Interview zur Krise bei der Sachsen LB "Von der Sachsen LB wird nicht viel übrig bleiben"
Die Schließung der Sachsen LB wäre ein riesiger Image-Verlust gewesen. Das ausgehandelte Krisenpaket werde vermutlich reichen, um die Landesbank zu retten, meint Banken-Experte Hartmann-Wendels im Interview mit tagesschau.de. Dennoch sei fraglich, ob es die Bank in einem Jahr noch geben wird.
Die Schließung der Sachsen LB wäre ein riesiger Image-Verlust gewesen. Das ausgehandelte Krisenpaket werde vermutlich reichen, um die Landesbank zu retten, meint Banken-Experte Hartmann-Wendels im Interview mit tagesschau.de. Dennoch sei fraglich, ob es die Bank in einem Jahr noch geben wird.
tagesschau.de: Die Krise um die Sachsen LB hat sich zu einem handfesten politischen Skandal ausgeweitet, Sachsens Ministerpräsident Milbradt ist heftig unter Druck geraten. Ist die in der Nacht gefundene Lösung eine "politische Lösung", um Milbradt zu retten oder ist sie auch bankenpolitisch klug?
Thomas Hartmann-Wendels: Die gefundene Lösung wird Ministerpräsident Milbradt nicht unmittelbar retten, sie ist auch keine politische Lösung. Sie dient vielmehr dazu, den Sparkassen-Sektor insgesamt zu stabilisieren. Die Schließung der Sachsen LB stand ja unmittelbar bevor. Und das galt es zu verhindern, und das ist offensichtlich auch gelungen.
tagesschau.de: Sachsen übernimmt eine Bürgschaft in Höhe von 2,75 Milliarden Euro – was bedeutet das für den Steuerzahler?
Hartmann-Wendels: Es ist möglich, dass ein nicht unerheblicher Teil dieses Betrages vom Steuerzahler getragen werden muss.
tagesschau.de: Fehlt diese Bürgschaftssumme jetzt eigentlich an anderer Stelle? Ein Hauptgeschäft von Landesbanken ist es ja, Investitionen im jeweiligen Bundesland zu fördern.
Hartmann-Wendels: Die Summe fehlt in erster Linie dem Landeshaushalt und damit dem Steuerzahler. Aber sie wird auch die Geschäftspolitik der Banken beeinflussen. Die Fähigkeit neue Investitionen zu finanzieren, die Möglichkeit neue Risiken einzugehen, wird nachhaltig geschwächt.
tagesschau.de: Die Sachsen LB hat durch riskante Geschäfte auf dem US-Immobilienmarkt ein Risiko von 43 Milliarden Euro angehäuft. Reicht die Bürgschaft von 2,75 Milliarden Euro überhaupt aus, um das Risiko zu begrenzen?
Hartmann-Wendels: Noch ist nicht abzusehen, wie hoch die Verluste für die Sachsen LB aus den Risiko-Geschäften sein werden, es gibt noch keine zuverlässigen Daten. Die 2,75 Milliarden Euro werden vermutlich ausreichen, aber es ist theoretisch möglich, dass die Verluste wesentlich höher ausfallen. Und dann wird auf die sogenannten "nachrangigen Haftungsgeber" zurückgegriffen werden müssen, also auf die Landesbank Baden-Württemberg, aber auch auf andere deutsche Landesbanken. Auch diese Institute sind nicht frei von Risiken.
tagesschau.de: Der Chef der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hatte nach Angaben aus Verhandlungskreisen gedroht, die Sachsen LB zu schließen, falls keine Lösung gefunden werden könne. Wäre dieser Schritt der bessere gewesen?
Hartmann-Wendels: Eine Schließung der Sachsen LB wäre für den Sparkassensektor ein schwerer Schlag gewesen, ein Image-Verlust ohne Gleichen, eine Destabilisierung des gesamten Bereichs. Mit einer Schließung hätte man letztlich nichts Positives erreicht. Dieses Drohpotenzial der BaFin war aber notwendig, um zu der jetzt gefundenen Lösung zu kommen.
tagesschau.de: Hätte die Landesbank Baden-Württemberg klüger gehandelt, wenn sie in der Zuspitzung der Krise aus dem Kauf der Sachsen LB ausgestiegen wäre?
Hartmann-Wendels: Die Landesbank Baden-Württemberg geht ein großes Risiko ein, aber unter dem Druck der BaFin blieb ihr letztlich nichts anderes übrig, als die Risiken auf mehrere Schultern zu verteilen. Und sie muss eben davon auch einen Teil übernehmen.
tagesschau.de: Lassen Sie uns einen Blick in die Zukunft wagen: Wo steht die Sachsen LB, sagen wir, in einem Jahr?
Hartmann-Wendels: Von der Sachsen LB wird nicht mehr viel übrig bleiben. Es gibt keine Teile dieser Landesbank, die einen besonderen Wert darstellen. Meine Vermutung ist, dass die Sachsen LB mehr oder weniger von der Bildfläche verschwinden wird.
Das Interview führte Patrick Uhe, tagesschau.de