Streik auf den Wasserstraßen Worum geht es den Schleusenwärtern?
Seit Tagen streiken die Schleusenwärter. Auslöser war eine Reform der Schifffahrtsverwaltung. Im Kern des Konflikts steht dabei aber auch eine Grundsatzfrage: Was ist wichtiger - das Wort eines Ministers oder ein gültiger Tarifvertrag?
Von Jan Ehlert, tagesschau.de
Seit Wochen streiken die Schleusenmitarbeiter in Deutschland. Und eine Lösung des Konflikts ist nicht in Sicht: Denn die letzte Verhandlungsrunde am 29. Mai blieb ergebnislos, seitdem reden beide Seiten nicht mehr miteinander.
Hintergrund des Konflikts ist die vom Verkehrsministerium geplante Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung (WSV). Die Bundesbehörde ist zuständig für die Regelung des Schiffsverkehrs und die Verwaltung der Bundeswasserstraßen - also der Flüsse und Kanäle, die für die Binnenschifffahrt genutzt werden. Insgesamt sind das 23.000 Quadratkilometer Seewasserstraßen und 7350 Kilometer Binnenwasserstraßen. Pro Jahr werden dort 58,5 Milliarden Tonnenkilometer bewegt. Die WSV verwaltet zudem die 450 Schleusenkammern, 290 Wehre und vier Schiffshebewerke in Deutschland.
Weniger Behörden, mehr Effizienz
Pläne, die WSV zu reformieren, gibt es bereits seit 1993. Passiert ist bislang wenig. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer will das nun ändern: Durch die Reform soll "die Leistungsfähigkeit der Verwaltung für die Bundeswasserstraßen erhalten sowie Kompetenz und Arbeitsplätze dauerhaft in der WSV gesichert werden", heißt es in einer Pressemitteilung des Ministeriums. Konkret bedeutet dies: Wasserstraßen, auf denen viel Verkehr herrscht, sollen verstärkt ausgebaut werden. Dafür wurden die sieben Direktionen der Behörde zum 1. Mai 2013 zu einer Generaldirektion zusammengelegt. Stilllegungen von Schleusen sind nicht geplant. Die Zahl der Unterbehörden soll aber in weiteren Schritten stark reduziert werden - von 53 auf 34 Behörden.
Das bedeutet auch: Es fallen Arbeitsplätze weg. Die Rede ist von bis zu 3000 Vollzeitstellen, also rund ein Viertel der 13.000 Stellen der WSV. Allerdings: Dies werde sozialverträglich geschehen, betont Ramsauer: "Es gibt keine betriebsbedingten Kündigungen, keine Versetzungen gegen den Willen der Beschäftigten, keine finanziellen Einbußen beim Entgelt."
Ver.di: Ramsauers Zusagen haben keine Gültigkeit
Das klingt eindeutig - ist es aber nicht, kritisiert Jochen Penke, Fachbereichsleiter der Gewerkschaft ver.di: "Was das Ministerium hier verspricht, ist nur ein Placebo!" Denn die Pläne zur Umstrukturierung der WSV stünden unter dem Haushaltvorbehalt des Innenministers. Darauf könnte sich Verkehrsminister Peter Ramsauer oder sein Amtsnachfolger jederzeit berufen, um die Zusagen zurückzunehmen. "Wenn alles so ist, wie Herr Ramsauer es sagt: Warum unterzeichnet er dann nicht einen Tarifvertrag, um die Zusagen rechtsverbindlich zu machen?"
Genau dazu aber ist Ramsauer nicht bereit. Er spricht von Forderungen der Gewerkschaft, die mit der WSV-Reform nichts zu tun hätten. Die Zusagen seines Ministeriums seien aber rechtlich verbindlich. Er verweist dazu auf ein Gutachten des Arbeitsrechtsexperten Gregor Thüsing von der Universität Bonn, das Ramsauer in Auftrag gegeben hatte. Darin heißt es: Es "besteht ein einklagbarer Anspruch der Mitarbeiter darauf, dass die Zusagen eingehalten werden. Ein einseitiger Änderungs- oder Widerrufsvorbehalt wurde nicht vereinbart."
Der Bundesrat darf nicht mitentscheiden
Kritik am Vorgehen des Verkehrsministeriums kommt auch aus den Ländern. Ursprünglich sollte die Reform durch ein "Zuständigkeitsanpassungsgesetz" von Bundestag und Bundesrat legitimiert werden. Dieser Entwurf wurde jedoch zurückgezogen. Stattdessen ist die Reform nun als "verwaltungsinterne Umstrukturierung" klassifiziert, eine Zustimmung der Länderkammer ist damit nicht mehr nötig.
"Das ist schon ein starkes Stück. Der Bund arbeitet bereits seit mehreren Jahren an der Reform, uns lagen Gesetzentwürfe zur Stellungnahme vor und in einer Nacht- und Nebelaktion wird das ganze Gesetzgebungsverfahren dann plötzlich abgeblasen", kritisiert Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Reinhold Meyer, SPD. Dieses "trickreiche Umgehen von Parlaments- und Länderbeteiligung" sei weder politisch noch rechtlich hinnehmbar.
Zudem sei das Ziel verfehlt, durch die Zusammenlegung von Behörden mehr Effizienz zu schaffen, verfehlt, so Meyer weiter. So sollten nun Aufgaben, die den schleswig-holsteinischen Nord-Ostsee-Kanal betreffen künftig aus Niedersachsen wahrgenommen werden. "Das geht an der Wirklichkeit vorbei", sagt Meyer.
Die Fronten sind also verhärtet, die Streiks der Schleusenmitarbeiter werden fortgesetzt. Vermutlich demnächst auch vor Gericht: Der Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt hält die Streiks für rechtswidrig. Mit einem gerichtlichen Eilbeschluss will er weitere Arbeitsniederlegungen verhindern.