Ein Zugbegleiter zusammen mit zwei Mitarbeitern des Präventionsteams vor einem ICE im Leipziger Bahnhof.
Interview

Maskenpflicht in der Bahn "Den Zugbegleitern fehlen die Druckmittel"

Stand: 01.09.2020 17:19 Uhr

In den Zügen der Deutschen Bahn soll die Einhaltung der Maskenpflicht jetzt schärfer kontrolliert werden. Doch das Personal könne das kaum durchsetzen, sagt GdL-Chef Weselsky. Die Bahn lasse die Mitarbeiter mit dem Problem allein.

tagesschau.de: Die Bahn will die Maskenpflicht künftig schärfer kontrollieren. Wer dagegen verstößt, soll nicht mehr befördert werden und am nächsten Halt aussteigen müssen. Wie will die Bahn das umsetzen und was ist davon bislang tatsächlich umgesetzt worden?  

Claus Weselsky: Die Bahn hat angekündigt, Sicherheitspersonal zu engagieren, das die Maskenpflicht durchsetzen soll. Das ist der richtige Ansatz. Aber bislang bekommen die Kolleginnen und Kollegen in den Zügen davon nicht viel mit. Die Entlastung ist noch nicht zu spüren.  

Claus Weselsky,GdL
Claus Weselsky
Claus Weselsky ist Vorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) und stellvertretender Bundesvorsitzender des dbb beamtenbund und tarifunion. Mitglied der GDL ist er sei Anfang der 1990er-Jahre, den Vorsitz übernahm er im Jahr 2008. In Tarifkonflikten gilt Weselsky als harter Verhandlungspartner. Im Jahr 2015 bescherte er der Deutschen Bahn den längsten Streik der Unternehmensgeschichte. Sein Führungsstil brachte ihm mediale, aber auch gewerkschaftsinterne Kritik ein. 2017 wurde Weselsky als GDL-Chef mit großer Mehrheit wiedergewählt.

"Mit Corona ist die Spannung noch gestiegen"

tagesschau.de: Was berichten Ihre Kolleginnen und Kollegen aus dem Alltag - funktioniert die Durchsetzung der Maskenpflicht in den Zügen?  

Weselsky: Nein, nicht wirklich. Da tauchen Leute mit Dokumenten auf, irgendwelche Bescheide, die sie angeblich vom Maskenzwang befreien. Die kann sich jeder im Internet runterladen und ausdrucken. Aber das können unsere Zugbegleiter im Einzelfall nicht überprüfen. Und dann gibt es die notorischen Maskenverweigerer. Leute, die ihre Maske nur aufsetzen, wenn Zugpersonal in Sicht ist. Die anderen Fahrgäste beschweren sich, fordern uns auf, doch bitte die Maskenpflicht durchzusetzen. Aber wenn die Leute immer erst dann die Maske aufsetzen, sobald wir um die Ecke kommen - da kann ich als Zugbegleiter einfach nichts machen.    

tagesschau.de: Die Bahn klagt seit Jahren über zunehmende Gewalt gegen ihr Personal. Im vergangenen Jahr registrierte sie 2558 Übergriffe auf Zugbegleiter und andere Mitarbeiter. Was bedeutet es für die Kollegen, wenn sie jetzt die Corona-Maßnahmen durchsetzen sollen?  

Weselsky: Die Situation war in der Tat schon vorher besorgniserregend. Und jetzt mit Corona ist die Spannung noch gestiegen: einerseits die Spannung zwischen Fahrgästen und Personal, aber auch zwischen den verschiedenen Fahrgastgruppen. Wenn die Menschen sich ein Ticket kaufen und in den Zug steigen, dann erwarten sie zu recht, dass sie sicher reisen können. Und wenn einem dann ein Maskenverweigerer gegenübersitzt, dann entstehen Konflikte, die das Zugpersonal nicht einfach lösen kann. Uns fehlen da die Druckmittel. Wir bräuchten zusätzliches Personal, das die Züge systematisch bestreift und damit ein klares Signal sendet.    

"Der Weg geht nur über geschultes zusätzliches Personal"

tagesschau.de: Jetzt planen Bund und Länder, für Maskenverweigerer zudem ein Bußgeld zu erheben. Auch diese Aufgabe wird in den Zügen wohl das Bahnpersonal übernehmen müssen. Versucht der Staat hier, Polizeiaufgaben auf Zugbegleiter abzuwälzen?  

Weselsky: Natürlich. Trotzdem können wir jetzt nicht einfach nach der Bundespolizei rufen. Die sind ja auch heillos unterbesetzt. Nein, der Weg geht nur über entsprechend geschultes zusätzliches Personal. Außerdem fordern wir seit langem, dass die Maskenpflicht in die Beförderungsbedingungen aufgenommen wird. Das würde bedeuten, dass der rechtmäßige Erwerb eines Tickets an das Tragen einer Maske geknüpft ist. Wer ohne Maske reist, hätte dann seinen Fahrschein verwirkt. Aber bislang stellt die Bahn sich da quer.  

tagesschau.de: Fühlen Sie sich von der Bahn im Stich gelassen?  

Weselsky: Ja, klar. Die Führungskräfte sitzen im Homeoffice und entwickeln weitere Kopfgeburten. Und die Leute tragen draußen ihre Haut zu Markte, indem sie den Eisenbahnverkehr aufrechthalten und erleben, wie ihnen immer wieder neue Aufgaben aufgedrückt werden. Ich wünschte, die Führungskräfte würden nur einmal rausgehen und erleben, was zurzeit in den Zügen passiert, unter welchem Druck die Kolleginnen und Kollegen da jeden Tag arbeiten.   

Das Interview führte Benjamin Moscovici  für tagesschau.de

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 1. September 2020 um 20:00 Uhr.