Fragen und Antworten zum Bahn-Tarifkonflikt Per Schlichtung zum Erfolg?
Immerhin auf eine Schlichtung konnten sich Bahn und GDL nun einigen. Aber wie wahrscheinlich ist, dass diese auch zum Erfolg führt? Und was sind die Hintergründe des langwierigen Tarifkonflikts? tagesschau.de beantwortet die wichtigsten Fragen.
Was sind die Hintergründe des Streits?
Bei der Deutschen Bahn konkurrieren die Gewerkschaften GDL und EVG miteinander. Beide Gewerkschaften verhandeln derzeit mit der Deutschen Bahn um Tarifverträge, zum Teil für die gleichen Berufsgruppen. Wer die Vertretungsmacht für welche Berufsgruppe hat, ist strittig.
Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) vertritt nach eigenen Angaben etwa 210.000 Mitarbeiter. Laut Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) sind bei ihr etwa 34.000 Menschen organisiert. Die Lokführer-Gewerkschaft strebt die Vertretungsmacht für das "gesamte Zugpersonal" an. Die Definition dieser Beschäftigtengruppe ist allerdings umstritten. Nach GDL-Definition zählen dazu neben den rund 20.000 Lokführern etwa 8800 Zugbegleiter, 2500 Gastronomen in den Speisewagen, 3100 Lokrangierführer sowie 2700 Instruktoren, Trainer und Zugdisponenten. Von diesen insgesamt mehr als 37.000 Mitarbeitern sind nach GDL-Angaben 19.000 bei ihr Mitglied.
Die EVG bezeichnet die Zusammenstellung "gesamtes Zugpersonal" als willkürlich und bezweifelt zudem die Zahlenangaben der Konkurrenzgewerkschaft. In der EVG sind demnach etwa 5000 Lokführer organisiert. Dazu kämen 65 Prozent der Zugbegleiter und 75 Prozent der Lokrangierführer. Das wären bei diesen beiden Berufsgruppen zusammen 9860 Beschäftigte.
Welche Gewerkschaft verhandelt für wen?
Die Gewerkschaften leiten aus dem Organisationsgrad ihr Verhandlungsmandat für die jeweiligen Berufsgruppen ab. Wer stärker ist, soll in Tarifverhandlungen das Sagen haben. Die Frage ist jedoch, welche Organisationseinheit dabei betrachtet wird: Ein Betrieb, ein Unternehmen im Konzern, eine Berufsgruppe? Je nach Definition hätte mal die EVG, mal die GDL das Recht für Verhandlungen.
Was will die Bahn?
Die Bahn will Tarifkonkurrenz vermeiden. Sie befürchtet, andernfalls könnte die Zahl der Streiks zunehmen. Und sie befürchtet, dass konkurrierende Gewerkschaften ihre Forderungen immer höher schrauben, um für ihre Mitglieder ein besseres Ergebnis zu erzielen, als es die Konkurrenzgewerkschaft für "deren" Beschäftigte erreichte. Für die Beschäftigten einer Berufsgruppe sollen nach Meinung der Bahn dieselben Bedingungen gelten - beispielsweise bei der Zahl der Urlaubstage und der Wochenstunden, den Arbeitsbedingungen und natürlich bei den Löhnen.
Welche Verhandlungspunkte sind besonders strittig?
Die GDL will um jeden Preis eigenständige Tarifverträge für Berufsgruppen des Zugpersonals durchsetzen, die bislang nur von der größeren EVG vertreten werden. Während bei der EVG in der aktuellen Tarifrunde nach einer Mitgliederbefragung eindeutig der Wunsch nach mehr Geld im Vordergrund steht, will die GDL vor allem Regeln für eine geringere Arbeitsbelastung durchsetzen.
Als überaus strittig hat sich in den Verhandlungen zwischen Bahn und GDL die Einstufung der Lokrangierführer erwiesen. Die GDL verlangt, dass diese wie Streckenlokführer entlohnt werden, da sie häufig als solche eingesetzt würden. Das lehnt die Bahn ab. Laut GDL sollen sie nun aber in den Lokführer-Tarifvertrag eingegliedert werden. Die EVG verlangt für diese Gruppe ein neues Berufsbild des Transportlogistikers.
Wird die Schlichtung zwischen Bahn und GDL gelingen?
"Das ist völlig offen", meint der Arbeitsrechtsexperte Gregor Thüsing im Gespräch mit tagesschau.de. "Die beiden Parteien haben sich über neun Streikrunden hinweg keinen Millimeter bewegt. Und jetzt hat man das Problem nur verschoben." Der Grundkonflikt, dass die GDL für all ihre Mitglieder eigenständige Tarifverträge verhandeln will, die Bahn aber keine unterschiedlichen Tarifverträge für gleiche Arbeitnehmergruppen haben will, bleibe bestehen. "Der wird nur aufgelöst, wenn eine der beiden Parteien ihre Meinung ändert - und das ist noch nicht in Sicht", sagt Thüsing.
Was passiert bei unterschiedlichen Tarifverträgen mit Arbeitnehmern, die keiner Gewerkschaft angehören?
"Dafür ist entscheidend, ob der jeweilige Arbeitsvertrag einen Bezug zu einem Tarifvertrag herstellt", sagt der Arbeitsrechtler Thüsing. "Fehlt eine solche Klausel, beginnt das große juristische Rätselraten."