Bei der Messe "Enforce Tac" ist eine Drohne vom Typ "Vector" der Firma Quantum Systems ausgestellt.
Player: videoARD Extra: Aufklärungsdrohnen made in Germany für die NATO und die Ukraine
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Geplante Milliardenausgaben Zweifelhafte Strukturen beim Bundeswehr-Einkauf

Stand: 17.03.2025 19:57 Uhr

Deutschland soll in den kommenden Jahren so viel Geld in Rüstung stecken wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Experten warnen allerdings, dass Milliarden in den Strukturen der Bundeswehr verloren gehen könnten.

Von Johannes Lenz, Stephan Lina und Anne Gümpelein, br

Wenn die deutschen Streitkräfte neues Gerät entwickeln lassen, dann sprechen Spötter gern von sogenannten Goldrandlösungen. Als abschreckendes Beispiel gilt der Schützenpanzer Puma. Jahrelang hatten die Beschaffungsbehörden die Hersteller mit immer neuen Anforderungen konfrontiert und so die Kosten nach oben getrieben. Am Ende wurde der Puma so komplex und teuer, dass ihn keine andere Armee der Welt kaufen wollte.

Das dürfe sich nicht wiederholen, wenn in den kommenden Jahren Milliardensummen in die Ausrüstung der Truppe fließen, sagt Rafaela Kraus, Professorin für Unternehmens- und Personalführung an der Universität der Bundeswehr München. "Geld ist natürlich schon sehr wichtig. Aber es löst keine strukturellen Probleme. Und wenn ich Geld ins System gebe, kann ich womöglich noch mehr Ineffizienzen erzeugen."

Deutschland nutzt Potenzial nicht

Kosteneffizient mit Robotik und modernster Drohnentechnologie die NATO-Ostflanke überwachen - etwa mit einen Meter langen Aufklärungsdrohnen - vollautomatisiert - made in Germany. Dieses Ziel hat die Firma Quantum Systems aus Gilching bei München. Sie testet moderne Drohnenstart- und Landesysteme.

Der Chef Florian Seibel hofft auf weitere Aufträge: "Es geht um automatisiertes Starten und Landen von Drohnen, ohne Personen in Gefahr zu bringen. Das ist kostengünstiger, als wenn ich deutsche Beamte rund um die Uhr mit Schichtzulage einsetzen muss. Und da spielt dann natürlich auch KI eine große Rolle, weil alle Daten, die die Drohne sammelt, lassen sich natürlich auch hochautomatisiert auswerten."

Drohnen für die NATO und die Ukraine, produziert in Deutschland - eine Seltenheit. Das Potenzial dafür nutze Deutschland noch viel zu schlecht, meint Rafaela Kraus, Professorin für Unternehmens- und Personalführung an der Universität der Bundeswehr in München. "Wir müssen auch die strukturellen und kulturellen Probleme in der Bundeswehr angehen und in der Verteidigungsinnovation. Sonst versickert vieles in Kanälen, die wir vielleicht gar nicht haben möchten."

Alte Bundeswehr-Strukturen aufbrechen

Doch wie lässt sich die Beschaffungsstrategie der Bundeswehr agiler aufstellen? Rafaela Kraus ist auch Gründerin des Entrepreneur-Centers der Universität und begleitet junge Gründerinnen und Gründer auf ihrem Weg in die freie Wirtschaft. Sie sitzt an der Schnittstelle zwischen Bundeswehr, Rüstungsbranche und Universität und sieht ein strukturelles System.

Sie nennt es "Silo-Denken" und wird konkret, wie man es aufbrechen könnte: "Wir haben in der Bundeswehr zum Beispiel keine Innovationsökosysteme, sondern Ressorts, die teilweise sehr losgelöst voneinander agieren und auch im Wettbewerb zueinander stehen. Das ist natürlich für Innovation sehr schädlich. Es braucht eine kulturelle Veränderung hin zu ressortübergreifender Zusammenarbeit."

"Fünfmal so viele Waffensysteme wie die USA"

Das sieht der Chef der Airbus-Rüstungssparte, Michael Schöllhorn, ähnlich. Der Konzern produziert unter anderem Kampfhubschrauber und den Eurofighter-Kampfjet. Mehr Zusammenarbeit sei nicht nur bei der Bundeswehr, sondern auch auf europäischer Ebene nötig. "Europa muss mehr konsolidieren. Wir haben gegenüber den USA nur ein Drittel des US-Budgets, dafür aber fünfmal so viele Waffensysteme. Wir müssen mehr Geld auf weniger Systeme fokussieren."

Erst vor wenigen Monaten hat Airbus fristgerecht Hubschrauber des Typs H145M an die Bundeswehr ausgeliefert. Doch damit das auch in Zukunft klappt, fordert Michael Schoellhorn mehr Planungssicherheit von der Politik. "Wir brauchen dann auch ein Budget, was verlässlich und stetig da ist und nicht wie das Wort Sondervermögen schon impliziert, das Gefühl gibt, das ist jetzt mal was, das machen wir kurzfristig und danach ist es auch wieder vorbei."

Vorschlag für neuen Kontrollmechanismus

Wie kann man sicherstellen, dass Steuergelder dauerhaft effizient eingesetzt werden? Friedrich Heinemann von Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) leitet den ZEW-Forschungsbereich Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft. Er schlägt unter anderem vor, der Rat der Wirtschaftsweisen könnte sich mit dem Bundesrechnungshof und der Bundesbank zusammentun. Sie könnten dann gemeinsam überprüfen, ob die im Grundgesetz vorher verankerten Kriterien für die staatlichen Investitionen auch wirklich eingehalten werden.

Kraus von Universität der Bundeswehr mahnt, alteingesessene Unternehmen hätten bessere Netzwerke. Sie appelliert an alle Beteiligten, mit den geplanten staatlichen Ausgaben auch junge Unternehmen und Innovation zu fördern. "Um noch schlagkräftiger zu werden, müssen wir die Egoismen in Ressorts in Abteilungen bei den Playern in der Politik, in der Wirtschaft und in der Bundeswehr überwinden. Denn nur so können wir diese gemeinsame, gigantische Aufgabe meistern."

Welche Hürden in der Beschaffung stecken

Will die Bundeswehr bestimmtes Material beschaffen, muss der genaue Bedarf geplant und genehmigt werden. Technische Lieferbedingungen und Verteidigungsgeräte-Normen müssen passen. Lieferanten müssen sich an die gesetzlichen Vorgaben und Vergabeverfahren halten. Dann erfolgt noch ein Qualitätsmanagement. Die Bundeswehr hat eigene Güteprüfstellen, die die vorschriftsmäßige Produktion überwachen.

Aktuell wird der Beschaffungsprozess zwar durch neue Regeln beschleunigt, um die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte zu verbessern, doch oft verzögern bürokratische Prozesse die Auslieferung. So müssen einige Materialien und Betriebsstoffe spezielle Zulassungsbedingungen der Bundeswehr erfüllen. Aus Sicht von Kraus von der Universität der Bundeswehr muss die Rüstungsbranche nicht nur Hightech liefern - die Bundeswehr muss diese auch effizienter und unbürokratischer einkaufen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete das Erste am 17. März 2025 um 20:15 Uhr in der Sendung "ARD Extra".