Auswirkungen des Lokführer-Streiks Wie schlimm wird es für Reisende diesmal?
Ungewöhnlich kurzfristig setzt die GDL ihre Streikpläne um. Reisende müssen mit erheblichen Einschränkungen rechnen. Wie stark wird der Schienenverkehr gestört sein - und was können Bahn-Kunden jetzt tun?
Urlauber und Berufspendler müssen ab der Nacht zum Mittwoch wegen Streiks der Lokführergewerkschaft GDL bei der Deutschen Bahn mit Zugausfällen und Verspätungen rechnen. Es ist der erste Streik bei der Bahn seit Dezember 2018, als die konkurrierende Gewerkschaft EVG ihre Mitglieder zum Arbeitskampf aufrief. Weitaus härter verlief der GDL-Streik 2014 und 2015. Zwar ist die GDL deutlich kleiner als die EVG, vertritt aber rund 80 Prozent der DB-Lokführer.
Wie gravierend wird der jetzt angekündigte Ausstand?
Der diesmal ungewöhnlich kurzfristig angesetzte Ausstand soll für Personenzüge und die gesamte Infrastruktur der Bahn ab diesem Mittwoch, 2.00 Uhr gelten und am Freitag um 2.00 Uhr enden. Erfahrungsgemäß dürften sich die Einschränkungen aber bis weit in den Freitag hineinziehen. Das folgende Wochenende soll verschont bleiben, kündigte die GDL an.
Die Deutsche Bahn hat bereits Ersatzfahrpläne für den Nah- und Fernverkehr erstellt. Sie kündigte an, dass nur jeder vierte Fernzug fahren werde. Auch im Nahverkehr müsse mit Einschränkungen gerechnet werden. Das Unternehmen riet allen, "die nicht zwingend fahren müssen", ihre Reise wenn möglich zu verschieben.
Der aktualisierte Fahrplan soll ab heute Nachmittag auf der Website www.bahn.de zur Verfügung stehen. Die Bahn richtete zudem eine kostenlose Streikhotline unter 08000-996633 ein, die ebenfalls ab Nachmittag erreichbar sein soll.
Welche Verbindungen werden besonders betroffen sein?
Nach Möglichkeit bedient werden sollen vor allem stark frequentierte Strecken sowie Anbindungen an wichtige Bahnhöfe und Flughäfen, erklärte die Deutsche Bahn. Beim letzten GDL-Streik vor sechs Jahren konnte im Fernverkehr etwa ein Drittel der Züge fahren, vor allem auf den Hauptstrecken vom Ruhrgebiet nach Osten sowie von Hamburg nach Süden. Auch im Regionalverkehr und bei S-Bahnen fiel ein Großteil der Züge aus.
Der gestörte Betriebsablauf dürfte auch bei Konkurrenten der Deutschen Bahn zu Einschränkungen führen.
Droht eine neue lang andauernde Streikwelle?
Die GDL hat bereits ihre Entschlossenheit betont, "lange, lange Streiks" zu organisieren. "Wir haben aber nicht vor, das auszukosten", hieß es weiter. Weitere Streiks über den Freitag hinaus will die Gewerkschaft vom Verhalten der Arbeitgeberseite abhängig machen. Die Bahn hält eine Einigung über die "materiellen Forderungen für möglich" und rief die GDL zurück an den Verhandlungstisch. Detlef Neuß vom Fahrgastverband Pro Bahn hält je nach Fortgang der Verhandlungen weitere Ausstände "bis Mitte August" und darüber hinaus durchaus für denkbar.
Beim überaus harten Arbeitskampf der GDL und der Bahn in den Jahren 2014 und 2015 hatten die Lokführer in acht sich steigernden Wellen weite Teile des Streckennetzes lahmgelegt. Die Voraussetzungen für einen derart schweren Konflikt sind aber diesmal nicht gegeben. Durch die starken Einschränkungen in der Pandemie und zuletzt die Hochwasserkatastrophe ist die Bahn erkennbar angeschlagen. Nach einem horrenden Verlust im Corona-Jahr 2020 von fast sechs Milliarden Euro waren es im ersten Halbjahr 2021 immer noch 1,4 Milliarden.
Angesichts der aktuellen krisenbedingten Anspannung der Lieferketten würde eine ausgedehnte Streikwelle auch die konjunkturelle Lage ernsthaft bedrohen. Das setzt beide Tarifparteien unter zusätzlichen Einigungsdruck. Die Akzeptanz der Streiks in der Öffentlichkeit dürfte jedenfalls in der aktuellen Lage noch geringer sein als zuvor.
Welche Möglichkeiten haben Reisende?
Aus Kulanz hat die Bahn die Gültigkeit der Tickets des Streikzeitraums bis zum 20. August verlängert. Auch eine kostenfreie Erstattung der Zugtickets ist möglich, seit kurzem bietet die Bahn auch eine weniger langwierige Online-Abwicklung an. Zudem wurde die Zugbindung bei Sparpreisen für den Streikzeitraum aufgehoben.
Angesichts der weiterhin geltenden Abstandsregeln im Sitzbereich ist in den verbliebenen Zügen mit beengten Verhältnissen in den Stehbereichen zu rechnen. Detlef Neuß von Pro Bahn hält es für ausgeschlossen, dass unter diesen Bedingungen der Mindestabstand von 1,5 Metern in den Zügen eingehalten werden könne. Allerdings hätten Studien gezeigt, dass die Ansteckungsgefahr in Zügen begrenzt sei.
Betroffenen Fahrgästen rät Neuß, Fahrgemeinschaften zu bilden oder mit ihren Arbeitgebern über eine Home-Office-Lösung zu sprechen. Auch Fernbusse seien eine Alternative, die Kapazitäten seien so kurzfristig aber kaum auszuweiten.
Worum geht es in dem Tarifkonflikt?
Die GDL hatte die monatelangen Tarifgespräche bereits Anfang Juni für gescheitert erklärt. Die Gewerkschaft fordert eine Lohnerhöhung von 1,4 Prozent in diesem Jahr und 1,8 Prozent Anfang 2022 sowie eine aktuelle Corona-Beihilfe von 600 Euro. Die Bahn hatte zuletzt ebenfalls Lohnerhöhungen in zwei Schritten angeboten: 1,5 Prozent zum 1. Januar 2022 und 1,7 Prozent zum 1. März 2023, bei einer Laufzeit bis Ende Juni 2024.
Damit müssten die Bahnmitarbeiter angesichts einer Inflation von zuletzt 3,8 Prozent reale Einkommenseinbußen hinnehmen. Allerdings belasten die Milliardenverluste der Bahn den Staat und den Steuerzahler bereits erheblich.
Die wesentlich größere Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) hatte schon im vergangenen Herbst einen Tarifabschluss mit der Bahn unterschrieben. Dieses Jahr gab es eine Nullrunde. Anfang 2022 erhalten die Beschäftigten in den Bahnbetrieben, die mehrheitlich von EVG-Mitgliedern vertreten werden, 1,5 Prozent mehr Geld. Betriebsbedingte Kündigungen sind ausgeschlossen. Die GDL kritisiert diesen Tarifvertrag als "völlig unzureichend".
Neben dem Streit über die Löhne tobt im Konzern ein Machtkampf zwischen der GDL und der EVG, der sich zuletzt durch die Anwendung des Betriebseinheitsgesetzes verschärft hat.