Milliardenmarkt TV-Geräte Lieber billig oder gut beraten?
Für neue Flachbildfernseher geben deutsche Verbraucher in diesem Jahr vier Milliarden Euro aus. Sie müssen sich entscheiden: Online-Schnäppchen, Kauf bei einer Elektronikkette oder Beratung im Fachgeschäft? Wozu Experten raten.
Die letzten Kartons werden gerade weggeräumt. Die Regale glänzen. Detlev Wielpütz präsentiert stolz seinen renovierten Elektrofachhandel in Hoffnungsthal. Das Hochwasser hatte den Laden zerstört. Jetzt kann er endlich seinen Kundinnen und Kunden Beratung im sanierten Laden im Ort anbieten. "Ich verkaufe hier nicht mit Umsatzdruck", sagt Wielpütz, der mit seiner Frau den Laden führt. "Ich schaue, bei welchem Fernseher der Kunde ein gutes Gefühl hat und welchen Geschmack er hat. Das ist manchmal auch eine Bauchsache und braucht Zeit."
Zeit und Fachwissen, die bei den Elektrogiganten nicht immer gegeben seien, sagt er über die Konkurrenz. Nicht immer ist aus seiner Sicht die Beratung in den großen Ketten punktgenau. "Wenn ich mit meiner Erfahrung die Verkaufsgespräche mitbekomme, muss ich manchmal schon lachen", sagt der 51-Jährige. Er spürt bei seinem Umsatz, dass viele Leute mehr und mehr im Internet kaufen.
Milliardenmarkt Fernsehgeräte
Eine aktuelle Umfrage des Branchenverbands BITKOM zeigt, dass in diesem Jahr 61 Prozent der Bundesbürger ihre Weihnachtsgeschenke ganz oder überwiegend im Internet einkaufen und nur 20 Prozent ganz oder vorrangig in Geschäften vor Ort. Generell geben mehr als 40 Prozent der Befragten an, infolge der Pandemie verstärkt online einzukaufen.
Der Markt für Unterhaltungselektronik ist dabei ein wichtiges Segment: Für das Gesamtjahr 2021 schätzt BITKOM den Umsatz mit Unterhaltungselektonik in Deutschland auf knapp neun Milliarden Euro - davon entfallen mehr als vier Milliarden Euro allein auf die Anschaffung neuer Flachbildfernseher.
Schon jetzt haben nach aktuellen Angaben des Statistischen Bundesamts rund 96 Prozent aller Haushalte in Deutschland mindestens ein Fernsehgerät - und 91 Prozent bereits einen Flachbildfernseher.
Warnung vor Fake-Shops
Das Milliardengeschäft teilen sich Fachgeschäfte mit großen Elektronikketten und Online-Händlern. Sie punkten dabei jeweils mit unterschiedlichen Stärken bei den Kunden.
Bei den günstigen Lockangeboten aus dem Internet könne er preislich nicht immer mitgehen, sagt Fachhändler Wielpütz. "Wenn Sie einfach nur den billigsten Fernseher wollen, dann gehen Sie zu den großen Ketten oder ins Netz. Für den passenden Fernseher lohnt sich immer der Gang zum Fachhändler."
Iwona Husemann von der Verbraucherzentrale NRW empfiehlt, sich vor dem Kauf schlau zu machen. "Letztendlich sollten sich Verbraucherinnen und Verbraucher informieren, welches Angebot für sie gut erreichbar ist und ob sie lieber den kleinen Laden vor Ort wählen oder eine große Kette", sagt Husemann. Allerdings warnt sie beim Kauf im Internet vor Fake-Shops. "Fake-Shops tauchen zwar nicht nur in der Vorweihnachtszeit auf, aber gerade in der Situation, in der einige Produkte knapp sind, erleben wir vermehrt Beschwerden über Fake-Shops", sagt sie. Vorsicht sei vor allem bei besonders günstigen Preisen, bei Zahlungen nur per Vorkasse und bei nicht vorhandenem Impressum geboten.
Raumbeleuchtung wichtig
Wer lieber ins Geschäft geht, sollte laut Stiftung Warentest beim Kauf vor Ort auf die Lichtstimmung achten. "Im Verkaufsraum ist es oft viel heller als zu Hause. Lassen Sie die Raumbeleuchtung - wenn möglich - herunterdrehen", so die Stiftung Warentest. Das gelte für Fachhändler wie auch für die großen Ketten.
"Die auf den Fernsehern gezeigten Filme sind speziell für die hochauflösenden Geräte produziert. Detailreiche Bilder der Serengeti und Models vor einer Urlaubskulisse sollen begeistern. Das ist ein Trick", warnen die Experten der Stiftung Warentest. "Bleiben Sie kritisch. Bitten Sie darum, TV-Bilder eines Nachrichtensenders einzuspielen. Ist das Bild hell genug, ohne dass Helligkeit und Kontrast auf Maximum stehen? Können Sie auch von der Seite noch farbkräftige Bilder sehen? Ist der Fernseher auf den Shop-Modus eingestellt?" Für Detlef Wielpütz auf Hoffnungsthal sind ehrliche Antworten auf diese Fragen selbstverständlich.
Ausführliche Beratung vor Ort
"Man braucht schon mindestens eine halbstündige Beratung bei den großen Produkten. Damit ich als Verkäufer verstehe, was der Kunde will und ihm den Fernseher ausführlich erklären kann", sagt der Fachhändler. "Die Produkte stehen hier im Laden, man kann bei uns über die Haptik gehen. Man kann testen und ausprobieren, was man beim Kauf per Online-Warenkorb nicht machen kann."
Die Verbraucherzentrale empfiehlt, beim Kauf auch auf den Energieverbrauch zu achten. "Gucken Sie auf den Stromverbrauch, nicht nur auf die Energieklasse, wenn Sie einen Fernseher kaufen. Dafür können Sie sich am EU-Label für TV-Geräte orientieren, das Neugeräte europaweit haben müssen."
"Man kann im Fachgeschäft testen und ausprobieren, was man beim Kauf per Online-Warenkorb nicht machen kann", sagt Fachhändler Detlev Wielpütz.
Es gibt viele Wege, zum neuen Fernsehgerät zu gelangen. Am Ende müssen die Kundinnen und Kunden entscheiden, ob es Beratung und Vertrauen braucht oder der Preis das entscheidende Kaufargument ist. "Unsere Installateure und Monteure, die wir als kleine Fachhändler rausschicken, um die Produkte auszuliefern und einzurichten, sind dieselben, die auch Produkte reparieren oder warten", sagt Wielpütz. "Das schafft Vertrauen und das schafft Bindung." Es gebe vor Ort Leute, die das Fachwissen zu schätzen wüssten. "Die kennen zwar den Internetpreis für einen Fernseher, aber gestatten mir auch einen kleinen Aufpreis, weil sie hier Beratung und Service bekommen."