Verwirrung um Milliardenhilfen Heizölkunden warten auf Entlastung
Mitte Dezember entschied der Bundestag, auch Nutzer von Öl-, Flüssiggas- und Pelletheizungen zu entlasten. Wirklich passiert ist seitdem nichts. Nur Berlin hat eine "Heizkostenhilfe" auf die Beine gestellt.
Voll mit Holzpellets beladen wirkt der Lastwagen schwer und wuchtig. Ähnlich wirkte der Einschlag in die Haushaltskasse von Heribert Müller, als er die Ladung des Lkw, die jetzt in seinen Keller gepumpt wird, einst zu sich nach Hause in den Hunsrück orderte: Immer noch fast 480 Euro je Tonne musste er zahlen, mehr als doppelt so viel wie beim vorherigen Einkauf.
Ob der Staat ihm ein wenig der finanziellen Belastung nehmen wird, ist ihm noch völlig unklar. Sollte es aber sein, findet er mit Blick auf den bezahlten Preis: "Wenn es nach oben geht, dann müsste man schon dafür sorgen, dass die Bürger nicht überlastet werden. Sonst kann das keiner mehr bezahlen."
Extreme Preisschwankungen
Heribert Müller ist kein Einzelfall. Wer Heizöl tanken oder Pellets laden musste, hatte beim Preisvergleich im vergangenen Jahr nervenaufreibende Tage hinter sich. Nicht nur, dass Preise stark schwankten, sie taten das auch auf einem ungewohnt hohen Niveau. Mehr als 800 Euro kostete zu Spitzenzeiten eine Tonne Holzpellets, vier Mal so viel wie am gleichen Tag ein Jahr zuvor. Heizöl durchbrach die 200-Euro-Marke für 100 Liter, das war drei Mal teurer als am gleichen Tag im Jahr vor dem Ukraine-Krieg. Kein Vergleich zum Anstieg des Gaspreises - gleichwohl für Öl- und Pelletkunden eine besondere Belastung.
Auch sie sollten deshalb wie die Bezieher von Erdgas eine staatliche Entlastung erhalten, entschied der Bundestag Mitte Dezember des vergangenen Jahres und machte den Weg frei für 1,8 Milliarden Euro Zuschuss. Dieses Geld sollen Haushalte bekommen, die eine Heizöl-, Flüssiggas- oder Pellet-Rechnung aus vergangenem Jahr vorweisen können, die mehr als den doppelten Preis dessen ausweist, was 2021 zu zahlen gewesen wäre. Was darüber hinausgeht, erstattet der Staat zu 80 Prozent bis höchstens 2000 Euro.
Die Länder sollen Hilfen auszahlen
Eine Beispielrechnung: Wer im August 2022 in Mainz 3000 Liter Heizöl bestellte, zahlte dafür 4750 Euro. Im Jahr davor hätte dieselbe Menge nur 2100 Euro gekostet. 550 Euro beträgt also die Differenz zum Doppelten des Vorjahrespreises. Davon erstattet der Staat 80 Prozent - in diesem Beispiel wären das 440 Euro Entlastung. Die Länder sollen das Geld des Bundes auszahlen.
Doch nach wie vor ist das weitgehend graue Theorie. Zwei Monate nach der politischen Entscheidung im Bundestag und kurz darauf im Bundesrat ist noch immer unklar, wie die Bedingungen des staatlichen Zuschusses genau aussehen sollen. Nur Berlin allein hat bereits eine eigene "Heizkostenhilfe" auf den Weg gebracht. Hier gelten pauschal 71 Euro je 100 Liter als Referenzwert. In Berlin statt Mainz erhielte der Beispielkunde damit sogar 900 Euro finanzielle Entlastung. Denn Berlin unterstützt bereits von 70 Prozent Mehrkosten an, nicht erst bei Beträgen über dem Doppelten des Vorjahrespreises.
"Wahlkampfgeschenk" für die Berliner?
Zwei Wochen vor der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus ging das Antragsverfahren bei der Förderbank des Landes online. "Dieses Förderpaket roch natürlich ganz stark nach einem Wahlkampfgeschenk an die Steuerzahler, das mit den Mitteln der Steuerzahler bezahlt wird", schildert Alexander Kraus, Vorsitzender des Bundes der Steuerzahler Berlin, und sieht die Berliner Heizkostenhilfe in einer Reihe weiterer Berliner Wahlkampfgeschenke wie das 29-Euro-Ticket oder die "Jugendkulturkarte", mit denen ähnliche, bundesweite Maßnahmen mit Steuergeld unterboten werden.
Die mit fossilen Brennstoffen heizende Berliner Wählerschaft ließ dennoch nichts anbrennen: 70.000 Öl-Heizungen gibt es in Berlin, 7000 Anträge sind in zwei Wochen schon gestellt worden. Kaum online, gab es eine technische Störung, offenbar wegen der Masse an Zugriffen auf das Antragsformular.
Frustrierter Pelletlieferant
Dass es Verbraucherinnen und Verbraucher brennend interessiert, wie sie auch im Rest von Deutschland an die Entlastung kommen, merkt auch Peter Assmann. Er ist Geschäftsführer jenes Pelletlieferanten von Heribert Müller und muss zurzeit für die Bundesregierung in die Bresche springen. Unfreiwillig. Denn die Kunden fragen ihn, was Bundesregierung oder die Bundesländer (außer Berlin) nicht beantworten: Welche Rechnung zählt für einen Zuschuss? Wie den Vergleichspreis im Vorjahr recherchieren? Oder gibt es einen einheitlichen Referenzpreis wie in Berlin?
Es herrsche "eine totale Unzufriedenheit, ein totales Durcheinander", sagt Assmann. "Man hat es einfach vor Weihnachten so rausgerufen aus der Politik. Und wir sind jetzt diejenigen, die dazwischenstehen und versuchen müssen, das zu glätten, obwohl wir mit der Abwicklung überhaupt nichts zu tun haben."
Auch bei den Energieberatern der Verbraucherzentralen mehren sich seit Mitte Dezember die Anrufe zur Thematik. Die Antwort meist: vertrösten. Die Energiepreiskrise treffe viele Verbraucherinnen und Verbraucher hart, sagt Thomas Engelke, Leiter des Teams Energie und Bauen des Verbraucherzentrale-Bundesverbands. Er lobt die Finanzhilfen für Haushalte an sich. "Nun droht das Ganze aber zur Hängepartie zu werden. Es ist ärgerlich."
Streit über Zuständigkeiten
Warum ist zwei Monate nach Entscheidung noch nichts umgesetzt? Das Bundeswirtschaftsministerium verweist auf nötige Abstimmungen zwischen verschiedenen Ministerien und "hier jeweils eigenen Zuständigkeiten bei den unterschiedlichen Härtefallregelungen". Die Zuständigkeit für den Härtefallfonds werde innerhalb der Bundesregierung noch geklärt.
Ernüchternd für viele Haushalte dürfte sein, dass am Ende jener Hängepartie nicht unbedingt Geld winkt: Zehn Millionen Haushalte in Deutschland nutzen Heizöl oder Holzpellets. Gerade mal jeder fünfte werde vielleicht die staatliche Entlastung erhalten, schätzt Hans-Jürgen Funke vom Verband für Energiehandel Südwest-Mitte, der Interessenvertretung von mittelständischen Brennstoff- und Mineralölhändlern. Seine Begründung: "Die Hürden sind viel zu hoch gesetzt. Zu mehr als dem Doppelten Öl eingekauft zu haben, trifft nicht sehr viele."
Steuerzahlerbund kritisiert "Gießkanne"
Aus Sicht des Präsidenten des Bundes der Steuerzahler, Reiner Holznagel, hätte das Steuergeld anders verwendet werden sollen: "Es darf nicht vergessen werden, dass die Energiepreisbremsen und eine Vielzahl von Förderprogrammen enorme Kosten verursachen, die letztlich der Steuerzahler zu tragen hat." Da die Finanzierung des Wirtschaftsstabilisierungsfonds über Schulden am Bundeshaushalt vorbei erfolge, belaste die Politik künftige Generationen. "Statt mit der Gießkanne wäre es besser gewesen, wenn der Staat Bürgern und Betrieben in Not mit gezielten Maßnahmen helfen würde."
Vor zwei Monaten wurde die "Gießkanne" mit fast zwei Milliarden Euro gefüllt. Wann sie tatsächlich erstmals Geld ausschüttet über Heizöl-, Pellet- und Flüssiggashaushalte außerhalb Berlins, bleibt unklar. Die Antragsfrist für den Heizkostenzuschuss in der Hauptstadt endet am 30. Juni.