Start-ups in Deutschland Jeder fünfte Gründer hat Migrationshintergrund
BioNTech ist das bekannteste Beispiel: Mit einem Anteil von gut 20 Prozent sind Menschen mit Migrationshintergrund eine treibende Kraft der deutschen Start-up-Szene - trotz Problemen beim Kapitalzugang.
In den vergangenen Jahren wurden in Deutschland immer mehr Unternehmen von Menschen mit Migrationshintergrund gegründet. Ein prominentes Beispiel für diese Entwicklung ist der Mainzer Impfstoffhersteller BioNTech. Aber auch zahlreiche andere Start-ups wie das Gebrauchtwagenportal Auto1, der Essensauslieferer Delivery Hero oder das Netzwerk ResearchGate wurden von Gründerinnen und Gründern mit ausländischen Wurzeln aufgebaut.
Wie aus einer Sonderauswertung des Deutschen Start-up-Monitors hervorgeht, wurde zuletzt jedes fünfte Start-up in Deutschland von Migranten der ersten oder zweiten Generation gegründet. Der "Migrant Founders Monitor" des Bundesverbands Deutscher Start-ups und der Friedrich-Naumann-Stiftung hat sich dazu knapp 2000 Start-ups angeschaut, von denen 354 von Menschen aus Familien mit Einwanderungsgeschichte gegründet wurden.
Zu mehr Risiken bereit
Die Studie bescheinigt diesen Menschen neben einer guten Ausbildung das für Gründer notwendige "unternehmerische Mindset". Sie seien bereit, Risiken einzugehen und "groß zu denken". Diese Impulse seien entscheidend, wenn es darum gehe, zunehmend größere Unternehmen aus dem Start-up-Sektor zu entwickeln, schreiben die Autoren der Studie.
Demnach bringen vor allem im Ausland geborene Gründer öfter einen Uni-Abschluss mit als der Durchschnitt. Fast jeder Dritte strebt den Verkauf des Start-ups für mindestens 100 Millionen Euro an - im Schnitt planen das nur rund 20 Prozent. Und der hohe Anteil an Gründern mit Migrationserfahrung in der Frühphase des Unternehmensaufbaus spreche für eine aktuell hohe Dynamik, heißt es.
Keine Notgründungen mehr
"Existenzgründungen von Migranten und Migrantinnen waren in der Vergangenheit oft Notgründungen, weil sie schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt hatten und immer noch haben. Heute sind Existenzgründungen aber in der Regel Chancengründungen, überwiegend von Menschen mit einem akademischen Abschluss", erklärt Gonca Türkeli-Dehnert, Geschäftsführerin der Deutschlandstiftung Integration.
Da ist zum Beispiel Naren Shaam. Er kommt aus Indien und gründete 2012 in Berlin die Reiseplattform Omio. Den Befund der Studie, dass Gründer mit Migrationshintergrund eher risikobereit seien als jene aus Familien ohne Einwanderungsgeschichte, erklärt er mit dem sozialen Sicherheitsnetz in Deutschland. Das sei andernorts, wie etwa in Indien, nicht selbstverständlich und nur den Reichen vorbehalten. "Risiken einzugehen, ist also Teil der Kultur", sagt er. Im vergangenen Sommer sammelte Omio nach eigenen Angaben 100 Millionen Dollar frisches Kapital ein.
Finanzierung bleibt eine Hürde
Tatsächlich erweist sich der Zugang zur Finanzierung als eine große Hürde. So erhielten Gründer mit Migrationshintergrund im Mittel 1,1 Millionen Euro externes Kapital, bezogen auf alle Gründer lag dieser Durchschnittswert bei 2,6 Millionen Euro. "Hier zeigen sich strukturelle und kulturelle Barrieren innerhalb wie außerhalb der Start-up-Szene", so die Autoren der Studie.
Die Start-up-Studie nennt auch bürokratische und sprachliche Hürden als große Herausforderung für Gründer mit ausländischen Wurzeln. Und die durchschnittliche Mitarbeiterzahl liegt mit 10,2 unter dem Durchschnitt von 14,3. Vielen fehlt offenbar auch ein nötiges Netzwerk.
"Migrant Founders sollten bei der Vernetzung, etwa mit Wissenschaftseinrichtungen, mehr Unterstützung erhalten", sagt Karl-Heinz Paqué, Vorstandsvorsitzender der Friedrich-Naumann-Stiftung. Hier sei eine klare Lücke erkennbar. Auch ein Abbau von bürokratischen Hürden könne helfen, zumal es bei Gründern und Gründerinnen der ersten Generation nicht selten sprachliche Barrieren gebe.