Steigende Lebensmittelpreise Selbstversorgen gegen die Inflation
Die Lebensmittelpreise werden vermutlich auch in den nächsten Monaten weiter steigen. Immer mehr Familien reagieren auf die Inflation und wollen sich stärker selbst versorgen - mit Gemüse aus dem eigenen Garten.
"Da drin bin ich gut!", erzählt die siebenjährige Annelie Schröter stolz und gießt dabei die frisch eingepflanzten Salate im Familien-Hochbeet. Familie Schröter ist seit diesem Jahr Mitglied im Obst- und Gartenbauverein Landstuhl in Rheinland-Pfalz. Die Familie mit drei Kindern will künftig in ihrem Garten eigenes Gemüse anbauen. Hilfe dabei findet sie beim Gartenbauverein. Hier können sie unter Anleitung ihr erstes Hochbeet im Gemeinschaftsgarten anlegen; nach ein bisschen Übung soll dann der eigene Garten vor ihrem Haus folgen.
Eigenanbau statt Supermarkt
Dabei geht es der jungen Familie nicht nur um gesunde, saisonale Ernährung, wie Lisa Schröter erzählt. Die 34-Jährige muss wegen der gestiegenen Lebensmittelpreise auch aufs Geld schauen: "Ich muss gerade durch mehrere Supermärkte gehen und Preise vergleichen, weil die Lebensmittel einfach so teuer geworden sind. Ich überlege zwei Mal, wie viel Brokkoli ich wirklich in den Einkaufskorb lege."
Vor einem Jahr noch habe sie insgesamt 100 Euro für Lebensmittel für fünf Tage ausgegeben. Jetzt seien es 170 Euro. Viel Geld für die Familie mit drei Kindern - und das, obwohl beide Elternteile voll berufstätig sind, sich die Familie überwiegend vegetarisch ernährt und selbst kocht.
Trend zur Selbstversorgung weiter gestiegen
So wie Familie Schröter geht es auch anderen Familien. Sabine Günther ist die Vorsitzende des Kreisverbandes der Obst- und Gartenbauvereine in Kaiserslautern. Sie hat den Überblick der 23 angeschlossenen Ortsvereine. Vor allem in den vergangenen Jahren sei die Nachfrage am Eigenanbau gestiegen, berichtet die Gärtnermeisterin.
Die Motivation dafür sei vielfältig. Während der Corona-Pandemie seien schon viele Familien dazugestoßen, weil sie wieder Lust am Gärtnern bekommen hatten. "Jetzt kommt noch die Unsicherheit durch den Krieg in der Ukraine dazu; und eben auch die gestiegenen Lebensmittelpreise sind ausschlaggebend für viele Familien, wieder selbst anzubauen, sich unabhängiger zu machen", sagt Günther. Und der Eigenanbau lohne sich neben dem Spaß auch finanziell.
Die dreifache Mutter Lisa Schröter kocht schon jetzt die Tomaten ein, um sie dann im Winter weiter zu verwenden. Das spare Geld und schmecke erheblich besser als gekaufte Ware, so die 34-Jährige. Auch die Bundesverbraucherzentrale empfiehlt als Spartipp gegen die gestiegenen Lebensmittelkosten, Obst und Gemüse selbst anzubauen. Weitere Tipps seien saisonales Gemüse zu kaufen und selbst zu kochen, statt oft teurere Fertigprodukte zu konsumieren.
ifo: Kein Ende der Teuerung in Sicht
Sascha Möhrle, Wirtschaftswissenschaftler am Münchner ifo-Institut, kann den Trend zum Eigenanbau von Obst und Gemüse verstehen. Nach einer aktuellen Umfrage des ifo-Instituts müssen sich Verbraucher in Deutschland darauf einstellen, dass sich Lebensmittel erst einmal weiter verteuern werden. Wie bereits in den Monaten zuvor gaben die vom ifo-Institut befragten Händler an, ihre Preise in den kommenden drei Monaten im Lebensmitteleinzelhandel anzuheben.
"Wenn man dann statt aus dem Supermarkt sein Gemüse aus dem Garten bezieht, kann das sicherlich zu deutlichen Entlastungen führen - je nachdem, wie teuer das jeweilige Gemüse gerade ist", sagt der Inflationsprognostiker. Denn nicht alle Gemüsepreise hätten sich verteuert: Zuletzt im Juni sei der Preis für Tomaten und Gurken besonders stark gestiegen, der für Salat sogar gefallen.
Politik soll Familien unterstützen
Ob die Lebensmittelpreise auch bis zum Ende des Jahres weiter steigen, wagt Möhrle nicht zu prognostizieren. Da gebe es mehrere Faktoren, die eine Rolle spielten - etwa ob sich Bürger in ihrem Einkaufsverhalten wegen der Lage zurückhalten. Andererseits komme es unter anderem auch darauf an, inwieweit Unternehmen, die vom Gas abhängen, die Kosten an ihre Kunden weitergeben. Dennoch vermutet Möhrle, dass "die Nahrungsmittelpreise bald ihren Höhepunkt erreichen werden". Das bedeute aber nicht, dass dann die Preise fallen würden.
Für die dreifache Mutter Lisa Schröter aus Landstuhl sind das keine guten Aussichten. Sie wünscht sich von der Politik mehr Unterstützung. Ein kurzfristiger Kinderbonus würde ihr allerdings nichts bringen. "Familie mit mehr als zwei Kindern können sich bald nichts mehr leisten", sagt Schröter, die in einem Kinderheim Vollzeit arbeitet. Das Kindergeld müsse erheblich angehoben werden. "Steigen die Preise weiter, ist das für uns eine echte Katastrophe."