Tarifstreit von EVG und Bahn Ultimatum der Gewerkschaft abgelaufen
Die Gewerkschaft EVG hatte die Deutsche Bahn aufgefordert, bis zum Mittag ein neues Angebot vorzulegen. Dieses Ultimatum ist nun abgelaufen. Die Zeichen stehen damit weiter auf Streik.
Das von der EVG gestellte Ultimatum ist abgelaufen. Im Tarifstreit mit der Deutschen Bahn hatte die Gewerkschaft bis 12 Uhr ein neues Angebot der Arbeitgeberseite gefordert. Andernfalls bleibe es beim angekündigten Warnstreik. "Die Chance, den Warnstreik abzusagen, ist augenblicklich vertan", hatte es von der Gewerkschaft geheißen.
"Wir waren zu Kompromissen bereit, um den angekündigten Warnstreik auszusetzen und in die Verhandlungen einzutreten. Die DB AG setzt stattdessen lieber auf Spaltung und nimmt dafür die Fahrgäste in Geiselhaft", so die EVG zu ihrer Entscheidung, an den Streiks festzuhalten.
Die Bahn hingegen teilte mit, dass sie "bis zur letzten Minute alles versucht" habe, den Streik noch abzuwenden. "Wir sind nochmal auf die EVG zugegangen und haben bekräftigt, dass es am Thema Mindestlohn nicht scheitern wird. Wir wollen eine Lösung", sagte DB-Personalvorstand Martin Seiler.
Arbeitgeberseite macht "Rückzieher"
EVG-Verhandlungsführer Kristian Loroch hatte in der Nacht auf Freitag gesagt, das Angebot der Bahn sei ein "Scheinangebot". "Der Arbeitgeber hat am Ende nach langwierigen Gesprächen eine Lösungsoption auf den Tisch gelegt, die für uns diskussionswürdig war. Nachdem wir angefangen haben, diese zu diskutieren, hat er dann einen Rückzieher gemacht."
Die bisherigen Zusagen für eine Festlegung des Mindestlohns von zwölf Euro in den Entgelttabellen hatten der Gewerkschaft nicht ausgereicht. Nach Darstellung von Loroch war man am Donnerstag jedoch in Gesprächen schon sehr weit gekommen. So sollten Lohnerhöhungen auf Tarifen von etwa 13 Euro aufsetzen und dann dauerhaft verankert werden. Dann habe die Arbeitgeberseite jedoch entschieden, die letzten Schritte doch nicht zu gehen.
Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft hatte die Beschäftigten am Donnerstag zu einem Ausstand aufgerufen, der von Sonntagabend um 22.00 Uhr bis Dienstagnacht um 24.00 Uhr dauern soll. In dieser Zeit blieben sämtliche ICE- und IC-Züge in den Depots, teilte der Konzern mit. Auch im Regionalverkehr werde "während des Streiks größtenteils kein Zug fahren".
Bereits der dritte Warnstreik
Bereits Ende März hatte die EVG gemeinsam mit der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di den Verkehr in Deutschland weitgehend lahmgelegt. Ende April legte die EVG mit einem achtstündigen Warnstreik nach. Die Gewerkschaft verhandelt für etwa 230.000 Beschäftigte.
Die Deutsche Bahn will sich am Abschluss des öffentlichen Dienstes orientieren. Die Gewerkschaft fordert in den Gesprächen mit der Branche unter anderem zwölf Prozent mehr Lohn, mindestens aber 650 Euro mehr im Monat - und zwar bei einer Laufzeit von zwölf Monaten.
Vorher will sie in den Verhandlungen mit der Bahn aber entscheidende Fragen zum Mindestlohn geklärt wissen. Etwa 2000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der DB erhalten diesen bislang nur über Zulagen, weil der Mindestlohn in den vergangenen Jahren schneller gestiegen ist als die Tariftabellen. Die EVG möchte den gesetzlichen Mindestlohn von zwölf Euro in die Tabellen aufnehmen, bevor sie über weitere Tariferhöhungen verhandelt.
Bahn will mehr als doppelt so lange Laufzeit
Die Offerte des Staatskonzerns umfasst insgesamt rund zehn Prozent mehr Lohn für untere und mittlere Einkommen, acht Prozent mehr Geld für höhere Einkommen sowie zusätzlich 2850 Euro Inflationsausgleichsprämie für alle. Bei der Laufzeit hat der Konzern völlig andere Vorstellungen als die EVG. Die Deutsche Bahn peilt eine mehr als doppelt so lange Laufzeit von 27 Monaten an.
Erst im März 2024 soll demnach die erste Stufe der Lohnerhöhungen in den Tabellen greifen. Bis dahin soll über mehrere Monate der angebotene Inflationsausgleich ausgezahlt werden. Zuletzt kam die Bahn der EVG zwar bei der Verankerung des Mindestlohns in den Tariftabellen entgegen, die Gewerkschaft hält dies aber für unzureichend.
Der Druck der EVG ist zudem hoch, weil es in der Corona-Zeit einen Pakt zwischen der Gewerkschaft und der Deutschen Bahn gegeben hatte: Die EVG-Mitglieder erhielten Kündigungsschutz, verzichteten im Gegenzug aber auf eine Lohnerhöhung. Für Unmut sorgte in den vergangenen Monaten auch ein Bericht des "Business Insider". Demnach hatte die Deutsche Bahn die Grundgehälter ihrer Manager zu Januar 2023 um bis zu 14 Prozent angehoben.
Verwirrung über Gültigkeit der Tickets
Unklarheit herrschte zunächst darüber, welche Rechte Bahnfahrerinnen und -fahrer haben, die für den Zeitraum des Streiks Zugtickets für den Fernverkehr gebucht haben. Zunächst hatte Bahn-Sprecher Achim Stauß gesagt, es gebe keine Möglichkeit, diese Fahrkarten an den Tagen nach dem Warnstreik zu nutzen. Grund sei, dass es für diese Tage ohnehin schon sehr viele Buchungen gebe. Allein für den kommenden Mittwoch seien es eine halbe Million.
Auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa sagte ein Sprecher nun aber, die Fahrkarten seien doch für die Tage nach dem Ausstand gültig - auch über Himmelfahrt. Das sähen die Fahrgastrechte ausdrücklich vor. Demnach behalten Tickets, die für Fahrten zwischen Sonntagabend, 22 Uhr, und Dienstagnacht, 24 Uhr, gebucht wurden, "für einige Zeit" ihre Gültigkeit. Die Bahn rät aufgrund der vielen Buchungen aber davon ab, die Tickets über Himmelfahrt zu nutzen.
Klar ist, dass Betroffene mit ihren Fahrkarten bis Sonntagabend, also bis Streikbeginn, flexibel fahren können.