Hilfe für die Industrie Kritik an Gaspreis-Subventionen
Der hohe Gaspreis bereitet Verbrauchern und auch der Wirtschaft Probleme. Die Bundesregierung will der Industrie deshalb finanziell unter die Arme greifen. Doch Fachleute sehen den Plan mit Sorge.
Keine Frage: Die hohen Gaspreise erhöhen den Druck. Einerseits den Druck auf den Geldbeutel von Verbraucherinnen und Verbrauchern - andererseits den Druck auf die Industrie. Manche Unternehmen haben ihre Produktion deshalb in den vergangenen Wochen schon deutlich heruntergefahren.
Langfristig könnten die hohen Gaspreise ein Killer sein, befürchtet Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck: "Es gibt bestimmte Unternehmen und Branchen, die diese Zeit nicht überstehen werden, wenn wir ihnen nicht Hilfen zur Verfügung stellen."
Sinkender Anreiz für sparsamen Gasverbrauch
Eben solche Hilfen hat Habeck deshalb vorige Woche angekündigt. Kredite, Bürgschaften, aber auch staatliche Zuschüsse in Milliardenhöhe für Unternehmen, die viel Gas verwenden: für Hersteller von Glas, Stahl oder Kunstdünger zum Beispiel. Der Staat will den Preisdruck auf die Industrie dämpfen.
Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm ist nicht grundsätzlich gegen staatliche Hilfen. Aber das aktuelle Konzept hält sie für eine schlechte Idee. "Dadurch sinkt natürlich der Anreiz, Energie einzusparen. Und im Endeffekt hält man so den Gaspreis an den Börsen hoch und man füllt zugleich noch Putins Kriegskasse, weil dann mehr über das Gas eingenommen wird", kritisiert Grimm.
Der Bundeswirtschaftsminister verteidigt den Plan der Regierung. Für Zuschüsse gebe es hohe Hürden, kein Unternehmen mache etwa freiwillig Verluste, nur um an Staatshilfen zu kommen. "Zu sagen, da ist ein Anreiz für höheren Energieverbrauch, ist vergleichsweise wirklichkeitsfremd", sagt Habeck.
Forderung nach vorausschauender Sparsamkeit
Die Wirtschaftsweise Grimm überzeugt das nicht. Und auch Gas-Experte Georg Zachmann von der europäischen Denkfabrik Bruegel sagt: "Diese Zahlungen werden getroffen abhängig davon, wie viel die Unternehmen verbrauchen. Also Unternehmen, die besonders viel verbrauchen, werden besonders viel Geld bekommen. Wenn das keine Subvention für Gasverbrauch ist, dann weiß ich nicht, was es ist."
Zachmann hat früh durchgerechnet, was das Szenario eines russischen Gas-Stopps für Europa bedeuten würde. Er fordert, dass die deutsche Industrie schon jetzt im Frühjahr und Sommer weiter Gas einspart, damit für die Heizsaison ab Herbst schon mal mehr in den Speichern liegt und Deutschland gewappnet ist für den Fall, dass Putin den Gashahn zudreht. "Das prioritäre Ziel muss sein, im Herbst unabhängig von russischem Gas zu sein, damit Putin Deutschland nicht erpressen kann, seine Unterstützung der Ukraine in einem kritischen Moment zurückzunehmen."
Warnung vor wachsender Erpressungsgefahr
Eben diese Erpressungsgefahr aber könnte durch den Kurs der deutschen Regierung noch einmal wachsen, fürchtet Zachmann. Denn die Solidarität unter den EU-Staaten könne zerbrechen, wenn Deutschland seinen gashungrigen Unternehmen jetzt Zuschüsse zahlt und anderen dadurch das Gas vor der Nase wegkaufen kann.
"Die anderen Länder mögen sich das möglicherweise nicht leisten", erklärt Zachmann, "deswegen müssen die dann ihre Industrie zumachen." Das werde dafür sorgen, dass der europäische Unmut über die eigensinnige deutsche Politik noch weiter steigt. "Dann könnte der europäische Gasmarkt in sich zusammenbrechen. Die Länder würden möglicherweise die Gasflüsse zwischen einander stoppen."
Das könnte im schlimmsten Fall heißen: Die Niederlande etwa leiten kein Gas mehr Richtung Deutschland weiter. Dann wäre Deutschland noch abhängiger von russischen Lieferungen und noch mehr erpressbar durch die russische Drohung, das Gas abzustellen.