Kompromiss der EU-Energieminister Konzerne dürfen Stromnetze behalten
Die deutschen Energiekonzerne müssen ihre Stromnetze nicht verkaufen. Eine strikte eigentumsrechtliche Trennung ist nach dem Vorschlag der EU-Kommission zwar möglich. Deutschland setzte auf EU-Ebene aber eine Alternative durch.
Die europäischen Energiekonzerne müssen sich entgegen den ursprünglichen Plänen der EU-Kommission nicht von ihren Stromnetzen trennen. Die 27 Mitgliedsländer der Europäischen Union einigten sich in Luxemburg auf die wesentlichen Züge einer Reform des Energiemarktes, die künftig mehrere Modelle als gleichberechtigte Alternativen vorsieht. Die Energiekonzerne haben somit die Wahl, ob sie das Eigentum an ihren Verteilnetzen für Strom und Gas behalten oder sich von ihnen trennen. Damit setzten sich Deutschland und acht weitere EU-Länder durch, die gegen die Pflicht zum Verkauf der Netze waren.
"Weitreichende Einigung"
"Auch wenn nicht alle Mitgliedstaaten mit allen Punkten einverstanden sind, hat der Rat eine weitreichende Einigung auf die Grundzüge im dritten Energiemarkt-Paket erreicht", erklärte der slowenische Energieminister Andrej Vizjak im Namen der EU-Ratspräsidentschaft. EU-Energiekommissar Andris Piebalgs wertete das Ergebnis als erhebliche Stärkung des europäischen Binnenmarktes. Ein schärferer Wettbewerb werde Vorteile für Kunden schaffen.
Der Kompromiss sieht drei Optionen zur Trennung von Erzeugern und Netzen vor. Die EU-Staaten können die Energieversorger zum Verkauf ihrer Netze zwingen, wie von der EU-Kommission im Jahr 2007 vorgeschlagen und in Staaten wie Großbritannien schon geschehen.
Alternativ können die Regierungen die Konzerne verpflichten, ihre Netze einem komplett unabhängigen Treuhänder zu überantworten. Die Regierungen der EU-Staaten können den Energieversorgern aber auch gestatten, über Tochtergesellschaften weiter Eigentümer der Netze zu sein. Diese Netzgesellschaften wären unter strenger Aufsicht rechtlich unabhängig. Der Mutterkonzern hätte im Aufsichtsrat durch einen Anteil von 50 Prozent plus einer Stimme weiter entscheidenden Einfluss auf Investitionen. Doch gibt es strenge Vorgaben, um die Eigenständigkeit der Netzgesellschaft abzusichern.
Unabhängige Übertragungsgesellschaften möglich
Dieses Konzept unter dem Titel "Independent Transmission Operator" oder ITO (Unabhängige Übertragungsgesellschaft) setzte Deutschland gemeinsam mit Frankreich und einigen kleineren Staaten durch. Großbritannien, Schweden und andere EU-Mitglieder unterstützten dagegen den Vorschlag der EU-Kommission. Dieser sollte verhindern, dass große Erzeuger konkurrierenden Anbietern weiter den Netzzugang erschweren.
Laut dem vereinbarten Kompromiss sollen nun drei Jahre nach Umsetzung der neuen Bestimmungen alle drei Entflechtungsmodelle auf den Prüfstand. Damit ist die ITO-Variante entgegen frühren Plänen den radikaleren Optionen gleichgestellt.
Probleme für deutsche Auslandsinvestitionen
Im Gegenzug dürfen dem Kompromiss zufolge Staaten, die bei der Liberalisierung weiter gehen, Abwehrmaßnahmen gegen den Einstieg eines integrierten Konzerns auf ihrem jeweiligen Energiemarkt beschließen. Das könnte Nachteile für Auslandsinvestitionen deutscher Konzerne mit sich bringen, die an ihren eigenen Netzen festhalten. Dem Text zufolge müssen aber die Abwehrmaßnahmen mit dem EU-Wettbewerbsrecht vereinbar sein.
Deutschland stimmte dem Kompromiss zur Trennung von Energieversorgen und Netzen zu. Die deutsche Delegation erklärte aber ebenso wie der österreichische Energieminister Martin Bartenstein, dass sie mit anderen Punkten - etwa zur Schaffung einer Aufsichtsbehörde - nicht einverstanden sei. Das Europäische Parlament muss dem Kompromiss noch zustimmen. Der dort federführende Industrieausschuss hatte sich mehrheitlich für die Pflicht zum Verkauf der Netze ausgesprochen.