Zweifel an offiziellen Zahlen Inflation in der Türkei erneut gesunken
Noch immer liegt die Teuerung in der Türkei bei über 64 Prozent. Doch seit ihrem 24-Jahres-Hoch im Oktober ist sie nun das zweite Mal in Folge gefallen. Grund ist aus Sicht von Experten ein statistischer Effekt.
In der Türkei hat sich die vergleichsweise hohe Inflation erneut abgeschwächt. Die Verbraucherpreise stiegen im Dezember im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 64,3 Prozent, wie das Statistikamt mitteilte. Im Vormonat lag die Teuerung bei 84,4 Prozent, nachdem sie im Oktober 85,5 Prozent betragen hatte. Auf Monatssicht stiegen die Verbraucherpreise im Dezember um 1,2 Prozent.
Seit Mai 2021 war die Inflation in der Türkei Monat für Monat kontinuierlich auf immer neue Rekordwerte angestiegen. Im vergangenen Oktober erreichte sie den höchsten Stand seit 24 Jahren. Im November dann schwächte sich der Anstieg den offiziellen Angaben zufolge erstmals wieder ab. Unabhängige Experten bezweifeln allerdings die offiziellen Zahlen. Sie gehen im Dezember von einer Teuerung um 137,5 Prozent im Vorjahresvergleich aus. Für November hatten sie sogar 170,7 Prozent berechnet.
Mehrere Faktoren ausschlaggebend
Die Inflation in der Türkei wird durch mehrere Faktoren getrieben. Dass die Teuerung nun zurückgegangen ist, erklären Experten mit sogenannten Basiseffekten. Im vergangenen Dezember war der Vergleichswert sehr hoch gewesen. Ende 2021 kam es zu einem Kurseinbruch der türkischen Lira, was einen starken Anstieg der Teuerungsrate zur Folge hatte. Innerhalb eines Jahres wertete sie rund 30 Prozent zum US-Dollar ab. Die schwache Landeswährung hatte den Preisauftrieb befeuert, da sie importierte Güter verteuerte. Hinzu kamen gestiegene Energiepreise und Probleme in den Lieferketten, die viele Vorprodukte teurer machten.
Die Zentralbank des Landes stemmt sich im Gegensatz zu vielen anderen Notenbanken nicht mit Zinsanhebungen gegen die hohe Inflation. Vielmehr hat sie den Leitzins gesenkt; zuletzt im November von 10,5 auf neun Prozent. Bei vielen Experten sorgt das umstrittene Vorgehen der türkischen Zentralbank für Kopfschütteln. Staatschef Recep Tayyip Erdogan ist grundsätzlich ein Gegner hoher Zinsen, die die Inflation nach gängiger Meinung von Ökonomen abkühlen könnten. Die Zentralbank senkte 2022 insgesamt vier Mal die Leitzinsen. Zum Ende Dezember hingegen beließ es die Notenbank in der Türkei dabei und senkte den Leitzins nicht noch weiter.
Einstellige Inflation 2024?
Erdogan, der im Juni wiedergewählt werden möchte, legt sein Augenmerk vor allem auf Wachstum und Beschäftigung anstatt auf Preisstabilität. Er geht davon aus, dass die Türkei das Problem der Inflation im kommenden Jahr "überwunden" haben wird. Vergangene Woche sagte er, Ziel sei ein einstelliger Wert im Jahr 2024. Die Zentralbank geht von gut 22 Prozent Inflation im kommenden Jahr aus.
Um die Folgen der starken Teuerung abzumildern, stieg zu Beginn des neuen Jahres der Mindestlohn um 55 Prozent auf 8500 Lira (rund 430 Euro). Es war die dritte Anhebung binnen eines Jahres. Den Mindestlohn bekommen mehr als 40 Prozent der Beschäftigten in der Türkei.