Regierungserklärung im Bundestag "Das Risiko ist vertretbar"
Ein langer Euro-Rettungstag hat begonnen: In einer Regierungserklärung warb Kanzlerin Merkel im Bundestag für ihren Euro-Kurs, um dann mit Rückendeckung zum EU-Gipfel nach Brüssel zu reisen. Das Risiko bei der Maximierung des Euro-Rettungsschirms nannte sie "vertretbar". Harsche Kritik kam von SPD-Fraktionschef Steinmeier. Nun wird abgestimmt.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat in ihrer Regierungserklärung im Bundestag für ihren Euro-Kurs geworben. Sie skizzierte zunächst die gute Wirtschaftslage Deutschlands, um dann den Bogen nach Europa zu schlagen. "Deutschland kann es auf Dauer nicht gut gehen, wenn es Europa schlecht geht." Daher müsse Europa eine Stabilitätsunion werden.
Zunächst müsse aber die akute Krise gelöst werden. Dann aber, so die Kanzlerin, gelte es die Fundamente der Wirtschafts- und Währungsunion maximal zu verstärken. Es gehe darum, tragfähige Lösungen für die Länder mit einer zu hohen Verschuldung zu finden. Auch gehe es darum, eine Ausweitung der Schuldenkrise zu verhindern.
Schuldenschnitt löst Probleme nicht
Mit Blick auf Griechenland sagte Merkel: Ein Schuldenerlass allein löst die Probleme des Landes nicht. "Sonst sind wir in Kürze wieder dort, wo wir heute schon sind." Es müssten schmerzhafte Reformen umgesetzt werden. Sie stellte klar: Hilfe muss immer an klare Bedingungen geknüpft werden."
211 Milliarden Euro ist die Obergrenze
"Wir wollen, dass Griechenland schnell wieder auf die Beine kommt", machte Merkel klar. Man müsse aber aufpassen, dass andere Länder von der Schuldenkrise nicht weiter angesteckt werden. Daher sei ein großer Schutzwall gegen Ansteckungsgefahren, die von Griechenland ausgehen können, notwendig. Bei den 211 Milliarden Euro Obergrenze für Deutschland beim Rettungsschirm EFSF bleibe es aber, machte Merkel klar.
Sie betonte, der Rettungsschirm EFSF müsse möglichst wirksam gestaltet werden. Das Risiko bei der "Maximierung" des Euro-Rettungsfonds EFSF sei vertretbar. Sie gehe sogar so weit zu sagen: "Es wäre nicht vertretbar, das Risiko nicht einzugehen." Nach intensiver Prüfung aller Vorschläge liege ihr eine "bessere, vernünftigere Alternative" nicht vor. Ihren Worten zufolge soll die Europäische Zentralbank (EZB) nicht eingebunden werde. Frankreich hatte ursprünglich gefordert, die EZB an den Konzepten zur Lösung der Euro-Schulden- und Bankenkrise zu beteiligen
Forderung an private Anleger
Zudem forderte sie einen weit größeren Anteil der Privatgläubiger an einem zweiten Rettungspaket für Griechenland über die Vereinbarungen vom Juli hinaus. Ziel müsse sein, dass Griechenland im Jahr 2020 seinen Schuldenstand auf 120 Prozent der Wirtschaftsleistung drückt. Dies gehe nicht, wenn sich die privaten Gläubiger nicht in erheblich größerem Umfang beteiligten.
Eine Beteiligung der privaten Gläubiger durch einen Schuldenschnitt bedeute auch, dass vermieden werden müsse, dass andere Länder angesteckt würden. Dazu müssten die Banken rekapitalisiert werden. Gleichzeitig sei klar, dass die Banken zunächst aufgefordert seien, sich selbst Kapital zu besorgen.
Steinmeier: "Operation am offenen Herzen"
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier machte in der anschließenden Aussprache klar, warum die SPD den Euro-Kurs der Kanzlerin stützt, obwohl die Regierung die Unterstützung der Opposition "eigentlich nicht verdient" habe. Die Euro-Rettung bezeichnete er als "Operation am offenen Herzen". Und die SPD stehe zu ihrer europäischen Verantwortung. Harsche Kritik übte Steinmeier an der Informationspolitik der Regierung: "Sie gehen nicht offen und ehrlich mit dem Parlament um." Die Regierung verspiele so den Rest an Vertrauen.
Er erinnerte an die Plenardebatte über den Euro-Rettungsschirm EFSF Ende September. Damals habe die Regierung dementiert, dass eine Hebelung des Schirms geplant sei. Angesichts der Tatsache, dass die Ausweitung des EFSF nun doch kommen werde, sei das "unverschämt" gewesen.
Gysi sieht "Chaos in der Koalition"
Von einem Chaos in der Koalition sprach Linkspartei-Fraktionschef Gregor Gysi. "Sie haben ein Chaos verursacht, die eine Wirrnis organisiert, die alle überfordert."Auch das Recht der Bundesregierung, die Bevölkerung in Verwirrung zu bringen, habe Grenzen. CSU-Chef Horst Seehofer und FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle hätten einen Hebelmechanismus für den Rettungsfonds vor kurzem noch ausgeschlossen. Nun werde er beschlossen. Am Ende bezahlten die Bürger für die Griechenland- und Banken-Hilfen.
Auch der Fraktionschef der Grünen, Jürgen Trittin, sagte, die Bürger seien angesichts der Billionen-Summen zutiefst verunsichert. Daran trage die Regierung eine Mitschuld.
FDP-Fraktionschef Brüderle ließ die Kritik nicht gelten. "Wir haben mit der Parlamentsbeteiligung einen demokratischen Meilenstein gesetzt." Merkel brauchte vorab grünes Licht, um in Brüssel ein volles Verhandlungsmandat zu haben.
Abstimmung im Bundestag
Mit Spannung wird daher die abschließende Abstimmung im Bundestag erwartet. Dabei geht es darum, welche Position Kanzlerin Angela Merkel in Brüssel einnehmen soll. Der so genannte Entschließungsantrag wurde von den Fraktionsführern der Union, FDP, SPD und Grünen gemeinsam ausgearbeitet, eine breite Rückendeckung dürfte Merkel bei der Abstimmung also sicher sein.
Allerdings ist offen, ob sie die sogenannte Kanzlermehrheit oder eine eigene Mehrheit der Koalitionsfraktion erhalten wird, da mehrere Abgeordnete der Unionsfraktion bereits angekündigt haben, mit Nein stimmen zu wollen. Zudem sind offenbar viele Abgeordnete der Koalition nicht anwesend - wegen Krankheit oder Dienstreisen.