ARD-Korrespondent über das Nein zu Hilfe für Schlecker-Mitarbeiter "FDP sucht Weg aus der demoskopischen Todeszone"
Warum hat die FDP die Transfergesellschaft für Schlecker-Beschäftigte verhindert? Sie hofft auf den Opel-Effekt, meint ARD-Korrespondent Jochen Graebert im Interview. Als der damalige Wirtschaftsminister Brüderle Opel-Hilfen ablehnte, half das der Partei - doch das sehe, so Graebert, dieses Mal vermutlich anders aus.
tagesschau.de: Alle sind sauer auf die FDP. Warum haben sich die Liberalen gegen Transfergesellschaften und damit gegen Ihre Koalitionspartner entschieden?
Jochen Graebert: Die Kritiker sagen: aus Verzweiflung. Die FDP steckt in einer Existenzkrise und nutzt jede Chance, um das eigene Profil zu schärfen. Die Liberalen hoffen dabei auf den Opel-Effekt, auf den Beifall, den der damalige Wirtschaftsminister Rainer Brüderle erhielt, als er dem Autobauer Staatshilfen verweigerte. Nun ist Schlecker nicht Opel. Hinter dem Autobauer stand ein US-Konzern, bei Schlecker ist das nicht der Fall. Wirklich populär ist die Weigerung, den Verkäuferinnen von Schlecker zu helfen, ja nun auch nicht. An der Wahlurne wird sich das vermutlich nicht auszahlen. Das weiß natürlich auch die FDP und insofern muss man ihr auch zugestehen, dass sie ihrer Linie treu geblieben ist, wonach der Staat nicht für Pleite-Unternehmen geradestehen soll.
tagesschau.de: Ist denn die Strategie "Das eigene Profil schärfen" der richtige Weg für die Liberalen?
Graebert: Aus Sicht der Liberalen offenbar schon. Sie sagen: In der Union mag ja manch einer geglaubt haben, dass eine FDP mit drei Prozent pflegeleichter sein werde als eine mit 14 Prozent. Aber offenbar ist das Gegenteil der Fall. Das hat man bei der Bundespräsidenten-Auswahl gesehen, beim Streit über die Vorratsdatenspeicherung und nun auch im Fall Schlecker. Die FDP kämpft um ihr Überleben, und da ist ihr das Profil allemal wichtiger als ein vergiftetes schwarz-gelbes Koalitionsklima - egal ob auf Länderebene oder im Bund.
tagesschau.de: Sie haben den Überlebenskampf angesprochen. Zuletzt fuhren die Liberalen im Saarland ein verheerendes Ergebnis von gerade mal 1,2 Prozent ein, sind also dort schon eine Splitterpartei. Gibt es überhaupt noch eine Chance auf Besserung?
Graebert: Für die FDP kommt es jetzt darauf an, aus der demoskopischen Todeszone herauszukommen. Die besteht darin, dass Wähler bei einer Partei mit so niedrigen Umfragewerten Angst haben, für diese Partei zu stimmen. Sie befürchten, dass ihre Stimme verschenkt sein könnte. Diese Spirale nach unten muss die FDP durchbrechen. Die Werte von vier Prozent, die die Liberalen derzeit bei Umfragen in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein erzielen, sind da zumindest ein kleiner Hoffnungsschimmer - mehr aber nicht.
Das Interview führte Michail Paweletz für tagesschau.de