"Project Everest" Wirtschaftsprüfer EY stoppt Aufspaltung
Der Wirtschaftsprüfungskonzern EY hat die geplante Abspaltung des Beratungsgeschäfts gestoppt. Offenbar waren die internen Widerstände gegen das Projekt zu groß - vor allem in den Vereinigten Staaten.
Die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft EY spaltet sich nun doch nicht auf. Der Konzern gab gestern bekannt, dass das sogenannte "Project Everest", in das nach Informationen der "Financial Times" bereits mehr als 100 Millionen Dollar geflossen sind, abgeblasen wurde.
Geplant war eigentlich, dass die 13.000 Partner des früher als Ernst & Young bekannten Konzerns im April über die Abtrennung des lukrativen Beratungsgeschäfts abstimmen sollten. Es sollte anschließend an die Börse gebracht werden. Noch Mitte Februar hatte ein Mitglied der Unternehmensführung der Nachrichtenagentur Reuters gesagt, es werde eine "riesige Zustimmung" zu "Project Everest" erwartet. Die Partner, die an EY beteiligt sind, hätten in der Folge Millionenerlöse erwarten können.
EY ist ein global operierendes Netzwerk rechtlich selbstständiger und unabhängiger Unternehmen, die in den Bereichen Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung, Transaktionsberatung, Risk Advisory, Financial Advisory sowie Unternehmens- beziehungsweise Managementberatung und klassische Rechtsberatung tätig sind.
Mit seinen mehr als 365.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von 45,4 Milliarden Dollar im Jahr 2022 gehört EY zu den sogenannten "Big Four" der Wirtschaftsprüfer - neben KPMG, Deloitte und PwC. Die Gesellschaften prüfen große, internationale Konzerne und beraten Unternehmen ebenso wie viele Regierungen und staatliche Institutionen.
US-Einheit stellte sich gegen Aufspaltung
Doch offenbar waren die internen Widerstände gegen die Aufspaltung zu groß. In einer Notiz des 18-köpfigen globalen Führungsteams von EY, die der "Financial Times" vorliegt, heißt es: "Wir wurden darüber informiert, dass das US-Exekutivkomitee beschlossen hat, das Design des Everest-Projekts nicht voranzutreiben. Angesichts der strategischen Bedeutung der US-Mitgliedsfirma für das Projekt Everest stellen wir die Arbeit an dem Projekt ein." In den USA erwirtschaftet EY 40 Prozent der weltweiten Erlöse.
Die Geschäftseinheit in den Vereinigten Staaten ist die größte Landesgesellschaft von EY. Dort war man offenbar besorgt, dass die Abspaltung des lukrativen Steuerberatungsgeschäfts mehr Schaden als Nutzen bringen würde. Die US-Einheit fürchtete demnach um ihre Wettbewerbsfähigkeit
Warnung vor Interessenkonflikten
Mit der im September angekündigten Abspaltung wollte EY mit Sitz in London den Forderungen vieler Aufsichtsbehörden entgegenkommen. Als problematisch gelten mögliche Interessenkonflikte, wenn Wirtschaftsprüfer die von ihnen geprüften Unternehmen zugleich beraten. Das brisanteste Beispiel dafür in den vergangenen Jahren dürfte der Fall Wirecard in Deutschland gewesen sein.
Dass die Aufspaltung nun in ihrer bereits geplanten Form gescheitert ist, wirft auch Fragen zur Zukunft von EY-Chef Carmine Di Sibio auf: Er hatte die Umstrukturierung des Konzerns vorangetrieben und sollte offenbar das Beratungsgeschäft nach der Trennung leiten. Der Nachrichtenagentur Reuters sagte ein Insider, dass es ohne einen Neuanfang an der Spitze keinen neuen Anlauf für die Aufspaltung geben könne, an der die meisten Partner weiterhin interessiert seien.