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Prozess gegen Schlecker Vom Drogeriekönig zum Angeklagten

Stand: 06.03.2017 07:54 Uhr

Der Drogeriemarktkönig Anton Schlecker steht vor Gericht: Fünf Jahre nach der Insolvenz muss er sich vor dem Landgericht Stuttgart verantworten. Der Vorwurf: Vorsätzlicher Bankrott. Welche Dimension hat der Prozess?

Von Kolja Schwartz, ARD-Rechtsredaktion

Was wird Anton Schlecker vorgeworfen?

Die Schwerpunktstaatsanwaltschaft Wirtschaftskriminalität hat Jahre lang gegen Anton Schlecker ermittelt. In der Anklage wirft sie dem einstigen Firmenchef 36 Fälle des so genannten Bankrotts (§ 283 ff StGB) vor. Außerdem soll er Jahresabschlüsse falsch wiedergegeben und unrichtige Angaben vor dem Insolvenzgericht gemacht haben.

Was bedeutet der Vorwurf des Bankrotts?

Immer wieder liest man, Schlecker sei wegen "vorsätzlichen Bankrotts" angeklagt. Und manch einer kombiniert, Schlecker habe sein Unternehmen absichtlich Pleite gehen lassen und damit auch absichtlich die "Schleckerfrauen" um ihren Job gebracht. Dies hat jedoch mit dem juristischen Vorwurf, der ab Montag in Stuttgart verhandelt wird, nichts zu tun: Auch ohne die vorgeworfenen Handlungen Schleckers hätte das Unternehmen wohl nicht gerettet werden können. Wohl niemand bezweifelt, dass Schlecker gerne auch heute noch ein erfolgreiches Unternehmen hätte.

Der Straftatbestand heißt "Bankrott" und er soll bestrafen, wenn jemand Vermögenswerte beiseite schafft, obwohl er weiß, dass sein Unternehmen überschuldet oder zahlungsunfähig ist oder die Zahlungsunfähigkeit droht. Anton Schlecker, so die Staatsanwaltschaft soll von der drohenden Zahlungsunfähigkeit gewusst haben und trotzdem in 36 Fällen Vermögenswerte in Millionenhöhe beiseite geschafft und so dem Zugriff der Gläubiger entzogen haben. 13 Fälle davon seien sogar besonders schwere Fälle des Bankrotts, weil Schlecker aus Gewinnsucht gehandelt habe (§ 283a StGB).

Anton Schlecker

Anton Schlecker am 06.03.2017 im Gericht

Um welche Fälle geht es konkret?

2011 soll Anton Schlecker seinen Enkelkindern Geldgeschenke von insgesamt 800.000 Euro gemacht haben. Im selben Jahr habe er eine Reise der Kinder im Wert von 58.000 Euro finanziert. Schlecker soll Bau- und Handwerkerrechnungen für eine Wohnung von Sohn Lars in Höhe von etwa einer Million Euro und Schenkungssteuer für seine Tochter Meike in Höhe von 700.000 Euro übernommen haben.

Es geht in der Anklage aber auch um Verträge, die Anton Schlecker mit dem Logistikunternehmen LDG abgeschlossen hat. Hier soll er überhöhte Stundensätze statt der in der Branche üblichen Pauschalvergütungen gezahlt haben. Die Gesellschafter der LDG waren Meike und Lars Schlecker.

Hat Schlecker im Insolvenzverfahren nicht Millionen zurückgezahlt?

Doch. Der Insolvenzverwalter soll sich insgesamt 10,1 Millionen Euro von Familie Schlecker zurückgeholt haben, die den Gläubigern letztlich zugutekamen. Das Insolvenzverfahren ist aber die eine Baustelle. Die Bewertung, ob etwas strafbar ist, eine andere. Kommt am Ende des Gerichtsverfahrens heraus, dass die Zahlungen Schleckers den Straftatbestand des Bankrotts erfüllen, so machen die Rückzahlungen diese Straftaten nicht ungeschehen. Allerdings kann die Mitarbeit im Insolvenzverfahren eine Rolle spielen, wenn es um die Höhe der Strafe geht. Dann können Rückzahlungen durchaus strafmildernd berücksichtigt werden.

Was entgegnet Schlecker den Vorwürfen?

Anton Schlecker lebt sehr zurückgezogen und äußerte sich bislang nicht zu den Vorwürfen. Sein Anwalt wird im Prozess argumentieren, dass Schlecker bis zum Schluss daran geglaubt habe, sein Unternehmen -  sein "Lebenswerk" - retten zu können. Außerdem habe Schlecker quasi so weitergelebt, wie zuvor. Im Prozess wird es also vor allem um diese Fragen gehen: Ab welchem Zeitpunkt wusste Schlecker von der drohenden Zahlungsunfähigkeit und welche Zahlungen durfte er dann noch anweisen?

Was wird Lars und Meike Schlecker vorgeworfen?

Zum Teil wird den Kindern von Anton Schlecker die Beihilfe zum Bankrott vorgeworfen, weil sie die Zahlungen vom Vater angenommen haben. Zum Teil, so die Anklage, hätten sie aber auch selbst als "faktische Geschäftsführer" des Logistikunternehmens LDG Zahlungen angewiesen, obwohl die Zahlungsunfähigkeit klar war. Darüber hinaus steht der Vorwurf der Untreue im Raum: Meike und Lars Schlecker sollen sich Millionenbeträge als Gewinne auszahlen lassen haben, obwohl das Unternehmen LDG eigentlich Verluste erwirtschaftet hat. Außerdem hätten sie den Insolvenzantrag für die LDG nicht rechtzeitig gestellt.

Lars und Meike Schlecker

Lars und Meike Schlecker müssen sich wegen Beihilfe zum Bankrott verantworten.

Wofür muss sich Christa Schlecker verantworten?

Die Ehefrau von Anton Schlecker muss sich wegen Beihilfe zum Bankrott verantworten. Sie soll von den Schlecker-Schwesterunternehmen Zahlungen für Beraterhonorare angenommen haben, für die sie nie Leistungen erbracht hat.

Welche Dimension hat der Prozess?

26 Prozesstage hat das Landgericht Stuttgart für die Aufklärung der Vorwürfe zunächst angesetzt. Bis Oktober soll verhandelt werden. In mehr als 200 Ordnern sind die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft zusammengetragen. Somit ist zu erwarten, dass im Prozess die letzten Jahre des Schlecker-Unternehmens aufgearbeitet werden. Das Interesse an dem Strafprozess gegen die Schleckerfamilie ist enorm, auch die eine oder andere "Schleckerfrau" wird im Gerichtssaal in Stuttgart erwartet.

K. Bauer, SWR, 06.03.2017 00:03 Uhr