dem Rosenmontag schnitzen, sägen und schrauben Wenger und sein Team an diesen Motivwagen. Und Putin, Scholz, und Xi Jingping als meterhohe Pappmaché-Figuren verschlingen Unmengen Material.
"In diesem Jahr war einfach alles komplizierter": Materialmangel machte dem Chef-Wagenbauer des Mainzer Carneval Vereins, Dieter Wenger, und seinen Kollegen schwer zu schaffen.
Metallreste wieder aufgearbeitet
"Holz, Styropor und Eisen waren ganz schwer zu kriegen", beschreibt Wenger die Probleme dieser Saison. Vor der Corona-Pandemie habe er bei einem lokalen Eisenhändler immer so viel Ware bekommen, wie er gebraucht habe. In diesem Jahr sei dessen Lager "leergefegt" gewesen. Das Wagenbau-Team musste improvisieren: "Wir haben alte Geländer oder Metallreste aus den Vorjahren zerschnitten und wieder aufgearbeitet", sagt Wenger.
Auch Holz hätten die Wagenbauer nicht in ausreichenden Mengen bekommen - und auf teurere Holzarten umsteigen oder alte, schon ausrangierte Figuren umbauen müssen. Außerdem hätten Lacke und Farben doppelt so viel gekostet wie vor dem Ukraine-Krieg, berichtet Wenger: "In diesem Jahr war einfach alles komplizierter."
Sponsoren helfen bei Finanzierung in Mainz
Die Folge: Der Mainzer Carneval Verein, Organisator des Rosenmontagszuges, musste seine nach der Corona-Pandemie ohnehin klammere Kasse leeren und kam so an seine Grenzen. "Insgesamt kostet der Rosenmontagszug in diesem Jahr etwa 30 Prozent mehr als noch 2020", bilanziert MCV-Präsident Hannsgeorg Schönig. "Wir sind jetzt bei etwa 600.000 Euro Kosten."
Um die gestiegenen Kosten stemmen zu können, suchte Schönig neue Wege für die Finanzierung: "Wir haben erstmals die Motivwagen als MCV nicht alleine bezahlt", so Schönig. Ein Motivwagen koste rund 12.000 Euro. Etwa die Hälfte der Wagen hätten in diesem Jahr andere Mainzer Karnevalsvereine bezahlt - ein Novum in Mainz. Außerdem habe man neue Sponsoren ins Boot geholt, die bei der Finanzierung des Straßenumzuges helfen.
Entlastungen, die notwendig seien, denn der Mainzer Carneval Verein habe mit weiteren Kostensteigerungen zu kämpfen: So sei der Betrieb der Party- Bühnen in der Stadt wegen der Energiekrise deutlich kostspieliger. Hinzu kämen mehr Ausgaben für Personal, Bühnentechnik und die Sicherheit.
Sicherheitskonzept für 220.000 Euro
Die Kosten für Sicherheit verschlingen ohnehin das meiste Geld, erklärt der MCV-Präsident. Alleine die Absicherung der Großveranstaltung Rosenmontag, zu der mehr als 500.000 Menschen in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt erwartet werden, koste den Mainzer Carnevalsverein rund 220.000 Euro.
"Das Thema wird heute viel weiter gefasst als noch vor wenigen Jahren", sagt Schönig. Diese Ausgaben seien in den vergangenen Jahren immer weiter gestiegen. Seit dem Jahr 2015 hätten sie sich "verfünffacht". Ähnlich wie in Mainz sieht es in den Karnevalshochburgen Köln und Düsseldorf aus. Auch den Jecken dort treiben Preissteigerungen, Inflation und Sicherheitsauflagen Sorgenfalten unter die Narrenkappe.
Kölner Rosenmontagsumzug "hoch defizitär"
Die Kosten für den Zug in Köln trägt das Festkomitee Kölner Karneval als Veranstalter, wie Sprecherin Tanja Holthaus erläutert. Der Umzug werde finanziert durch Ticket- und Tribünenverkäufe, Sponsoren und Einnahmen durch die Fernseh-Übertragung. Aber: "Sicher ist, dass der Zug in jedem Jahr hoch defizitär ist und von uns durch andere Einnahmen querfinanziert werden muss."
Vor allem die Sicherheitskosten machten seit Jahren einen beträchtlichen Teil der Kosten aus, weil die Auflagen kontinuierlich anstiegen. "In diesem Jahr müssen wir erstmalig drei Sperrzonen errichten, die geschlossen werden, wenn der Zulauf zu groß ist. Auch dies ist Teil des Sicherheitskonzeptes", sagt Holthaus.
"Geldscheine fliegen uns nicht zu"
"Die Geldscheine fliegen uns natürlich nicht einfach so zu", sagt auch Hans-Peter Suchand, Sprecher des Comitees Düsseldorfer Carneval e.V. Der Verein habe zwar noch Rücklagen, auf die er zurückgreifen könne. "Aber auf Dauer brauchen wir mehr Sponsoren und mehr Einnahmen, um den Karneval finanzieren zu können."
Einige Vereine hätten in diesem Jahr schon ihr "Wurfmaterial" - also die Bonbons und Süßigkeiten, die am Rosenmontag von den Wagen fliegen - reduziert, um Geld zu sparen. Insgesamt koste der Düsseldorfer Rosenmontagszug 1,2 Millionen Euro und damit zehn Prozent mehr als im Jahr 2020.
Wagenbauer Wenger jedenfalls will sich trotz multipler Krisen den Spaß am Umzug in Mainz nicht verderben lassen. Er ist stolz auf seine Motivwagen. "Wenn der Putin in Mainz über die Straßen rollt und wir mit unserer Kritik ein politisches Zeichen setzen, dann haben wir alles richtig gemacht."