Verhandlungen zu TTIP Kleine Schritte auf einem weiten Weg
Es wird verhandelt und verhandelt - doch so richtig voran kommt es mit konkreten Entscheidung zu TTIP nicht. Ein Überblick über die Knackpunkte und Lösungsvorschläge für das Freihandelsabkommen, über die in Brüssel diskutiert wurde.
Das Endspiel um TTIP hat begonnen, aber bis zum Schlusspfiff ist es noch ein weiter Weg. Auch die zwölfte Runde der Verhandlungen in Brüssel hat nur minimale Fortschritte gebracht. Insofern erscheint es fraglich, ob sich das ehrgeizige Ziel, bis zu den US-Präsidentschaftswahlen Ende des Jahres ein Abkommen vorzulegen, noch erreichen lässt.
Ignacio Garcia Bercero, der Verhandlungsführer für die EU, verbreitet trotzdem Optimismus: "Wir sind bereit, zu versuchen, die Verhandlungen 2016 abzuschließen. Vorausgesetzt, die Substanz stimmt. Damit das gelingt, müssen wir mehr Tempo machen und für die nötigen Impulse sorgen."
Immerhin hat man ein besonders heißes Eisen angepackt: Die Frage des sogenannten Investorenschutzes - kurz ISDS. Das klassische Modell privater Schiedsgerichte, vor denen Unternehmen unter Ausschluss der Öffentlichkeit Staaten verklagen können, stößt in Europa auf breiten Widerstand. "Investorenschutz ist ein hochkompliziertes Thema. Und das war das erste Mal, dass wir mit unseren amerikanischen Partnern unseren Vorschlag diskutieren konnten", sagt Bercero. Er setzt auf einen Kompromiss.
Investitionsgerichtshof - Chance oder Sackgasse?
Im Herbst hatte EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström einen ständigen Investitionsgerichtshof vorgeschlagen: mit hauptamtlichen Richtern, unabhängig ausgebildet und ausgewählt. Dieselben Elemente, so Malmström, die das Vertrauen der Bürger in nationale Gerichte garantieren, könnten auch Vertrauen in das neue System herstellen.
Während die Idee bei den meisten der 28 EU-Regierungen gut ankommt, ist die US-Seite wenig begeistert. Ihr Chefunterhändler Dan Mullaney wollte denn auch nur bestätigen, dass man den Plan prüfe und die Sorgen ernst nehme. Kenner der Materie, wie der Grüne Reinhard Bütikofer, sprechen jedoch von einer "Sackgasse".
Was den Hauptgegenstand der TTIP-Gespräche betrifft - den Abbau von Zöllen, Handelshemmnissen sowie die Schaffung gemeinsamer Industriestandards - scheint man zumindest auf einem guten Weg. Für die Mehrzahl der insgesamt 24 Verhandlungskapitel existieren inzwischen fertige Textentwürfe, das heißt, die Partner haben ihren jeweiligen Standpunkt schriftlich fixiert.
Auf vielen Gebieten, etwa beim Thema Gesundheit und Umwelt, beim Schutz regionaler Produkte oder bei gemeinsamen Normen im Maschinen- und Automobilbau ist eine Einigung aber noch nicht in Sicht. Mullaney will die Hoffnung dennoch nicht aufgeben: "Es gibt noch viel zu tun. Da machen wir uns keine Illusionen. Aber wenn wir uns weiter anstrengen und dran bleiben, können wir unser Ziel sicher erreichen."
Seit Juli 2013 verhandelt die EU mit den USA über eine "Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft" (TTIP). Mit rund 800 Millionen Verbrauchern würde so der weltgrößte Wirtschaftsraum entstehen. Durch den Wegfall von Zöllen und sogenannten nicht-tarifären Handelshemmnissen - etwa technischen Standards und Zulassungsvorschriften - soll TTIP mehr Wachstum und neue Jobs schaffen. Täglich werden zwischen Europa und den USA Waren und Dienstleistungen im Wert von zwei Milliarden Euro gehandelt.
Umwelt- und Verbraucherschützer, Sozialverbände und Gewerkschaften befürchten eine Angleichung der Standards auf geringerem Niveau. Sie kritisieren zudem, dass die Verhandlungen zwischen Brüssel und Washington im Geheimen stattfinden. Umstritten sind auch Schutzklauseln für Konzerne und die Rolle von privaten Schiedsgerichte.
Spekulationen über "abgespeckte" TTIP-Variante
Retten könnte die Verhandlungen womöglich eine Art "TTIP light" - eine Idee, über die in Brüssel heftig spekuliert wird. Danach könnte man die Vereinbarung deutlich abspecken und kontroverse Themen, wie den Investorenschutz oder die Vergabe öffentlicher Aufträge, einfach ausklammern.
Besser wenig als nichts - Kritiker, wie der Chef des Industrieverbands, Ulrich Grillo, können dieser Logik nicht folgen. Sie warnen vor einem schweren Prestigeverlust für Europa und stellen den Nutzen für Wirtschaft und Verbraucher infrage. Auch die Unterhändler aus Brüssel und Washington lehnen ein solches "TTIP light" ab. Sie wollen sich noch zwei Runden Zeit geben, bevor sie im Juli Bilanz ziehen. Spätestens im Herbst, heißt es, gehe es dann ans Kleingedruckte.