Interview zu Goldman Sachs "Die haben doppelt und dreifach verdient"
Der Fall Goldman Sachs zeigt, wie sich auf Kosten von Anlegern Milliarden verdienen lassen. Unklar sei nun, ob das Institut für die Verluste nun Entschädigung zahlen müsse, sagte Finanzexperte Reifner im Interview. Banken sollten immer für falsche Informationen haften, forderte er.
EinsExtra: Warum steht Goldman Sachs unter Betrugsverdacht?
Udo Reifner: Goldman Sachs hat in den USA Hypothekenforderungen aufgekauft, die ein Herr Paulsen dann zusammengestellt hat. Da waren faule dabei und die haben sie dann so verpackt, dass man es nicht mehr sah, haben sie weiterverkauft und gleichzeitig darauf gewettet, dass die Preise dafür sinken werden. Das heißt, sie wussten Bescheid und haben spekuliert. Das ist so, als wenn Sie auf dem Fischmarkt Apfelsinen kaufen und die unteren alle faul sind: Der Verkäufer legt die guten Apfelsinen oben drauf und wettet, dass das niemand merkt.
EinsExtra: Das heißt, die US-Börsenaufsicht ermittelt zu Recht?
Reifner: Die Börsenaufsicht ermittelt wegen Betrugs mit Insidergeschäften, wobei neu ist, dass die Beklagten die Geschäfte gar nicht selber gemacht haben, sondern immer nur als Makler für andere tätig waren und dicke Provisionen eingestrichen haben.
"Der Finanzmarkt verliert kein Geld"
EinsExtra: Wie ist so etwas möglich? In der Finanzbranche spielt Vertrauen eine sehr große Rolle - wurde das Vertrauen missbraucht?
Reifner: Ja. Es gab Banken, die haben die Geschäfte selber gemacht. Und es hat Banken gegeben, die haben sie nur für andere gemacht und immer darauf geachtet, dass die Verluste bei anderen landeten. Das ist leider üblich geworden und auch heute wieder üblich. Denn der Finanzmarkt verliert kein Geld, sondern es bleibt nur woanders und taucht bei anderen wieder auf.
EinsExtra: Ob Goldman Sachs betrogen hat, interessiert nun auch die BaFin und die deutsche Politik. Schließlich ist auch die Mittelstandsbank IKB betroffen. Diese hat ihre kompletten Einlagen dort verloren. Was könnte an Schadenersatzforderungen auf Goldman Sachs zukommen?
Reifner: Das Schlimme ist: Die IKB ist eine Staatsbank, eine Tochter der KfW. Das heißt, wir als Steuerzahler haben den Millionenschaden bezahlt. Nun stellt sich die Frage: Gibt es in diesem Fall Haftungstatbestände? Bei Insiderhandel gibt es solche Tatbestände. Aber bei Falschberatung ist das schwierig mit Blick auf professionelle Käufer, weil die IKB ja selber Fachleute hat. Wir sollten hier weiterkommen und sagen, eine Bank haftet für die falschen Informationen, die sie in die Welt setzt - egal ob auf der anderen Seite ein Profi oder ein Laie sitzt.
EinsExtra: Die Finanzwelt ist jedenfalls sehr beunruhigt. Könnten noch andere Institute ins Visier der Bankenaufsicht kommen?
Reifner: Es ist ja kein Geheimnis, dass die Deutsche Bank, die als beste Bank in Deutschland aus der Krise hervorgegangen ist, auch sehr stark im Beratungsgeschäft war. Wenn ich mich nicht irre, hat die Bayerische Landesbank einmal eine Klage versucht wegen Falschberatung. Wir haben auch bei der Depfa-Bank und anderswo Falschberatung von den Banken, die selber die Geschäfte gar nicht gemacht haben. Die waren ihnen zu risikoreich, aber sie haben anderen wärmstens dazu geraten und dann darauf gewettet, dass diese Risiken auch eintraten. Das passierte dann auch. Diese Banken haben also doppelt bis dreifach verdient. Man muss diejenigen endlich belangen, die praktisch nur indirekt daran verdient haben, dass sie diesen Markt angeheizt haben, ohne dass sie selber Käufer waren.