Energieversorgung in Europa Es droht die Verknappung

Stand: 01.03.2022 05:00 Uhr

In Brüssel wächst die Sorge um die europäische Energieversorgung. Dass Russland weiter Öl und Gas liefert, ist längst nicht sicher. Und mit Erneuerbaren lässt sich die Lücke noch nicht füllen.

Es ist kein Geheimnis, und es bemüht sich auch niemand mehr, darum herum zu reden in Brüssel: Der Anstieg der Energiepreise wird erst einmal nicht aufzuhalten sein.

Und nicht nur das: Wenn der Krieg um die Ukraine weiter eskaliert, droht der EU ein Szenario, in dem Gas und Öl tatsächlich knapp werden könnten. Dann nämlich, wenn Russlands Präsident Wladimir Putin die Sanktionen aus Europa nicht einfach hinnehmen will und die Gaslieferungen doch einstellt, zumindest drastisch reduziert.

Ein wahrscheinliches oder unwahrscheinliches Szenario - in Brüssel hat man dazu unterschiedliche Ansichten. Ausschließen will das aber niemand. EU-Energiekommissarin Kadri Simson betont zwar die Stabilität der europäischen Energieversorgung - doch dann fügt sie noch mit einem deutlichen Zögern hinzu: Das sei einer guten Infrastruktur und einem stabilen Angebot an Energie zu verdanken.

Oliver Krischer, Bündnis90/Die Grünen, zu den Auswirkungen des Krieges auf die deutsche Energiepolitik

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Kosten dürften weiter steigen

Auf die russischen Gaslieferungen verzichten zu müssen, wäre ihren Worten zufolge ein harter Schlag, aber: Zu bewältigen. Die EU-Kommission spricht viel von einer so genannten Tool-Box, mit der die Mitgliedsstaaten dafür sorgen könnten, dass die Bevölkerung auch weiterhin ihre Energierechnung bezahlen könne - durch Ausgleichszahlungen oder Steuersenkungen, da sei vieles möglich.

Und doch: Das kostet viel staatliches Geld - und die Kosten dürften auf jeden Fall weiter steigen, auch wenn die Gaspipelines aus Russland nicht abgedreht werden.

Der deutsche Wirtschafts- und Energieminister Robert Habeck hat deshalb auch eine klare Botschaft, wie man die Situation entschärfen kann: "Indem wir den Verbrauch von fossilen Energien deutlich reduzieren, das heißt: dass wir auch radikale Maßnahmen ergreifen. Ich würde sagen: Der Einbau von neuen Gasheizungen in dieser Situation ist politisch falsch und nicht mehr zu verantworten", so Habeck.

Umstrittenes Fracking-Gas

Die EU plant zwar, möglicherweise ausfallende russische Gaslieferungen zu ersetzen - etwa durch stärkere Importe aus Norwegen oder mehr Flüssig-Erdgas, das per Tankschiff aus den USA oder der arabischen Welt kommt. Doch zum einen gibt es noch nicht genug Häfen, an denen dieses LNG-Gas abgeladen werden kann, zum anderen wird es zumindest in den USA mit dem ökologisch höchst umstrittenen Fracking-Verfahren gewonnen.

"Fracking-Gas aus den USA ist dreckig, aber der Krieg in der Ukraine ist viel, viel dreckiger", sagt der CDU-Europaparlamentarier Peter Liese - der wie Robert Habeck auch für ein jetzt noch schnelleres Umsteuern hin zu erneuerbaren Energieträgern plädiert. Etwas, was man in Brüssel in diesen Tagen von allen politischen Seiten hört.

"Pullover anziehen und Heizung etwas runter drehen"

Und doch etwas, von dem jeder weiß: Es wird bis dahin noch Jahre dauern - und in dieser durch den Krieg verursachten Krise nicht wirklich helfen. "Ich glaube, wir können jetzt doch alle einen Beitrag leisten: Jeder von uns muss sich nochmal kritisch prüfen, ob man nicht doch einen Pullover anziehen und die Heizung etwas runter drehen kann - und ob man mit dem Zug fährt statt mit dem eigenen Auto", meint Peter Liese.

Ohnehin sei das eine gute Idee, weil der russische Staat mit dem Verbrennen fossiler Energieträger in Europa den Krieg gegen die Ukraine finanziere. Denn aus der EU würden Jahr für Jahr rund 60 Milliarden Euro für Gas und Öl nach Russland überwiesen. Das sei weniger als der gesamte russische Rüstungsetat. Energiesparen also als Mittel gegen den Krieg und Weg, sich schon einmal einzustellen: Auf eine drohende Verknappung.

Holger Beckmann, Holger Beckmann, ARD Brüssel, 01.03.2022 06:13 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 01. März 2022 um 07:22 Uhr.