Schottisches Unabhängigkeitsreferendum Der Insel droht ein Währungschaos
Sollten die Schotten für ihre Unabhängigkeit stimmen, ist die wichtigste Frage ungeklärt: Was passiert mit dem Pfund? Die Nationalisten in Edinburgh würden es gern behalten. Doch London schließt genau das aus. Ein Währungschaos droht.
Am liebsten würde man diese Geschichte wie folgt beginnen lassen:
Alles ist vorbereitet. Exakt 500.000 "Starter-Kits" lagern seit dieser Woche in den Bankfilialen von Glasgow bis Aberdeen. 250 Scotties, wie die neue schottische Währung heißt, befinden sich in jedem "Kit", umgerechnet knapp 200 Euro. Den 100-Scottie-Schein ziert William Wallace, den Fünfziger schmückt Sean Connery, auf dem Zehner ist Rod Stewart zu sehen, und von der Ein-Scottie-Note lacht Andy Murray. Sollten die Schotten kommende Woche tatsächlich für ihre Unabhängigkeit stimmen, dann werden die "Kits" am Morgen nach dem Referendum an sämtlichen Bankschaltern des Landes verteilt. Und zur Feier des Tages wollen manche Filialleiter die Ausgabe sogar mit ein paar Dudelsack-Klängen untermalen.
Bloß, so kann die Geschichte leider nicht beginnen, denn die Wirklichkeit ist eine andere: Sollten die Schotten am 18. September nächster Woche tatsächlich für ihre Unabhängigkeit stimmen - dann ist rein gar nichts vorbereitet.
Sein Plan B? Darüber spricht Salmond ungern
In der Währungsfrage widersprechen sich die Positionen von Befürwortern und Gegnern einer Unabhängigkeit nämlich diametral. "Das Pfund ist unsere Währung", sagt Alex Salmond, der Kopf der schottischen Nationalisten. Er würde das Londoner Geld am liebsten behalten, Unabhängigkeit hin oder her. Dagegen haben die drei großen Westminster-Parteien (also die Tories, Labour und die Liberaldemokraten) einmütig klargestellt, dass eine Währungsunion für sie nicht infrage kommt.
Bei einem der TV-Duelle vor der Abstimmung endete die Meinungsverschiedenheit fast in einem Eklat. Wieder und wieder fragte da Alistair Darling, der Kopf der "Better Together"-Kampagne, seinen Widersacher Salmond, was denn dessen Plan B in der Währungsfrage sei. Worauf sich Salmond dermaßen um eine Antwort herumwand, dass Teile des Studiopublikums zu buhen begannen.
Könnte Schottland mit dem Pfund wirklich unabhängig sein?
Dabei scheint Salmonds Vorhaben, auch im Falle der Unabhängigkeit am britischen Pfund festzuhalten, auf den ersten Blick vernünftig. "Eine Währungsunion hätte zunächst einmal den Vorteil, dass keine Transaktionskosten entstehen", erklärt George Buckley, Ökonom bei der Deutschen Bank in London. Schottische und englische Unternehmen könnten die Geschäfte, die sie miteinander tätigen, also weiterhin in Pfund abwickeln; und wer von Glasgow nach Liverpool zum Einkaufen führe, bräuchte keine Scotties umzutauschen.
Hinzu kämen, so Buckley, weitere Vorteile. Es entstünden beispielsweise keine Wechselkursrisiken, gegen die sich Firmen ansonsten teuer absichern müssten. Und die künftige Regierung in Edinburgh könnte ihre Staatsanleihen weiterhin in britischen Pfund begeben - statt in einer Miniwährung, die kaum jemand benutzt, was die Emission von staatliche Schuldpapieren verkomplizieren und verteuern würde.
Auf der anderen Seite, meint Buckley, berge eine Währungsunion aber auch Risiken - "man muss nur mal über den Kanal schauen, um zu sehen, warum". Tatsächlich sehen viele Ökonomen die Ursache der Eurokrise darin, dass die Euroländer sich zwar einst eine gemeinsame Währung gaben, jedes Land aber weiterhin eine eigene Wirtschafts- und Steuerpolitik betrieb.
Eine Währungsunion, so das Argument, mache nur dann Sinn, wenn auch die Fiskalpolitik vereinheitlicht werde. Für die Insel würde das zu Ende gedacht bedeuten, dass die Trennung faktisch gar nicht erst vollzogen wird - Edinburgh also Wirtschaftspolitik nach Londoner Vorgaben macht. Wozu will Salmond dann aber überhaupt noch "unabhängig" werden? Eine eigene Flagge und eine eigene Nationalmannschaft haben die Schotten ja jetzt auch schon.
Einfach weiter mit dem Pfund bezahlen? Das ginge - in der Theorie
So oder so schließen die großen Londoner Parteien eine Währungsunion aber wie gesagt aus. Handelt es sich dabei nicht nur um ein taktisches Manöver, bräuchte Salmond also tatsächlich einen Plan B - der, deutet man seine Äußerungen in den vergangenen Wochen richtig, vermutlich so aussehen würde: Schottland verzichtet auf die Währungsunion. Doch die Schotten zahlen trotzdem weiter mit dem Pfund.
Geht das? Es geht. Die Montenegriner zum Beispiel machen es so. Sie zahlen mit dem Euro, ohne der Eurozone anzugehören. Und auch Panama und Ecuador verzichten seit Langem auf eine eigene Währung und haben stattdessen den US-Dollar adaptiert.
Für Schottland mit seiner vergleichsweise großen Finanzindustrie wäre es trotzdem ein Experiment mit ungewissem Ausgang. Denn zwei der größten britischen Geschäftsbanken, die Royal Bank of Scotland und die Bank of Scotland, beide mit Sitz in Edinburgh, würden ihren Zugang zur britischen Notenbank verlieren. Bei einer Schieflage gäbe es darum niemanden, der die beiden Banken stützen und die Einlagen der Sparer garantieren könnte. Denn selbst wenn die Schotten eine eigene Notenbank hochziehen - die dürfte ja keine Pfund-Noten drucken, so Buckley. Und wäre damit im Notfall machtlos.
Also Euro oder doch der Scottie?
Bleiben noch zwei Optionen. Zum einen der Euro - was aber (nur ein Problem unter vielen) die Zustimmung der Spanier voraussetzen würde. Die aber wird es kaum geben. Denn die Aufnahme Schottlands in die Eurozone würde die Unabhängigkeitsbewegungen der Basken und Katalanen beflügeln.
Realistischer scheint da tatsächlich die letzte Option, also der Scottie, der natürlich auch anders heißen könnte, Bawbee zum Beispiel (der Name einer schottischen Münze im 16. und 17. Jahrhundert) oder schottisches Pfund.
Politisch wäre eine eigene Währung die logische Konsequenz der von Salmond angestrebten staatlichen Souveränität. Ökonomisch allerdings brächte sie viele Nachteile mit sich, gibt Experte Buckley zu bedenken. Dazu gehören neben den besagten Transaktionskosten auch ganz banale Ausgaben - etwa für den Aufbau einer eigenen Notenbank oder für das Drucken von Scheinen und Münzen. Zu klären bliebe zudem, ob die Schotten ihre Währung an das britische Pfund binden würden, ähnlich wie das die Dänen machen, die ihre Krone an den Euro gekoppelt haben. Oder ob sie den Scottie frei schwanken lassen würden. Beides brächte ökonomisch je eigene Schwierigkeiten mit sich.
Ob Quebec oder Slowakei - immer gab es Probleme
Einen Königsweg? Gibt es nicht. Stattdessen droht womöglich sogar Chaos. "Die Spekulationen über die Währungsfrage werden an dem Tag beginnen, an dem Schottland für die Unabhängigkeit stimmt - beziehungsweise schon an dem Tag, an dem die Umfragen einen solchen Ausgang nahelegen", schrieb der britische Ökonom John Kay neulich in der "Financial Times".
Wie Recht Kay hatte, zeigte sich vergangene Woche, als das Pfund im Vergleich zum US-Dollar den größten Wertverlust seit einem Jahr erlitt. Und warum? Weil die schottischen Nationalisten in einer Umfrage erstmals deutlich aufgeholt hatten. Das war noch bevor weitere Umfragen am Wochenende sogar einen ungefähren Gleichstand zwischen den beiden Lagern zeigten. Daraufhin fiel das Pfund Montagmorgen nochmals um ein Prozent.
Wie geht es weiter? Die wenigen historischen Fallbeispiele, auf die man zurückgreifen kann, beruhigen kaum. In einer Studie der Schweizer Großbank UBS ist nachzulesen, dass 1995 in erheblichem Umfang Spareinlagen von Banken aus Quebec ins restliche Kanada abflossen - die Kapitalflucht stoppte erst, als das Unabhängigkeitsvotum verloren ging. Ähnliche spekulative Finanzströme sorgten 1992 dafür, dass die zunächst geplante Währungsunion zwischen Tschechien und der Slowakei schon nach wenigen Wochen scheiterte.
Wenn Schottland sich vom restlichen Königreich abspalte, dann sei nicht auszuschließen, dass Sparer im großen Stil Geld von den schottischen Banken abziehen, schreibt die UBS - was eine gefährliche Destabilisierung des schottischen Bankensystems nach sich ziehen könnte.
Dieses Worst-Case-Szenario muss nicht eintreten, klar. Aber einfach ein paar Sean-Connery-Noten zu drucken - so leicht wird die Währungsfrage nicht zu lösen sein.